Graumull-Liebhaber von Beruf: Hynek Burda

Professor Hynek Burda von der Universität Duisburg-Essen kehrte einst der Sowjetunion den Rücken, um seinen Traum zu verwirklichen: Er ging als Naturforscher nach Sambia. Zwei Jahre später kam der gebürtige Tscheche nach Deutschland und brachte seine Arbeit mit: Lebendige Forschungsobjekte in Hamstergröße. Jetzt ist Professor Burda der deutsche Experte für Graumulle, die in Zoos überall im Land leben – und auf dem Essener Campus.

Vom Zebra zum Mull

Professor Burda mit einem Verwandten der Mulle: dem Mull-Lemming. Foto: privat

Professor Burda mit einem Verwandten der Mulle: dem Mull-Lemming. Foto: privat

Graumulle sind in vielen Beziehungen einzigartig. Das weiß Professor Burda so gut wie niemand sonst in Deutschland, denn er hat die ersten Exemplare hergebracht und hier gezüchtet. Doch wie kam er zu den Nagern mit den Riesen-Zähnen?

Es fing alles mit seiner Liebe zu Afrika an. Die entstand in einem Safarizoo in Burdas Heimatland Tschechien. Vor seinem Studium der Zoologie arbeitete er dort als Tierpfleger. „Das Problem war, dass die Beziehungen der Prager Uni zu diesem Zoo nicht so gut waren. Niemand wollte später meine Diplomarbeit über die Zebras dieses Tiergartens betreuen, also musste ich einfach das nehmen, was mir angeboten wurde. Das war eine Arbeit über das Ohr von Spitzmäusen“, erinnert sich der Professor. So kam Burda in Prag zufällig zu seinem Forschungsgebiet: der Sinnesmorphologie, also der Lehre von den Sinnesorganen.

Burda befasste sich also mit Mäusen, Fledermäusen, Ratten und dem Gehör von Maulwürfen.   „Trotzdem wollte ich immer noch zurück zur Zoologie und nach Afrika“. Daher bewarb er sich schließlich auf eine Stellenanzeige in einer Fachzeitschrift hin. Mit Erfolg, denn er durfte nach Lusaka, Sambia reisen. „Damals lebte ich in der kommunistischen Tschechoslowakei, aber anders als die Leute aus der DDR konnten wir leichter ausreisen. Die Tschechoslowakei hatte nichts mehr zu exportieren und brauchte ausländische Währungen. Also hat sie auch die Experten exportiert“, erklärt Burda.

„Die einzige Möglichkeit, meinen Traum zu verwirklichen“

Dieser Expertenexport war  für viele tschechoslowakische Forscher der Weg aus der Sowjetunion. „Für mich war es die einzige Möglichkeit, meinen Traum zu verwirklichen“, sagt Burda. Dafür hatte er auch zuvor schon hart gearbeitet.  Er brachte sich im Selbststudium Suaheli bei. Beiläufig erzählt er: „Ich habe auch das erste und bis jetzt einzige Tschechisch-Suaheli-Wörterbuch verfasst.“

Während eines zweijährigen Aufenthaltes im Ausland durfte auch seine Familie ausreisen. Der Erfüllung von Burdas Traum stand also, nach ein paar letzten Querelen mit seinen Chefs, nichts mehr im Wege. „1984 bin ich mit meinen zwei Söhnen und meiner Frau nach Sambia gekommen. Wir haben uns toll gefühlt, wir waren frei, auch wenn wir kein Geld hatten. Und dann habe ich diese Maulwurfshügel gesehen.“  Den Baumeistern dieser Hügel, den Graumullen, galt von da an Burdas volle Aufmerksamkeit.

Winzige Augen, riesige Zähne: Der Graumull. Foto: privat

Winzige Augen, riesige Zähne: Der Graumull. Foto: privat

Graumulle sind unterirdisch lebende Nagetiere. Mit ihrem graubraunen Fell sind sie in ihrer Heimat Südafrika gut getarnt. Weil sie so lange Schneidezähne haben, können sie nicht trinken und nehmen Wasser über die Nahrung, meist Knollen, auf. Sie haben wie Bienen eine Königin, die sich allein fortpflanzt. Die anderen Weibchen sind Arbeiterinnen.

