Einer, der die Trends liebt

Bastian Kunz ist begeisterter Sportler – mit einer besonderen Leidenschaft: Trends. Die neuen, die verrückten Sportarten haben es dem 33-Jährigen angetan. 2010, als Student, gründete er mit einem Freund den Deutschen Trendsport Bund (dtsb). Inzwischen hat Kunz eine ganze Garage voller Trendsportutensilien. Neu dabei für die Sommersaison: Cardiff Skaters vom Strand Kaliforniens und das Rückschlagspiel Helix. 

In den Himmel, weit über die Häuserdächer hinaus: Das estnische Kiiking ist Kunz' Leidenschaft. Fotos: Johannes Mohren

In den Himmel, weit über die Häuserdächer hinaus: Das estnische Kiiking ist Kunz‘ Leidenschaft. Fotos: Johannes Mohren

Es ist ein echter Hingucker im Fasanenhof, einer Wohngegend am Stadtrand von Kassel. „Zwei Gärten weiter applaudieren die Nachbarn manchmal auf dem Balkon, wenn wir wieder eine Höhe geschafft haben“, sagt Bastian Kunz und lacht. Was er und seine Freunde an Sommerabenden auf dem Grün hinter Kunz’ Wohnung machen, ist außergewöhnlich. Gerade hier in der Vorstadtsiedlung, wo an der nächsten Ecke vier Jungen auf dem kleinen Vorhof eines Mehrfamilienhauses mit dem Ball kicken, wirkt es schlichtweg exotisch. Bis zu 13 Metern hoch schwingen Kunz und seine Mitstreiter durch die Luft. Kopfüber, mit den Füßen fixiert auf dem Brett einer gigantisch anmutenden Schaukelkonstruktion.

„Kiiking“ nennt man diese Sportart in Estland – in dem Wort stecken „kiik“, die estnische Bezeichnung für Schaukel, und die englische Endung „ing“. „Überschlagschaukeln“ lautet die freie Übersetzung ins Deutsche. Während der Sport im Baltikum Tradition hat und Meisterschaften ausgetragen werden, ist das Schaukel-Exemplar in der Kasseler Vorstadt (noch) das einzige seiner Art in Deutschland. Dass dieses genau im Garten von Kunz steht, wundert kaum. Der 33-jährige ist selbst auch Turner – aber neben den Traditionssportarten immer auch auf der Suche nach dem Besonderen, den weltweit neuesten Trends der Szene. „Ich habe schon immer auch die Dinge gemacht, die gerade neu in Mode kamen: erst Inline-Skaten, dann etwa Fersenrollschuhe und Sprungstelzen“, erzählt Kunz.

Der Deutsche Trendsport Bund – eine studentische Gründung

Diese persönliche Leidenschaft war der Hauptgrund, der Kunz und einen Freund 2010 – vor inzwischen vier Jahren – dazu bewog, den Deutschen Trendsport Bund (dtsb) zu gründen. „In Bewegung“ hieß der zunächst noch, doch „das blieb einfach nicht so gut hängen“, betont Kunz. Die Umbenennung folgte prompt. 29 Jahre war Kunz damals alt und studierte an der Universität in Kassel. Englisch und Sport, auf Lehramt. Die Schule war für den angehenden Pädagogen Bastian Kunz eine weitere Motivation, sich im Trendsport-Bereich zu engagieren. „Wir haben gesehen, dass die Lehrpläne nicht mehr so festgefahren sind und der Unterricht tatsächlich Raum bietet, Neues auszuprobieren“, sagt Kunz.

Bastian Kunz im Trendsport-Paradies: In seiner Garage in Kassel-Fasanenhof lagern die Trends. An Stellfläche für das Auto ist hier nicht zu denken.

Bastian Kunz im Trendsport-Paradies: In seiner Garage in Kassel-Fasanenhof lagern die Trends.

Die Schulen sind bis heute das zentrale Einsatzgebiet des Trendsport Bundes geblieben. In Fortbildungen macht Kunz Kollegen fit für den Unterricht in den modernen Sportarten. Von seiner Garage in Kassel-Fasanenhof aus werden Trendsport-Utensilien für Unterrichtseinheiten inzwischen bis nach Baden-Württemberg verschickt – umsonst, denn die Geräte sind durch Spenden und Stiftungen finanziert oder von den Herstellern gesponsort, die sich einen Werbeeffekt erhoffen. Wo andere in seiner Nachbarschaft ihre Familien-Kutsche parken, finden sich also bei Kunz – neben einem Turn-Barren – an allen Wänden übervolle Holzregale mit Trendsportgerät. An einen Auto-Stellplatz ist bei den Schlägern, Seilen, Rollen und Brettern, die sich hier stapeln, nicht zu denken, lediglich Kunz‘ Motorrad findet noch seinen Platz. 13 Trends bietet der dtsb zurzeit an, von (inzwischen) bekannten wie Parkour oder Slackline bis hin zu Exoten wie OgoSport, einem Rückschlagspiel mit elastisch bespannten Schlägern und Soft-Ball.

Schwieriger Start für einen „etwas anderen Verband“

Die Trends auf einem Tisch: 13 hippe Sportarten bietet der dtsb inzwischen an. Daran war vor vier Jahren noch kaum vorstellbar.

Die Trends auf einem Tisch: 13 hippe Sportarten bietet der dtsb inzwischen an.

