Crowdfunding – die Masse macht’s möglich

Ein eigenes Buch veröffentlichen, einen Film drehen, eine Platte aufnehmen? Künstler und Kreative haben viele gute Ideen – doch meist fehlt ihnen das Geld, um sie zu realisieren. Hilfe bei der Finanzierung kann ein neuer Trend aus den USA leisten: das Crowdfunding.

Crowdfunding, auch Schwarmfinanzierung genannt, hat sich in den USA als Finanzierungsmöglichkeit im Internet bereits etabliert. Die Idee ist simpel: Viele Leute geben einen kleinen Beitrag – so kann eine große Summe zusammen kommen. In Deutschland haben sich Crowdfunding-Plattformen wie pling.de, mysherpas.de oder startnext.de seit ungefähr zwei Jahren entwickelt.

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Musiker Axel Christian Schullz hat sich mit der Schwarmfinanzierung einen Traum erfüllt: sein erstes Solo-Album. Teaser und Foto: Marc Miertzschke.

Axel Christian Schullz ist Musiker mit viel Liebe zum Singen und Liederschreiben. Der Leiter des Dortmunder Universitäts-Chores „Geistreich“ träumte schon lange von einem Solo-Album. „Aber eine CD-Produktion ist nun mal recht teuer“, sagt Schullz, „daher bin ich echt sehr froh, dass es das Crowdfunding gibt.“ Er hat es geschafft und seine erste eigene Solo-CD aufgenommen – mit der Hilfe von mehr als 70 Unterstützern im Internet.

Zusammen hat die Internet-Community in sechs Wochen 3477 Euro aufgebracht und so konnte Schullz mit der Produktion seiner Platte „Weil es dich gibt“ beginnen. Zuvor hatte er lange über verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten nachgedacht, bis er vom Crowdfunding in einem Zeitungsartikel erfuhr. „Ich habe von dieser Möglichkeit der Finanzierung und den Plattformen gelesen“, sagt Schullz, „dann habe ich bei startnext.de ein Projekt angelegt.“

Damit das Projekt Erfolg hat, muss es bei den Supportern Unterstützung finden. „Es ist daher schon sehr hilfreich, wenn man die Projekt-Darstellung transparent und ansprechend gestaltet“, sagt Schullz, der sein Projekt mit einem Video bewarb. „Man muss die Menschen ansprechen und überzeugen. Am besten man aktiviert auch sein eigenes Netzwerk.“

So kam auch Nadia Kadereit als Supporter dazu: Während ihres Studiums der Diplom-Rehabilitationspädagogik an der TU hat sie in Schullz‘ Chor „Geistreich“ mit dem Singen begonnen. Und auch nach Beendigung ihres Studiums singt sie weiterhin im Chor, denn sie schätzt die motivierende Art ihres Chorleiters. Über einen E-Mailverteiler erfuhr sie von dem Crowdfunding-Projekt: „Ich habe ihn unterstützt, weil ich seine Musik mag. Seine Stücke machen extrem gute Laune.“ Als eine von 77 Supportern hat sie das CD-Projekt von Axel Christian Schullz gefördert. „Ich war auch die erste, die Geld zugesagt hat – das fand ich toll.“ Das Geld wird auf ein Treuhandkonto überwiesen: Der Projektstarter kann erst darüber verfügen, wenn die gesamte Finanzierungssumme erreicht ist.

Dank an die Supporter

Foto: Marc Miertzschke

Das erste Solo-Album von Axel Christian Schullz - finanziert durch die Crowdfunding-Community. Foto: Marc Miertzschke

„Es war daher schon spannend zu beobachten, ob das Projekt finanziert würde oder nicht“, sagt Nadia Kadereit. Denn finden sich in der vorgegebenen Zeit nicht genug Supporter, ist das Projekt gescheitert, die bereits zugesagten Gelder fließen dann an die Supporter zurück. Das CD-Projekt von Axel Christian Schullz war erfolgreich: Innerhalb von sechs Wochen konnte er ausreichend Supporter gewinnen, die sogar mehr Geld gaben, als Schullz sammeln wollte. Anschließend bekamen alle Supporter ihr Dankeschön.

