Ehrenamt: Zwischen Studium und Sporthalle

Daniel Rudolf steht am Spielfeldrand der großen Turnhalle. Rund 40 Flüchtlinge stehen im Kreis um ihn herum. Jeder wartet darauf, eines der neonfarbenen Leibchen zu bekommen, die Daniel in der linken Hand hält. Mit der rechten zeigt er auf Hassan. „Du gehst darüber“, sagt er dem 17-Jährigen. Die vier Teams verteilen sich in der Halle, die mit einem Vorhang zweigeteilt wurde. Nach etwa zehn Minuten hat Daniel die erste Hürde, die Einteilung der Teams, gemeistert. Jeder geht in seinen Teil der Halle. Dann dauert es nicht mehr lange: Anpfiff!

Für den 24-jährigen Daniel sind Sprachbarrieren und das Koordinieren des Spiels schon lange kein Problem mehr: Der Mathematikstudent arbeitet bereits seit knapp zwei Jahren ehrenamtlich im DJK Werl und spielt jeden Sonntagnachmittag mit Flüchtlingen Fußball. „Kommunikationsschwierigkeiten gibt es am Anfang immer. Aber sobald das Spiel beginnt, ist das sofort vergessen. Im Fußball braucht man nämlich keine einheitliche Sprache, um sich zu verstehen“, sagt Daniel.

Jeden Sonntag spielen die Flüchtlinge gemeinsam Fußball.

Zwei Stunden sorgenfrei

20 Minuten sind gespielt. Keuchend trabt der 20-jährige Mohamed auf die Auswechselbank zu. Seine Handzeichen machen deutlich: Ali soll für ihn weiterspielen. Bei diesem Freundschaftsspiel geht es nicht darum, zu zeigen, wie gut man auf dem Spielfeld ist. Hier geht es eher darum, die zwei Stunden zu genießen und sich auszupowern.

Mit viel Engagement und Spaß gehen die Männer zwischen 15 und 25 an das Spiel heran. Die Brüder Hüseyn und Ahmed stechen mit ihrem Teamgeist besonders heraus: Hüseyn spielt den Ball gekonnt zu Ahmed. Dieser spielt ihn auf das gegnerische Tor zu. Mit voller Kraft schießt er den Ball. Der Torwart kann den Ball nicht halten. „Gut gemacht, weiter so!“, rufen die Mitspieler Ahmed zu. Und ein stolzes Schulterklopfen bekommt er auch. Daniel und seine Mannschaft ärgern sich zwar über den Treffer, doch das nächste Tor lässt nicht lange auf sich warten. Zwei Spieler dribbeln ihre Konkurrenten aus und verschaffen sich einen freien Weg in Richtung Tor. Die Mannschaft gleicht aus und feiert ebenfalls.

Neue Erinnerungen

Daniel schreibt momentan seine Masterarbeit und plant anschließend zu promovieren.  Foto: Riem Karsoua

Daniel schreibt momentan seine Masterarbeit und plant anschließend zu promovieren.

Fußball spielen ist Daniels größtes Hobby. Seine Zukunftspläne verliert er dabei jedoch nicht aus den Augen: Zurzeit sitzt er nämlich an seiner Masterarbeit. „Nachdem ich meinen Master habe, plane ich zu promovieren“, erzählt er. „Ich mache diese ehrenamtliche Arbeit, um diesen vor allem jungen Menschen wieder etwas Freude zu bereiten. Die meisten sind tage-, wochen-, oder sogar jahrelang auf der Flucht gewesen und konnten an nichts anderes denken, außer an Krieg und Zerstörung. Teilweise haben sie unter den schlimmsten Bedingungen gelebt und sind alleine hier, weil sie ihre Familie zurücklassen mussten.“ Für den Mathe-Studenten ist es deshalb selbstverständlich zu helfen.

Zwar findet das Kicken nur einmal in der Woche statt, aber für die meisten reicht es aus, um einfach mal abzuschalten. „Hier können sie ohne Sorgen nur Fußball spielen und sich für zwei Stunden von ihren Problemen lösen“, erklärt Daniel. Das zu unterstützen und zu sehen, mit welcher Freude, Motivation und Leidenschaft diese Menschen dabei sind, ist auch das, was ihm selbst große Freude bereitet und ein Beweggrund für ihn ist, mit dieser Arbeit weiterzumachen.

„Natürlich ist mein Studium sehr hart und nimmt auch eine Menge Zeit in Anspruch“, erzählt Daniel. Bei ihm ist es jedoch nicht so, dass er stundenlang vor dem Schreibtisch sitzt und nur paukt. Er weiß, dass jedem mal ein wenig freie Zeit zur Verfügung steht – gerade an einem Sonntag. „An solchen Tagen kann sich jeder selbst die Frage stellen: Sitze ich jetzt zwei Stunden vor dem Fernseher und schaue mir irgendwelche unwichtigen Sachen an – oder fahre ich los und spiele mit den Jungs eine Runde Fußball?“

Beitragsbild und Fotos: Riem Karsoua

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