
Das alte Klassenzimmer wird zu einem Schlafzimmer. In jedem Wohnraum können bis zu zehn Menschen zusammenleben, auf der ganzen Etage können zur Zeit bis zu sieben Kindern unterbracht werden. Fotos: Evgeniya Lukanova
In Dortmund wurde eine alte Schule in wenigen Tagen in eine Notunterkunft für Kriegsflüchtlinge umgebaut. Der Träger bekam dabei unerwartete Hilfe aus der Bevölkerung. Allerdings: Zur Eröffnung fehlen die Flüchtlinge.
Montagmorgen, 10. November, Adlerstraße 44. Aus der alten Schule schallt fröhliche Musik, die Pausenglocke bleibt stumm. Am Eingang und auf den Flurwänden hängen zahlreiche Plakate. „Willkommen“, steht da auf verschiedenen Sprachen. Willkommen sind in dieser Woche etwa 50 Kriegsflüchtlinge, für die der Verbund sozial-kultureller Migrantenvereine Dortmund (VMDO) die Schule im Rekordtempo umgebaut hat. Die Aussiedler sollen hier drei bis sechs Monate lang leben.
Im Erdgeschoss gibt es insgesamt vier Schlafzimmer mit jeweils zehn Übergangsbetten. Auf derselben Etage befindet sich eine Küche, in der in zwei Schichten gegessen werden soll. Die größte Herausforderung: die fehlenden Badezimmer, die es in einer Schule naturgemäß nicht gibt. Duschen müssen die Flüchtlinge daher in zwei „Dusch-Containern“. Der Großteil der Kleidung wird von einem Unternehmen gereinigt; die persönliche Wäsche können die Bewohner selbst in einem Waschsalon nahe der Schule waschen.
VMDO überzeugt die Kritiker

Christina Kaiser von VMDO: „Ich bin so überwältigt von dem, was an Hilfe, Unterstützung und Mitarbeit gekommen ist. Was bisher passiert ist, ist ganz gradios.“
„Nicht so viel reden, sondern anpacken“, sagt ein Bürger, der selbst aus der Türkei kommt und beim Umbau geholfen hat. Diese Einstellung ist typisch für die Stimmung in dem Viertel. Der VMDO hat in der vergangenen Woche kritische und ängstliche Bürger bei einem Treffen überzeugt: „Es sind keine Wirtschaftsflüchtlinge, sondern Kriegsflüchtlinge. Es sind normale Menschen und keine Verbrecher“ erzählt Christina Kaiser, eine der Organisatorinnen. Der VMDO war von der großen Hilfsbereitschaft der Bürgerschaft danach positiv überrascht.
Innerhalb von drei Tagen wurden zwei Zimmer mit Kleidung, Spielzeugen und Reisetaschen gefüllt. Die Bürger helfen auf verschiedenste Art und Weise: Viele sind bereit, neben Materiellem auch ihre wertvolle Zeit zu spenden. So hat eine Gruppe von Studierenden aus der Nachbarschaft vorgeschlagen, mit den Flüchtlingen zu musizieren. Eine andere Studentin, die im selben Viertel wohnt, möchte die übrig gebliebenen Brötchen einer nahliegendenBäckerei abholen. Solche Ideen diskutieren die Helfer in ihrer Facebook-Gruppe „Flüchtlingshilfe Adlerstraße“. Allein in drei Tagen wollten mehr als 100 Menschen in die Gruppe.
Bis zu 150 Flüchtlinge ab Dezember

Seit dem vergangenen Freitag sind so viele Gegenstände und Kleider gespendet worden, dass die Organisatoren mit dem Sortieren kaum hinterher kommen.
Die Helfer haben mit dem VMDO zusammengetragen, was noch zu tun ist. Christina Kaiser aktualisiert dafür laufend eine To-Do-List im Internet. Aktuell werden zum Beispiel sowohl Kleidung wie Gummistiefel und baumwollene Damenstrumpfhosen, aber auch Schulmaterialien gebraucht.
Um die letzten Dinge zu organisieren, haben die Helfer aber nun doch mehr Zeit als erwartet. Zur Eröffnung am Montag waren entgegen ursprünglicher Informationen doch keine Flüchtlinge angekommen.Der VMDO und die Koordinationsstelle in Ansbach können nicht genau sagen, wann die ersten Bewohner eintreffen. Es könnte jeden Moment so weit sein. Ab Dezember können dann bis zu 150 Flüchtlinge in der alten Abendrealschule wohnen. Dann werden sie von Pädagogen betreut, das Gebäude wird täglich gereinigt und Sicherheitskräfte bewachen den Ort, an dem früher Kinder zur Schule gingen.