Sieben Irrtümer über Chatkommunikation

Macht Chatten dumm? Foto: TibiTU

Macht Chatten dumm? Foto: TibiTU

Macht Chatten blöd? Merkwürdiger Buchstabensalat wie dltbom (don’t lay the blame on me), wysiwyg (what you see is what you get) oder g,d&r (grin, duck and run) ist für viele unverständlich. Gleichzeitig kommunizieren immer mehr Menschen per Chat oder Email.  Pflichtlektüre online hat dazu einen Experten befragt: Dr. Michael Beißwenger ist Sprachwissenschaftler und Dozent am Institut für deutsche Sprache und Literatur an der TU Dortmund. Eines seiner Forschungsgebiete ist die Chat- und Emailkommunikation.

Irrtum Nr. 1: Chatten ist wie Briefeschreiben – geht nur schneller

Nicht wirklich. Zwar werden beim Chatten auch Schriftzeichen verwendet, aber das ist schon fast die einzige Gemeinsamkeit. Das begründet Michael Beißwenger vor allem mit dem zeitnahen Austausch von Äußerungen und Gedanken. Im Chat geht dies wesentlich schneller als in einem Brief. Schließlich käme kaum jemand auf die Idee, eine Frage wie „Was machst du heute Abend?“ in einem Brief zu stellen. So etwas wird im Gespräch geklärt, entweder von Angesicht zu Angesicht, per Telefon oder eben via Chat.

Gleichsetzen kann man Gespräch und Chat aber nicht. Der Chatter produziert oder liest immer einen kompletten Beitrag, kann diesen aber nicht während des Entstehens verfolgen. So ist die Möglichkeit des Einhakens oder Nachfragens stark eingeschränkt.

Irrtum Nr.2: Chatsprache ist die Sprache der Zukunft

Teils, teils. Zukunftsvisionen, in denen sich alle mit „Worten“ wie knuddelgrinsfreu unterhalten, sind eher unrealistisch. Chat-Äußerungen wie „anneliese23 knuddelt lilacoco ganz doll“ dienen zur Kompensation fehlender Mimik und Gestik  Außerhalb des Internets sind sie daher meist überflüssig. Anders verhält es sich mit den sogenannten Emoticons oder Smilies. Diese sind ein wirklich neues und innovatives Element. ;-), :-), :-D, 😛 usw. könnte durchaus der Durchbruch außerhalb des Internets gelingen. Sie sind eine Bereicherung der Schriftsprache, allerdings eher im informellen Bereich. Den Eingang in Seminararbeiten werden sie wohl nicht finden ;-).

In der Chatsprache herrschen eigene grammatikalische Gesetze. Foto: Manfred Jahreis/pixelio.de

In der Chatsprache herrschen eigene grammatikalische Gesetze. Foto: Manfred Jahreis/pixelio.de

Irrtum Nr. 3: Chatter bekommen nur fünf Wörter hintereinander auf die Reihe – mehr ist nicht drin.

In der Tat sind Mitteilungen, vor allem in den klassischen Plauderchats, eher kurz. Fünf Wörter sind der Durchschnitt. Das liegt aber nicht daran, dass sich Internetuser nicht ausdrücken können. Die obersten Chatprinzipien sind Ökonomie und Kürze. Außerdem gibt es kein Rederecht wie in einem echten Gespräch. Der Chatter ist gezwungen, Nachrichten so kurz wie möglich zu halten und kann dann nur hoffen, dass ihm kein anderer „dazwischenquatscht“. Um das zu verhindern, wird oft das so genannte „Splitting“ verwendet. … am Ende einer Mitteilung sollen signalisieren: „Halt, noch nicht antworten, die Geschichte geht noch weiter.“

In moderierten Chats, wie beispielsweise mit Prominenten, sind die Beiträge hingegen in der Regel länger und elaborierter. Der Grund hierfür ist das Ziel maximaler Verständlichkeit.

Irrtum Nr. 4: In Plauderchats herrscht Chaos

Kommt auf die Perspektive an. Betritt man einen Chatroom mag das erst einmal aussehen wie totales Durcheinander. Aber bei genauerer Betrachtung lässt sich durchaus ein System entdecken. Der geübte User scannt die Einträge nur und nimmt nur die für ihn in seinem aktuellen Gespräch relevanten Infos wahr. Um dies leichter zu machen, wird oft das Zeichen @ benutzt, um einen speziellen User anzusprechen oder deutlich zu machen, dass der Eintrag einem bestimmten Thema zugeordnet ist, z.B. @tabea255 oder @Seminar xy ist doof.

Außerdem – selbst im mündlichen Gespräch entstehen mitunter mehrere konkurrierende Gesprächsstränge, im Chat ist dies nur extremer.

Irrtum Nr. 5: Chatten macht dumm

Kann sein, muss aber nicht! Bei jemandem, der sich ausschließlich in Chats herumtreibt und sonst nicht mit formeller Sprache in Berührung kommt, besteht unter Umständen die Gefahr, dass er sich irgendwann nicht mehr elaboriert ausdrücken oder ihm zumindest das Gefühl fehlt, wann der Gebrauch von formaler Sprache angemessen wäre. Für alle anderen gibt’s aber Entwarnung. Der Mix machts.

Wer chattet, hat es meistens eilig. Foto: Oleg Rosental/pixelio.de

Wer chattet, hat es meistens eilig. Foto: Oleg Rosental/pixelio.de

Irrtum Nr. 6: Rofl, vllt, knuddel – anstatt korrekter Grammatik

Korrekte Grammatik ist nebensächlich – es geht vor allem um Schnelligkeit. Es wird nur das getippt, was unbedingt nötig ist, damit der Beitrag verständlich ist, alles andere ist überflüssig und hält nur auf. Dabei werden Beiträge trotzdem oft überarbeitet. 19% alles Eingegebenen wird sogar vor dem Abschicken gelöscht. Das liegt daran, dass der User oft nicht die ganze Zeit auf den Bildschirm schaut. Da kann es leicht passieren, dass eine Frage noch während des Tippens beantwortet wird und damit hinfällig wird – das Resultat ist Löschen.

Irrtum Nr. 7: Im Chats geht’s entweder um Dating oder Triviales

Nicht nur. Es gibt immer mehr „seriöse Chats“. Neben Politiker- oder Prominentenchats werden Chats zunehmend für virtuelle Geschäftsmeetings genutzt. Einen großer Vorteil dabei ist, das Gesagte wird gleich mitprotokolliert und kann später eingesehen werden. Andere Nutzungsformen sind Onlinevorlesungen oder –studienberatung.

Text: Karina Strübbe

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