Träumen mit Rolf

Eine Weihnacht ohne Dezemberträume? Für mich: Ein Segen! In 42 Minuten und 34 Sekunden beträllert, beklatscht und bedudelt Rolf Zuckowski, die – für viele als schönste Zeit des Jahres deklarierte – Weihnachtszeit und auch Zuhörer. Dennoch verbindet mich seit Jahren eine innige Hassliebe mit dieser CD. Kurz vor Heilig Abend nehme ich mir die Zeit, um mich meinem tiefsitzenden Groll zu stellen.

Wie gerne würde ich sagen, dass mein erstes Konzert ein Blur-Konzert war. 13 Jahre war ich damals alt. Nie werde ich vergessen, wie Damon Albarn seinen Arm in die Menge streckte und ich ihn nur um Zentimeter verfehlte. Immer wieder gerne, schwelge ich in dieser Erinnerung. Aber in Wahrheit war ich bei meinem ersten Konzertbesuch noch viel jünger: Ich sehe mich auf einem Stuhl sitzen, neben mir mein damaliger bester Grundschulfreund Dodo und unsere begeisterten Mütter neben uns sitzend. Vor mir, auf einer großen Bühne, viele singende und tanzende Kinder und ganz in der Mitte Rolf Zuckowski.

Vor fast 20 Jahren brachte Rolf Zuckowski Dezemberträume heraus. Foto: Anna Dörnemann

Vor fast 20 Jahren brachte Rolf Zuckowski Dezemberträume heraus. Eine gefühlte Ewigkeit war die CD ein fester Bestandteil unserer Weihnachtsfeste. Teaserbild: Elisabeth Patzal, piexelio.de/ Foto: Anna Dörnemann

So sah also mein erstes Konzert aus. Nur verständlich, dass dann jahrelang zu Weihnachten DIE Weihnachts-CD schlechthin aufgelegt wurde: Dezemberträume. Ich weiß nicht mehr, ob ich irgendwann schlichtweg zu alt für Rolf Zuckowski war, dass ich ihm und der CD überdrüssig wurde, oder ob meine Mutter mir all die Jahre suggeriert hat, dass dies meine Lieblingsmusik zu Weihnachten war und ihre eigene tiefe Liebe zu Rolf auf mich unschuldiges Kind projiziert hat!

The Nightmare before Christmas

Satte 15 Lieder tummeln sich auf Dezemberträume. Ein Lied trägt beispielsweise den vielversprechenden Namen „Mein allerschönster Weihnachtstraum“. Mir allerdings bescherten die meisten Lieder auf der CD lange keine weißen, wohligen und allerschönsten Weihnachtsträume, sondern Albträume. Dann stand ich in der Weihnachtsbäckerei, umzingelt von gefühlt 100 Kindern, die mir immer wieder Textzeilen wie „In der Weihnachtsbäckerei, gibt´s so manche Leckerei…“ ins Ohr trällerten oder ich fand mich neben Rolf selbst, der mit dem breitesten Grinsen immer wieder „Nackidei, Nackidei, alle sind heut` Nackidei…“ für mich sang. Ach nee, das war ja von einem anderen Album aus Rolfs Feder… Jedenfalls verfolgten mich die Lieder der Dezemberträume.

Ein Hoch auf die Nächstenliebe!

Hätte meine Vater mal etwas anderes als die CD gewesen...Foto: Ruth Rudolph/pixelio.de

Hätte mein Vater mal etwas anderes als die CD geschenkt. Socken tun´s sonst doch auch. Foto: Ruth Rudolph/pixelio.de

Ein gelobtes Jahr dann – die Weihnachtszeit stand kurz bevor und meine Mutter wollte ihre heißgeliebte CD aus dem Regal hervor zerren – war die CD verschwunden. Ein Schelm, der jetzt Böses dabei denkt… Meine Schwester und ich dankten dem Weihnachtsmann, Knecht Ruprecht, dem Jesulein in der Krippe und sonst allen heiligen Instanzen, die dafür verantwortlich hätten sein können. Das erste Weihnachtsfest seit Jahren ohne Dezemberträume! Meine Mutter war untröstlich. Aber es half nichts, die CD war nicht mehr auffindbar. Für mich ein ganz klares Zeichen für eine neue Tradition! Eine neue Weihnachts-CD! Doch die Rechnung hatte ich ohne meinen lieben Vater gemacht. Ihm lag das Glück meiner Mutter wohl mehr am Herzen als meiner Schwester und mir. Was schenkte er ihr also am 24. Dezember? Richtig! Die verhasste CD.

Alte Kindheitstrauma müssen überwunden werden!

Genau wie an mein vermeintlich erstes Konzert, erinnere ich mich noch heute an all die Weihnachtsfeste mit Dezemberträume und auch wenn ich die Lieder mittlerweile nicht mehr hören kann, gehören sie doch – zeitweise sehr widerwillig – irgendwie in meine Erinnerung an schöne Weihnachtstage dazu. Viele der Lieder haben mir zwar Alpträume beschert, trotzdem kann ich die meisten Textzeilen immer noch auswendig mitträllern, mitklatschen und mitdudeln. Ich weiß, nach all den traumatischen Beschreibungen, hätte man zum Schluss wohl die volle Breitseite für den armen Herrn Zuckowski erwartet. Aber vielleicht ist es nach all den Jahren der innigen Hassliebe Zeit, sich endlich mit der CD und Rolf auszusöhnen. Nur so, weil bald Weihnachten ist.

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