Angefangen hat die Arbeit des Trendsport Bundes mit 30 Rollsportgeräten. Ganz bescheiden, studentisch eben. „Ein Hersteller hat uns das Material zur Verfügung gestellt – gegen eine Bürgschaft“, erzählt Kunz und muss bei der Erinnerung schmunzeln. Mit der Erstausrüstung ging es zu Workshops, „wir haben dann nur einen kleinen Obolus genommen, um die Geräte finanzieren zu können.“ Bis zu zwanzig Stunden in der Woche investierte Kunz damals in den Verband, neben Studium und Referendariat. Die Anfänge waren dennoch nicht einfach, erinnert er sich, mit einem Hersteller gab es sogar ernsthafte rechtliche Probleme. Stoppen konnte das den heute 33-Jährigen nicht – der dtsb wuchs und wuchs.

Der Vergleich mit anderen Sportverbänden, etwa dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), hinkt dennoch gewaltig – das weiß auch Kunz. „Ein Verband ist im letzten nur ein eingetragener Verein“, sagt er, eine Verbandsstruktur wie etwa beim DFB mit sieben Millionen Mitgliedern hat er deshalb noch lange nicht. Und beim Trendsport Bund ist die Lage nicht nur deshalb eine andere: „Normal bei einer Verbandsgründung wäre es ja, wenn es eine ganze Menge Trendsportvereine gäbe, die sich entscheiden, sich in einem Verband zu organisieren. Bei uns gibt es den Verband – aber sehr, sehr Vereine und daher auch kaum Mitglieder“, so Kunz. Noch ist der Dachverband also ein etwas merkwürdiges Konstrukt, eine Organisation (fast) ohne Unterbau. Die Hoffnung, dass sich das ändert, besteht – allzu optimistisch wirkt Kunz aber nicht: „Das Problem der Trendsportarten“, betont er, „ist, dass sie nur sehr selten Wettkampfpotential haben. Und das ist ja meist die Grundlage bei einer Vereinsgründung.“

Longboards, Cardiff Skaters, Helix – und ganz viel Holz

Auf die Suche nach neuen Trends, die den Durchbruch – vielleicht auch im Verein – schaffen können, begibt sich Kunz immer wieder. Sie beginnt im Januar auf der ISPO in München, der größten Sportmesse in Deutschland. Über 2.500 Aussteller präsentierten dort in diesem Jahr ihre Ware, vor 80.000 Besuchern aus 110 Ländern. Auch Trendsport ist in den Hallen ein großes Thema. „Die Anzahl der neuen Trends ist aber weniger geworden – da gibt’s nicht mehr so viele neue Dinge, wie vielleicht noch vor vier Jahren“, hat Kunz beobachtet. Vielmehr seien die Sportarten wieder aktuell, die bereits vor einiger Zeit auf den Markt kamen, und nun „neu aufgepeppt“ ihr Revival erleben. Gerade Longboards eroberten in München die Ausstellungsflächen: „Die Bretter gab’s letztes Jahr noch an vier, diesmal gefühlt an mindestens hundert Herstellerständen“, berichtet er. 

Ein Mix aus Inline Skates und Rollschuhen: Die Cardiff Skaters kommen in diesem Jahr als US-Trend nach Deutschland. Für den Durchbruch sind sie aber wohl zu teuer.

Ein Mix aus Inline Skates und Rollschuhen: Die Cardiff Skaters kommen in diesem Jahr als US-Trend nach Deutschland.

Was diesen Sommer noch en vogue sein wird? Bei dieser Frage zögert Kunz ein wenig. „Slackline und Speedminton“, lautet dann seine Prognose nach kurzer Bedenkzeit. Bewährte Kräfte unter den Trends. Slackline, der Balance-Akt auf dem wackligen Seil und Speedminton, das Rückschlag-Spiel – „eine Mischung aus Tennis, Badminton und Squash, ohne Netz und super schnell.“ Echte Newcomer mit großem Potential sieht Kunz nicht. Immerhin zwei neue Sportarten für seine Trendsport-Garage hat er in München entdeckt, Helix – eine Art Beach-Ball mit Holzschlägern und einem sehr robusten und daher extrem schnellen Federball – und Cardiff Skaters – eine Symbiose aus Inline Skates und Rollschuhen – ziehen auf den zehn Quadratmetern ein. Letztere kommen aus Kalifornien und damit wie so viele Trends aus den USA, neben Asien dem größten Trendsetter. Große Chancen, interessant für die Masse zu werden, rechnet er ihnen jedoch nicht aus: „Sie liegen, was den Preis betrifft, deutlich im dreistelligen Bereich. Das zahlt man vielleicht, um damit am kalifornischen Strand entlang zu cruisen, ansonsten ist es zu teuer“, so Kunz. Bei neuen Sportarten müssen für ihn mehrere Dinge zusammenkommen, damit sie zum Trend werden. „Sie müssen leicht zu erlernen sein und dürfen gleichzeitig nicht zu schnell langweilig werden“, sagt er, der Rest hänge dann am Marketing. 

Kunz hat schon viele Trends kommen und auch wieder gehen sehen. Persönlich ist er begeisterter Slackliner geworden. Und natürlich Kiiking-Fan. Für den Sport reiste er schon nach Estland und nahm dort an Meisterschaften teil. „Ob das hier in Deutschland schon ein Trend ist, weil wir es mit zehn Mann im Garten machen, weiß ich gar nicht“, sagt er lachend. In Trend-Fragen soll aber bald Sicherheit herrschen. Denn Kunz hat mit der estnischen Schaukel-Tradition Großes vor. Geht es nach ihm, soll der Sport schon auf kurze Sicht keine exklusive Garten-Aktivität in der Kasseler Vorstadt mehr sein. „Kiiking ist verrückt – und wettkampftauglich“, sagt Kunz. Zwei Überschlagschaukeln an einem öffentlichen Ort in Kassel sind sein Traum, der bald Realität werden soll. Als Trainingsort für den ersten Kiiking-Klub in Deutschland. 

[youtube K5tqPcRmJ7Q http://www.youtube.com/watch?v=K5tqPcRmJ7Q]

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