Das Duell: ESC – POPulär oder überflüssig?

Das Duell: Henrik versus Carola

Dieses Jahr findet der 56. Eurovision Song Contest in Deutschland statt.
Manch einer wird gebannt verfolgen, ob Lena erneut siegen wird und dieses
Fernseh-Event feiern. Andere sehen keinerlei Gründe einen Samstagabend vor
dem Fernseher zu verbringen. Ist der Eurovision Song Contest ein nicht
mehr wegzudenkendes, popkulturelles Phänomen oder mittlerweile aus der
Mode gekommen?

PRO CONTRA
Ja, der Eurovision Song Contest ist ein popkulturelles Phänomen. Der Songcontest ist Kult. Immer noch für die einen, wieder für die anderen. Nicht zuletzt durch den Exportschlager Lena und ihren nimmer müden Mentor Stefan Raab. Ihm ist es gelungen den Contest zu entstauben und ihn für ein junges Publikum interessant zu machen. Das von ihm geförderte Talent Lena hat nach 28 Jahren den Sieg für Deutschland geholt und den ESC zu recht wieder in den medialen Mittelpunkt gerückt. Einen Platz, den sich der Songcontest redlich verdient hat.

Abwechslungsreiche Musik

Denn wo sonst gibt es in der deutschen Medienlandschaft einen Abend lang abwechslungsreiche Musik von internationalen Interpreten, ohne dass Dieter Bohlen einen seiner Sprüche einschiebt? Wo sonst gibt es verrückte Kostüme und ausgefallene Choreografien, über die man sich im Freundeskreis beim Rudelgucken amüsieren kann? Wo sonst gibt es eine Show, die für einen Abend lang einen ganzen Kontinent fesselt und Menschen vieler Nationen vor dem Fernseher vereint?

Friedlicher Wettstreit

Der Gedanke des seit 1956 veranstalteten Songcontests – oder Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie ihn die frankophilen Nostalgiker immer noch liebevoll nennen – ist aktueller denn je: Mehr als zwanzig Nationen, die ihre Vertreter in einem friedlichen Wettstreit gegeneinander antreten lassen. Das ist Multi-Kulti, der den europäischen Gedanken aufblühen lässt und tolerante, weltoffene Gesellschaften fördert. Denn Musik verbindet – auch, wenn man die Sprache der Texte nicht spricht oder versteht.

Große Stars und junge Talente

Der Songcontest hat (Musik)Geschichte geschrieben. Man braucht nur vier Buchstaben (zweimal das A, zweimal das B), dann hat man die auch heute noch bekannteste Band, die je mitgewirkt hat: ABBA. Immer wieder sind die großen Stars jener Zeit angetreten, ob Udo Jürgens, Céline Dion, Rudi Carrell (1960 für die Niederlande) und nicht zuletzt Stefan Raab mit seinem rudimentären, aber unterhaltsamen „Wadde hadde dudde da?“. In diese Fußstapfen treten heute junge Talente, die eine große Bühne verdient haben. Manch einem dieser Talente verhilft solch ein Auftritt zu einer steilen Karriere.

Faszination Songcontest

Ein Kultobjekt, wie der Eurovision Song Contest, kommt nie aus der Mode. Auch diejenigen, die ihm nichts abgewinnen können, werden doch daran interessiert sein, wie Lena ihren Titel zu verteidigen versucht. Selbst wenn sie ihr den Sieg nicht gönnen. Denn der Faszination Songcontest kann man sich schlecht entziehen, vor allem nicht, wenn er schon einmal in Deutschland stattfindet.

Twelve points for Germany

Deshalb freuen wir uns auf den Songcontest am Samstagabend, wenn es nach dem Verklingen der Eurovisions-Hymne hoffentlich wieder heißt: Twelve points for Germany! Douze points pour l’Allemagne!

Nein, den Eurovision Song Contest als Kult- oder gar als wichtiges europäisches Kulturereignis zu bezeichnen wird der Veranstaltung nicht gerecht. Vielmehr drängen sich Parallelen zu einem anderen Fernsehformat auf, dass schon lange länderübergreifend Belanglosigkeiten sendet  – Die Rede ist von „Wetten, dass..?“. So wie bei ebendieser Sendung stagniert man auch bei dem Eurovision Song Contest, unter Einsatz beträchtlicher Mittel, qualitativ und ideenlos im Keller.

Grundgedanke ist gut

Doch der Grundgedanke des Eurovision Song Contest ist zweifellos gut: Den Zuschauern wird ein Fernsehforum geboten, in dem sie Künstler aus dem mal, mehr mal weniger nah benachbarten europäischen Ausland sehen können. Denn Europa hat musikalisch unglaublich viel zu bieten. Doch gerade diese kulturelle Vielfalt wird man bei diesem Riesen-Flimmerkisten-Event nicht nähergebracht. Vielmehr sieht man dort ein hüpfendes, steriles Etwas mit wenigen Lichtblicken. Wer etwas über aktuelle, spannende oder ursprüngliche Musik aus Europa erfahren will, ist somit besser beraten im Internet zu suchen.

Suche im Internet

Genau das machen viele junge Leute täglich im Internet. Seiten wie YouTube, Last.fm oder Myspace erledigen die Aufgabe des Eurovision Song Contest weitaus besser. Sie sind zudem viel eher ein Massenphänomen. Zudem sind sie ein dauerhaftes Massenphänomen. Hier lassen sich problemlos und einfacher originelle Bands finden, die organisch gewachsen sind. Bei dem Eurovision Song Contest hingegen sieht man meist eher Show-Konstrukte. Was zählt ist Kameratauglichkeit statt Klasse.

Wie ein Pferderennen

Der Contest gleicht so vielmehr einem Pferderennen, welches unter Einsatz beträchtlicher Mengen an Doping zustande kommt. Gemeint ist hier die richtige Mischung aus Finanzspritzen, Marketing und Imageberatern, die helfen sollen den Sieg zu ermöglichen. Das alljährliche, ernüchternde Ergebnis ist Konturlosigkeit und Beliebigkeit. Dieses Jahr werden so wieder Heerscharen junger Frauen in körperbetonter Kleidung ihre Lieder zum Besten geben.

Der „Lena-Effekt“

Angesichts dieser verbreiteten Bemühungen den „Lena-Effekt“ zu erreichen, fiel bei Spiegel Online zu dieser Thematik die treffende Bezeichnung von den „kieksenden Klonkriegerinnen“. Warum man diesen seine Aufmerksamkeit und seine Freizeit schenken soll, erschließt sich nicht allen Europäern. So stehen Redundanz statt Raritäten und Inszenierung statt Integrität im Fokus des Wettbewerbs. Statt Kult ist er
eine von vielen Casting-Sendungen.

Nicht ärmer ohne ESC

Denn, wer erinnert sich schon ein paar Wochen nach der Ausstrahlung an die Künstler? Die meisten Künstler werden nach der Nominierung nun mal nicht die neuen ABBA’s. Sie werden vergessen. Die Aktivitäten des Herrn Siegel verdeutlichen die Tristesse des Konzeptes der Sendung. Man will keine Musik oder Kultur; man will Erfolge machen. Man konstruiert. Das erzeugt musikalische Eintagsfliegen, die in Europa kurz umherschwirren. Kultig ist etwas anderes. Europa wäre ohne diesen Contest nicht ärmer.

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Foto: stockxchng/ bizior, Montage: Falk Steinborn, Teaserfoto: flickr.com / secretlondon123

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