Als Dankeschön für die Unterstützung kommt vieles in Betracht: Axel Christian Schullz hat sich unter anderem für einen Download des Albums, handsignierte CDs oder die Nennung im Booklet entschieden. Aber auch ein Privatkonzert mit ihm wäre möglich gewesen – abhängig von der Höhe der Unterstützung hat der Supporter die Wahl. „Das ist das Schöne, man kann als Künstler bei den Projekten und den Dankeschöns so kreativ sein. Die Kreativen können sich voll auslassen, sie müssen keinen Bürokram erledigen, keinen Businessplan erstellen.“

Die Zukunft der Kulturförderung?

Denn ein Kulturprojekt in Deutschland umzusetzen, das gleicht einem Hürdenlauf. Wer als Künstler kein eigenes Geld hat, muss auf staatliche oder private Kulturförderung hoffen. Die muss beantragt werden, das kostet Zeit und ist mit viel Papierkram und Rechtfertigung verbunden. In den Vereinigten Staaten gibt es kaum staatliche Kulturförderung – kein Wunder also, dass sich Crowdfunding dort schon etabliert hat. Auch Projekte mit Finanzierungssummen im hohen fünfstelligen Bereich werden in den USA von der Community unterstützt.

Inspiriert durch die dortigen Crowdfunding-Plattformen haben Tino Kreßner und Denis Bartelt im August 2010 die deutsche Plattform startnext.de gegründet. Kreßner, ein Student der Medientechnik, war bis vor kurzem Geschäftsführer einer Medien-Agentur, Bartelt ist als gelernter Fotograf Inhaber einer Softwareagentur, die auch startnext.de programmiert hat. Beide sehen im Crowdfunding eine große Chance: „Crowdfunding wird sich zunehmend zu einer relevanten Alternative ergänzend zur öffentlichen Kulturförderung etablieren. Denn gerade kleineren oder Nischenprojekten bleibt der Zugang zu den öffentlichen Förderungen oft verwehrt.“

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Denis Bartelt (links) und Tino Kreßner haben die Plattform startnext.de 2010 gegründet. Foto: startnext.de

Crowdfunding stärke auch das private Kulturengagement, so ihre Meinung: „Bürger können damit selbst aktiv werden und ihre Kulturlandschaft in der heutigen Mitmach-Gesellschaft vielfältig gestalten.“ Zudem lasse sich mit Crowdfunding das Projekt selbst auf den Prüfstand stellen: „Den Prinzipien der Web 2.0-Kommunikation folgend ist Crowdfunding ein hervorragendes Instrument für das Marketing und die Marktanalyse des eigenen Projekts.“

Die große Chance für Startups

Die Schwarmfinanzierung funktioniert nicht nur im kulturellen Bereich. Auch Unternehmensgründer und Startups haben das Crowdfunding für sich entdeckt, Seiten wie seedmatch.de bringen Gründer und Investoren zusammen. „Grundsätzlich ist Crowdfunding eine tolle Sache, damit lassen sich Eigenkapital-Lücken schließen“, sagt Andreas Kuckertz, der als Privatdozent und akademischer Rat am Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship der Universität Duisburg-Essen arbeitet. Die wirtschaftswissenschaftlichen Vorteile des Crowdfundings aus seiner Sicht: Die Möglichkeit einer schnellen Finanzierung und der Projekt-Check durch die Experten aus der Community. „Wenn keiner investieren will, muss es wohl am Projekt liegen, dann sollte es noch einmal überdacht werden“, so Kuckertz. Noch sei es allerdings zu früh, das Crowdfunding als die überragende Finanzierungsform zu bewerten, Studien zu diesem Thema gibt es wohl erst in einiger Zeit.

Für Axel Christian Schullz hat sich das Crowdfunding aber schon gelohnt: Er konnte bei einem Konzert im Essener Unperfekthaus seine erste Solo-CD vorstellen. Nun ist das Album „Weil es dich gibt“ im Handel und bei den gängigen Download-Plattformen erhältlich. Sein Fazit: „Ich würde immer wieder mit Crowdfunding ein Projekt starten.“ Er hat auch schon einige weitere Ideen.

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