Zurück an der RUB: Käßmann hält Antrittsvorlesung

Schon die großen Anzeigetafeln, die sonst den Weg zu den Parkplätzen der Ruhr-Uni Bochum weisen, kündigten Margot Käßmanns Antrittsvorlesung im Audimax an. Kein Zweifel: Viele Studenten, aber auch Menschen, die nicht an der Uni lernen oder arbeiten, strömten heute wegen der Person Margot Käßmann ins prall gefüllte Audimax. Als sie es knapp zwei Stunden später wieder verließen, waren die meisten vor allem inhaltlich überzeugt.

"Auch Deutschland wird sich den Herausforderungen  des Zusammenlebens Verschiedener nicht entziehen können." Foto: Julian Pfahl

"Auch Deutschland wird sich den Herausforderungen des Zusammenlebens Verschiedener nicht entziehen können", sagt Käßmann in ihrer Antrittsvorlesung. Foto: Julian Pfahl

Mit Prof. Dr. Margot Käßmann als erster Max-Imdahl-Gastprofessorin ist der RUB ohne Frage ein großer Coup gelungen. Eine Persönlichkeit mit Strahlkraft soll durch die Max-Imdahl-Gastprofessur von nun an jedes Jahr an die RUB kommen. Es soll eine Person sein, die auf ihrem Gebiet Maßgebliches für die Einheit von Wissen und Gesellschaft geleistet hat. Margot Käßmann ist so jemand. Das meinte zumindest die Jury. 2011 lehrt sie deshalb an der Fakultät für Evangelische Theologie. Eine bekanntere Person als sie, gibt es in diesem Bereich in Deutschland vermutlich nicht. Deshalb verwundert es niemanden, dass sich jedes Gremium im Auswahlprozess einstimmig für die ehemalige Landesbischöfin entschied. Außerdem ist die Professorin in Bochum keine Unbekannte, denn 1989 promovierte sie an der RUB.

Käßmann will sozialethische Themen ansprechen

Vor dem Audimax tummelte sich schon über eine Stunde vor Beginn der Vorlesung eine Menschenmasse. Margot Käßmann sorgte mit ihren Auftritten schon des Öfteren für Aufsehen, zuletzt bei der Neujahrspredigt 2010 mit dem berühmten Satz „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Einige Besucher munkelten im Vorfeld, der RUB gehe es bei Käßmanns Verpflichtung lediglich um Prestige.

Ihre Antrittsvorlesung hält die 52-Jährige unter dem Titel „Multikulturelle Gesellschaft – Wurzeln, Abwehr und Visionen“. Als sie nach langen Lobesreden der Offiziellen schließlich ans Rednerpult tritt, wird schnell klar, dass die Protestantin Multikulti längst nicht als gescheitert ansieht und der Universität mehr bringt als Prestige.

Die meisten Zuhörer im überfüllten Audimax, unter ihnen viele Nichtstudenten, fühlten sich angesprochen von Margot Käßmanns erster Vorlesung. Foto: Julian Pfahl

Die meisten Zuhörer im überfüllten Audimax, unter ihnen viele Nichtstudenten, fühlten sich von Margot Käßmanns erster Vorlesung angesprochen. Foto: Julian Pfahl

Christliches Abendland: nie ohne Migration entstanden

Gleich zu Beginn räumt Käßmann mit der Angst auf, Deutschland würde seine eigene Kultur durch zu viel Migration verlieren. Im Gegenteil: Unsere Kultur, wie wir sie heute kennen, sei nur durch Migration entstanden. Die westliche Welt habe ihre eigenen Rituale stets ins Christentum eingebunden, und das ab dem Zeitpunkt als Missionare die christliche Religion zu ihnen brachten. So verstünden wir Hasen und Küken heute als Ostersymbole, obwohl sie in der Bibel nicht erwähnt sind. Und, so Käßmann, „ob Jesus am 24. Dezember geboren wurde, darf, gelinde gesagt, bezweifelt werden – aber die Sonnenwende ist ein wunderbares Datum, um diese Geburt zu feiern.“ Das christliche Abendland wäre also ohne Migration nie entstanden, erklärt die Theologin.

Geld aus muslimischen Ländern ist längst integriert

Käßmann fordert mehr Verständnis dafür, dass sich auch die Zuwanderer Teile aus der Heimat bewahren wollen. Die ehemalige Landesbischöfin plädiert für mehr Interesse am Fremden: „In Los Angeles finden wir Chinatown interessant – warum sollte da Neukölln nicht auch interessant sein?“ Dagegen werden muslimische Länder in wirtschaftlicher Hinsicht durchaus ernst genommen. So reisten Vertreter acht deutscher Großkonzerne wie VW, Daimler-Chrysler oder Siemens nach Dubai, um für Investitionen zu werben. Käßmann fragt: „Warum ist Integration so viel leichter, wenn es ums Geld geht, als wenn es um Menschen geht?“ Spontaner Zwischenapplaus im Bochumer Audimax ist die Antwort.

"Am Ende geht es um die Balance zwischen klaren gemeinsamen Grundlagen und der Offenheit für Vielafalt. Foto Julian Pfahl

Käßmann: "Am Ende geht es um die Balance zwischen klaren gemeinsamen Grundlagen und der Offenheit für Vielfalt." Foto Julian Pfahl

Ein paar Regeln muss es geben

Für ein erfolgreiches Zusammenleben fordert die ehemalige Landesbischöfin aber auch gemeinsame Grundlagen. Als die drei wichtigsten Faktoren nennt sie: die deutsche Verfassung, die deutsche Sprache und einen „differenzierten Umgang mit der deutschen Vergangenheit.“ Vor allem fordert sie aber zu Begegnungen und Gastfreundschaft auf, damit „zukünftig mehr positive Integrationsgeschichten verbreitet werden.“

Im Sommersemester starten erste eigene Seminare

Unter langem Schlussapplaus beendet Margot Käßmann ihre erste Vorlesung. Momentan schaut sie in laufenden Seminaren der Evangelischen Theologie nur vorbei, erst im Sommersemester soll es richtig losgehen. Dann will sie sich mit eigenen Veranstaltungen vor allem sozialethischen Fragen und der Ökumene widmen.

Ihr Einstand ist jedenfalls geglückt. Als sie sich in die erste Reihe zum Publikum setzt, spielt die Orgel des Audimax. „Ich freue mich wieder in Bochum zu sein“, sagt Margot Käßmann. Und auch die Studenten freut es.

1 Comment

  • Pohlmann sagt:

    Guten Tag,

    Bitte senden Sie mir kurz einen Hinweis für weitere öffentliche Veranstaltungen von Frau Käßmann in Dortmund, Bochum und Umgebung zu.

    Vielen Dank U. Pohlmann

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