Die virtuelle Ewigkeit?

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Moderne Trauerkultur? Oder einfach nur dauerhaft untot dank Web 2.0? Im heutigen Internetzeitalter hinterlässt jeder Spuren im Netz. Diese existieren auch dann noch, wenn man diese Welt verlassen hat. Eine Anleitung, wie man mit den persönlichen Daten von Verstorbenen aus sozialen Netzwerken umgeht, gibt es nicht. Sicher ist jedoch, dass das World Wide Web die moderne Bestattungskultur prägt und verändert. 

Im Internet ist das Sterben nicht vorgesehen. Soziale Netzwerke richten ihre Profile für die Ewigkeit aus. Bei Facebook kann man jegliche Lebensereignisse dokumentieren. Von „Ich bin umgezogen“ bis hin zu „ Ich bin jetzt befreundet mit…“. Eine Funktion wie „Verstorben am…“ gibt es nicht. Aber was kann man tun, wenn ein Familienmitglied mit einem Facebook-Account stirbt und man kein Passwort für das Netzwerk besitzt?

Die Frage der Privatsphäre in sozialen Netzwerken ist auch nach dem Tod präsent.    Foto: Ruth Suehle / Flickr

Die Frage der Privatsphäre in sozialen Netzwerken ist auch nach dem Tod präsent.
Foto: Ruth Suehle / Flickr

Facebook bietet Angehörigen die Möglichkeit durch ein Formular das Löschen eines Accounts zu beantragen. Nur direkte Familienmitglieder haben dieses Recht, wenn sie zudem ein offizielles Dokument, wie zum Beispiel die Sterbeurkunde einreichen. Wer das Profil eines Angehörigen nicht sofort löschen möchte, aber es auch nicht unverändert lassen will, kann das Profil in einen Gedenkzustand versetzen lassen. Auch für diese Profiländerung braucht Facebook ein offizielles Dokument, das den Tod eines Users bescheinigt.

Was ändert der Gedenkzustand auf Facebook?
Facebook gewährt niemandem Zugriff auf ein Konto im Gedenkzustand. Der Verstorbene wird anderen Usern nicht unter „Personen, die du vielleicht kennen könntest“ angezeigt und auch an den Geburtstag wird nicht mehr erinnert. Generell kann ein Konto im Gedenkzustand nicht mehr bearbeitet werden. Freunde können nicht entfernt oder hinzugefügt werden und auch andere Profilinhalte, wie Fotos, bleiben vorhanden.

  Wie sieht es in den anderen Netzwerken aus?

Es gibt keine allgemeinen Richtlinien, wie man mit den Profilen von Verstorbenen umgehen soll. Bei Twitter gibt es für Anfragen zu den „verlassenen Accounts“ kein gesondertes Formular. Über das reguläre Kontaktformular kann man eine Löschung eines Accounts beantragen. Google bietet seinen Nutzern unter den Kontoeinstellungen einen Kontoinaktivitäts-Manager. Nach einer festgelegten Zeit kann man seine Konten löschen und sogar festlegen, welche man behalten möchte. Das Netzwerk Pinterest verspricht Nutzern auch nach dem Tod keine persönlichen Daten herauszugeben, auch nicht an Familienmitglieder.

Das digitale Erbe verwalten und pflegen kann für Angehörige schwierig sein. Neben den Formalitäten, die geklärt werden müssen, geht jeder emotional anders mit den digitalen Hinterlassenschaften von verstorbenen Familienmitgliedern um. Für die einen ist das digitale Erbe eine schöne Erinnerung, andere werden gehindert, mit ihrer Trauer abzuschließen. 

Moderne Bestattungskultur: „Stiefmütterchen oder QR-Codes“

Bestattungskultur und auch das Trauern im Internetzeitalter verändern sich. Die digitale Trauerkultur hat Einzug in die analoge Welt gehalten. Mittlerweile gibt es sogenannte digitale Friedhöfe wie InFrieden.de oder Gedenkseiten.de. Hier können Verwandte und Freunde eines Verstorbenen ein individuelles Trauerprofil erstellen.

Andreas Rosenkranz spricht vom „gesellschaftlichen Zwang zur Individualität“, den es auch in der Bestattungskultur gebe. Der Kölner Steinmetz stellt Grabsteine mit QR-Codes her, die auch auf eine Trauerwebsite verlinken können.

In Stein gemeiselt - der QR-Code auf dem Grabstein. Foto: Andreas Rosenkranz

In Stein gemeißelt – der QR-Code auf dem Grabstein. Foto: Andreas Rosenkranz

Durch das Scannen des Codes mit dem Smartphone erfährt man, wer der Verstorbene ist. Dabei können auch Videos oder Fotos verlinkt werden. „Die Frage heute ist doch: Stiefmütterchen oder QR Codes“, sagt Andreas Rosenkranz. „Im Jahre acht nach Iphone ist es eine Herausforderung einen individuellen Gedenkraum zu schaffen.“ Seine QR-Codes werden vor allem bei jung Verstorbenen verwendet. Das Internet bietet mehr Gestaltungsraum, den Friedhof bezeichnet Rosenkranz als „Auslaufmodell“.

Der Steinmetz weiß, dass er mit den QR-Codes polarisiert. Bereits seit 2012 stellt er diese besondere Gravur im Grabstein her. „Entweder man findet es total geil oder total doof. In Deutschland ist die anonyme Bestattung aber beliebter“, weiß Rosenkranz. „QR“ das ist die Abkürzung für „Quick Response“, eine schnelle Antwort. Ironisch, wenn man damit an Verstorbene erinnern will.

Für viele gehört diese digitale Botschaft jedoch mit zur modernen Trauerkultur. Andere verzichten lieber auf diese Verlinkung in die virtuelle Ewigkeit. Klar ist, dass die Hemmschwelle für eine bekennende Trauer im Internet und in sozialen Netzwerken vor allem für junge Menschen oft geringer ist, als ein Grab oder eine Beerdigung zu besuchen. Trauerkultur ist deshalb nicht nur eine gesellschaftliches Thema, sondern auch eine Generationenfrage. 

 

Beitragsbild: Andreas Rosenkranz 

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