Guerilla-Stricken für eine bunte Welt

Wer seine Meinung der Öffentlichkeit mitteilen möchte, der macht das nicht mehr unbedingt über illegale Graffitis, sondern strickt seine Meinung in die Welt. Guerilla-Stricken oder Yarn-Bombing nennt sich dieser neue Weg. Und es muss nicht immer da drum gehen, knallharte politische Meinungen unter das Volk zu bringen. Für Bewegungen wie die „Katernberger Strickguerilla“ und den „Mengeder Maschenanschlag“ reicht es auch, die Leute darauf aufmerksam zu machen, wie grau diese Welt doch manchmal ist.

20 Uhr in Essen. Die Guerilla-Kämpfer der Stadt machen sich startklar. Drei Frauen und ein Mann schlüpfen in ihre Tarnung. Wollmützen, Hüte und Sonnenbrillen. Dann der Griff zu ihren Waffen: Stricknadel, Schere und Nähnadel. Die „Katernberger Strickguerilla“ ist auf ihrer aktuellen Mission im Krupp-Park unterwegs um graue leblose Objekte im Park zu verschönern. Die Welt etwas bunter machen, das ist die Mission der Guerillas.

Der Schieber hängt das gestrickte Motto der Aktion auf "Think Pink". Foto: Yvonne Grote-Kus

Der Schieber hängt das gestrickte Motto der Aktion auf "Think Pink". Foto: Yvonne Grote-Kus

Guerilla-Stricken heißt unerkannt bleiben

„Bunte Flecken in die Landschaft setzen“, so bringt „Der Schieber“ seine Mission auf den Punkt. Der Student aus Essen ist erst zum zweiten Mal bei einer Aktion der Katernberger Strickguerilla dabei. Um sein Ziel zu verwirklichen zeigt er auch schon mal ungewöhnlichen Einsatz. Kopfüber hängt er an einer etwa 2,50 Meter hohen Mauer und bindet das erste Strickwerk des Abends fest. Mitstreiterin Ute Jot hat das Motto der Aktion gestrickt: „Think Pink“. Dazu noch eine Girlande mit pinkfarbenen Blüten.

Ihre Namen wollen die Strick-Guerillas nicht verraten. Alle haben Pseudonyme unter denen sie unterwegs sind. Neben Ute Jot und dem Schieber sind heute noch seine Freundin Rosa und Kratzbürste dabei. „Das gehört einfach zum Guerilla-Spiel dazu“, findet Kratzbüste. „Der Guerilla-Gedanke beruht ja auch darauf, dass man im Untergrund kämpft und man unkenntlich bleibt.“ Wenn sie alleine unterwegs ist, hat sie auch schon mal einen Fluchtwagenfahrer, erzählt sie weiter. „Mein Freund macht das total gerne. Der fährt mich dann irgendwo in die Walachei und wartet startklar im Auto, damit wir schnell wegfahren können, wenn ich dann fertig bin.“ Dabei ist es gar nicht illegal, was die Strickguerilla macht. Solange sie nichts beschädigen oder sich an Privateigentum auslassen, dulden die Städte die Strick-Kunstwerke in der Landschaft.

Direkt über dem Ampelknopf fällt das Kunstwerk sofort jedem auf. Foto: Yvonne Grote-Kus

Direkt über dem Ampelknopf fällt das Kunstwerk sofort jedem auf. Foto: Yvonne Grote-Kus

Kuschelige Ampelmasten polarisieren

Das ist vor allem Sabine Herzer wichtig. Sie arbeitet in einem Handarbeitsgeschäft in Dortmund Mengede und strickt mit der Unterstützung ihrer Chefin die Mengeder Straße ein. Vor drei Monaten hat sie damit angefangen und widmet sich vor allem den nackten Laternenpfählen, Ampelmasten und Pollern. „Wenn die Pfähle eingestrickt sind, dann merken die Leute erst, wie hässlich so eine Laterne eigentlich ist. Und ich mache die Welt halt ein bisschen bunter und kuscheliger“, sagt Sabine Herzer. Und so hat sie zum Beispiel den Mast der Fußgängerampel neben dem Geschäft eingestrickt. Wer jetzt auf den Ampelknopf drücken will, der guckt erstmal auf eine pinkfarbene Häkelblüte.

