Duell: Brief zur Organspende – okay oder nicht?

das-duell-elena-alexTausende Menschen warten auf eine Organspende – oft vergebens. Denn im Vergleich mit anderen Ländern liegt Deutschland zurück. Das will die Bundesregierung jetzt ändern: Das neue Transplantationsgesetz sieht vor, dass jeder Bürger vor die Entscheidung gestellt wird, ob er einer Organspende zustimmt oder nicht. Bisher mussten Organspender selbst die Initiative ergreifen. Die erste Befragung soll im Sommer dieses Jahres per Brief erfolgen und danach regelmäßig wiederholt werden. Doch ist das der richtige Weg? Die Pflichtlektüre-Autoren Elena Bernard und Alexander Koch diskutieren Vor- und Nachteile des neuen Transplantationsgesetzes.

pro contra
Hast du einen Organspende-Ausweis? Diese Frage wird selten genug gestellt und wenn doch, dann lautet die Antwort meistens: „Nein, aber ich nehme mir immer vor, mir mal einen zu besorgen.“ Viele Menschen, die grundsätzlich dazu bereit sind, nach ihrem Tod Organe zu spenden, besitzen dennoch keinen Organspende-Ausweis. Die Gründe: „viel zu tun“, „schon wieder vergessen“, „keine Ahnung wie das geht“. Dabei ist die Organspende keinesfalls eine Banalität. Nichts, worum man sich mal kümmern kann, wenn nichts anderes anliegt. Die Wartelisten für Spenderorgane sind lang, viele Menschen sterben, bevor sie das lebensrettende Organ bekommen. An diesem Zustand muss sich etwas ändern!

Die Entscheidungslösung

Seit das Gesetz diskutiert wird, taucht immer wieder die Angst auf, man würde automatisch als Spender registriert, wenn man es versäumt, dem zu widersprechen. In vielen Ländern ist dies tatsächlich der Fall, zum Beispiel in Belgien und Luxemburg. Diese Widerspruchslösung soll aber in Deutschland nicht eingeführt werden. Kein Bürger wird gezwungen, eine Erklärung abzugeben. Wer sich nicht entscheiden möchte, für den gilt wie bisher: Nach dem Tod müssen die Angehörigen bestimmen, ob die Organe des Verstorbenen gespendet werden.

Klarheit für die Familie

Ein Trauerfall bedeutet für jeden eine psychische Ausnahmesituation. Schon die organisatorischen Fragen rund um die Bestattung können eine große Belastung sein. Es ist verständlich, wenn sich die Angehörigen überfordert fühlen, wenn sie dann auch noch im Namen des Verstorbenen über seinen Körper entscheiden sollen. Schon allein um seiner Familie derartiges zu ersparen, lohnt es, sich klar über die eigene Einstellung zur Organspende zu äußern, egal ob zustimmend oder ablehnend!

Die Befragung im Rahmen des neuen Gesetzes kann die Entscheidung für oder gegen die Organspende erleichtern. Denn bei fast allen Menschen sind auch Bedenken im Spiel: „Geben sich die Ärzte weniger Mühe mein Leben zu retten, wenn meine Organe gebraucht werden? Wie sieht meine Leiche nach der Organentnahme aus?“ Hier ist eine fundierte Aufklärung wichtig. Bisher war jeder auf sich selbst gestellt, musste sich die Informationen aus dem Internet suchen oder konnte sich an einen Arzt wenden. Bei der kommenden Befragung wird auch Infomaterial verschickt, so dass es wesentlich leichter wird, sich eine Meinung zu bilden. Nur so können mehr Organspender gewonnen werden.

Es gibt also Hoffnung für alle, deren Leben davon abhängt, ob sich rechtzeitig ein Spender findet. Und unsere Gesellschaft wird endlich wachgerüttelt, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das wurde ja auch Zeit!

Nun sollen also alle Bürger – schon ab dem 16. Lebensjahr – alle zwei Jahre mit Informationsbriefen zugeschwemmt werden. Da drängt sich einem der Vergleich zur Werbung auf, die ohnehin schon täglich im heimischen Briefkasten landet. Und die werfe ich weg.

Gezwungen über den Tod nachzudenken

Eine Entscheidung zugunsten oder gegen eine Organspende zu fällen bedeutet, über meinen eigenen Tod nachzudenken und mich selbst zu reflektieren. Das fällt sicherlich nicht nur mir, sondern auch älteren erfahreneren Menschen schwer. Dass diese Frage schon ein 16-Jähriger beantworten soll, finde ich mehr als vermessen. Außerdem bezweifle ich, dass ein Brief der richtige Weg ist, dem Bürger das Thema Organspende sensibel und umfassend nahezubringen.

Die Organspende unter gesellschaftlichem Druck

Die wiederkehrende Briefzusendung lässt die Erwartungshaltung und den Druck auf mich als Bürger, sich für eine Organspende zu entscheiden, steigen. Aus einer höchst persönlichen Entscheidung wird ein Politikum gemacht. Aus einem Politikum entsteht eine Norm, die ein Nein zur Organspende nicht mehr erlaubt. Damit droht der höchst ehrenhafte Gedanke, mit den eigenen gesunden Organen nach dem Tod kranken Menschen zu helfen, zu einem alltäglichen Geben und Nehmen zu verfallen. Unsere Gesellschaft und der Staat sollten jedem zugestehen, diese Entscheidung für sich alleine und ohne Druck von außen fällen zu dürfen.

Der Mensch als Ersatzteillager

Ich teile sicherlich mit vielen Anderen die Angst, dass der Leichnam nur als Ersatzteillager wahrgenommen wird. Der Gedanke des Handels und der Geldmacherei mit meinen Organen liegt nahe. Wer garantiert mir, dass mein gespendetes Organ auch wirklich bei dem Bedürftigen ankommt? Immer wieder hört man von Fällen, in denen mit gespendeten Organen oder Blut Geld gemacht wird – anstatt Leben zu retten.

Lohnt sich das?

Und auch wenn es müßig ist, auch die Frage der Kosten-Nutzen-Relation stellt sich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der organisatorische Aufwand und die damit verbundenen Kosten lohnen. Schon jetzt finde ich in jeder Arztpraxis und in jedem Krankenhaus Info-Broschüren zur Organspende. Wer spenden will, der hat schon jetzt seinen Organspende-Ausweis im Portemonnaie. Wer nicht spenden will, wirft den Brief in den Müll.

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Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann, Teaserfoto: BZgA