Sabine Herzer strickt nicht nur Laternen ein, ihr aktuelles Projekt ist ein Kinderfahrrad. Foto: Yvonne Grote-Kus

Sabine Herzer strickt nicht nur Laternen ein, ihr aktuelles Projekt ist ein Kinderfahrrad. Foto: Yvonne Grote-Kus

Der Guerilla–Charakter hat für Sabine Herzer allerdings keine Bedeutung. Sie strickt weder unter Pseudonym, noch vermummt. Im Gegensatz zu der Katernberger Strickguerilla sucht sie auch direkt den Kontakt zu den Leuten, die ihre Kunstwerke bewundern oder auch in Frage stellen. „Wenn ich hier an der Straße stehe und die Sache um die Pfähle nähe, treffe ich immer wieder Leute, die was dazu sagen müssen. 90 Prozent finden richtig witzig was ich hier mache, aber einige finden es auch albern und fragen ob ich nichts besseres zu tun habe.“

Vermutlich waren es auch Gegner der wolligen Verschönerung der Mengeder Straße, die schon mehrmals Sabine Herzers Arbeiten zerstört haben. Davon lässt sich die 43-jährige aber nicht aus der Ruhe bringen. Sie hängt an ihren Werken und repariert beschädigte Sachen oder strickt sie einfach neu. Aufgeben will sie keines Ihrer Strickwerke.

Stricken als politische Ausdrucksform

Ute Jot näht ihre Korallen im Krupp-Park fest. Foto: Yvonne Grote-Kus

Ute Jot näht ihre Korallen im Krupp-Park fest. Foto: Yvonne Grote-Kus

Das sehen die Mitglieder der Katernberger Strickguerilla etwas anders. „Was man lernen muss, das ist das Loslassen. Man muss sein Kunstwerk, das was man geschaffen hat, loslassen. Denn man gibt es preis und dann ist es manchmal auch weg“, sagt Kratzbürste. Denn es kommt oft vor, dass die Kunstwerke den Leuten so gut gefallen, dass sie sie einfach mit nach Hause nehmen. Das bestätigt die Guerillas auch in ihrer Arbeit. Außerdem macht Kratzbürste von jedem ihrer Strickwerke ein Erinnerungsfoto. Auch von der blauen Flunder, die sie für die Aktion im Krupp-Park gestrickt hat. Die Flunder setzt Kratzbürste an einem leeren Teich mitten im Park auf den Ufersteinen aus. Ute Jot, Rosa und der Schieber binden gleichzeitig gehäkelte Korallen an ein Alu-Geländer vor dem See.

Das Finale der Aktion "Think Pink". Foto: Yvonne Grote-Kus

Das Finale der Aktion "Think Pink". Foto: Yvonne Grote-Kus

Die Katernberger Strickguerilla strickt aber nicht nur aus Spaß und auch nicht nur um bunte Flecken in die Landschaft zu setzen. Die Gruppe strickt auch gerne mal auf politischen Veranstaltungen. Zum Beispiel jedes Jahr bei den Maikundgebungen. „Da haben wir letztes Jahr zum Beispiel die Aktion Links-Stricken gemacht. Man kann ja rechte Maschen stricken und linke Maschen. Und wir haben da nur links gestrickt. Das war schon ganz schön provokant und hat die Leute angeregt darüber nach zu denken, was Links eigentlich heißt, was damit gemeint ist.“ Eine bestimmte Aussage möchte Kratzbürste mit solchen Aktionen aber nicht vorgeben. „Wir geben nur die Aktion vor. Was die Leute da draus machen, welche Schlüsse sie dann daraus ziehen, das ist jedem selbst überlassen“, sagt die 50-jährige Abteilungsleiterin einer IT-Firma.

Die Aktion im Krupp-Park beschließt die Katernberger Strickguerilla mit einer Ladung Häkelblüten von Rosa und dem Schieber. Sie tackern die roten Blüten an die Holzgestelle, die um einer Gruppe Bäume angebracht sind. Während Kratzbürste schon seit den ersten Tagen der Katernberger Strickguerilla dabei ist, ist Der Schieber noch ein Neuling in der Gruppe. Seine Mission erfüllt sich aber schon langsam: „Wir haben zum Beispiel relativ nah an der Wohnung bei uns was hängen und ich freu mich jeden Morgen, wenn ich da vorbei gehe und sehe, dass es noch hängt. Ich hoffe, dass es anderen Leuten auch so geht und wenn das so ist, dann ist der Sinn erfüllt.“

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