Von Sambia nach Frankfurt

Burdas Vertrag ging nur über zwei Jahre, seine Kinder mussten zur Schule gehen und die Familie hatte nicht das Geld für Privatunterricht. Noch aus seiner Zeit in Prag stand Burda in Kontakt mit deutschen Forschern in Frankfurt.
Also bewarb er sich für ein Alexander von Humbold-Stipendium – mit Erfolg. „Wir haben Asyl beantragt und das auch innerhalb von zwei Tagen bekommen. Das war 1986, bis ’88 hatte ich das Stipendium und ’89 kam dann die Wende. Das konnte damals keiner ahnen.“

Graumulle im Gepäck

Vor der Ankunft in Deutschland hatte noch einen anderen Job für einen Kollegen zu erledigen: Graumulle nach Österreich bringen. Also planten die Burdas eine Woche Urlaub in Wien und je drei Tage Urlaub in Athen und auf Zypern, das alles mit den Graumullen im Handgepäck. Die Nager reisten in Mäusekäfigen in Sporttaschen. „Meine Frau hatte Angst, dass die dann am Flughafen durchleuchtet werden. Deswegen haben wir die Mulle stets dem Personal und den Leuten vom Zoll gezeigt“, erklärt Burda. Damit war die Reise der Mulle noch nicht vorbei: „In Wien hat uns dann der Kollege, Walter Poduschka, am Flughafen erwartet und gesagt: ‚Es ist schlimm, ich stehe vor der Scheidung. Meine Frau schmeißt mich raus. Ich kann die Graumulle nicht nehmen‘. Also mussten wir die Graumulle mit nach Deutschland nehmen. Das war praktisch der Anfang der Zucht.“

Wie züchtet man eigentlich Mulle?

Erst dann fing Burda an, sich überhaupt mit der Zucht zu beschäftigen. In Nachschlagewerken fand er nur Fragezeichen: Nie zuvor hatte jemand Graumulle in Gefangenschaft gezüchtet. Dass Burdas Tiere schwanger waren, konnte er leicht feststellen, da Graumulle schnell handzahm werden. Der Geburtszeitpunkt war da schon schwieriger einzuschätzen: „Eine Ratte, die größer ist als ein Graumull, hat eine Tragzeit von drei Wochen. Der Mull war schon einen Monat schwanger und nichts passierte. Wir haben jeden Tag die Geburt erwartet. Dann waren es schon zwei Monate. Der Bauch des Tieres wurde immer größer, immer noch nichts. Am Ende waren es 112 Tage. Das war die erste Geburt eines Graumulls in Gefangenschaft“

Nach Ablauf seines Stipendiums arbeitete Burda freiberuflich für das Frankfurter Senkenberg-Museum. Dieses Intermezzo führte unter anderem zur Verbreitung der Mulle in deutschen Zoos: „In dieser Zeit hatte ich keine Möglichkeit, die Mulle irgendwo unterzubringen. Ich hatte sie zwar auch zuhause, aber es war kein Platz für alle und die Haltung wurde langsam auch zu teuer. Damals habe ich einige Tiere an Zoos verkauft. Ich habe also auch dafür gesorgt, dass die Graumulle hier bekannt wurden.“

Professor Burda im Mullarium mit einem seiner Schützlinge. Foto: Michelle Röttger

Professor Burda im Mullarium mit einem seiner Schützlinge. Foto: Michelle Röttger

Ankunft in Essen

Heute lebt ein Teil von Burdas Mull-Familie in Essen, wo der Forscher 1995 nach seiner Habilitation in Frankfurt zum Professor berufen wurde. Mittlerweile ist Hynek Burda nicht nur Professor, sondern auch Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Zoologie und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Biologie.

Noch heute schwärmt er für die Länder, die ihn geprägt haben: Tschechien und Sambia. Dieses Begeisterung vermittelt er auf Reisen und Exkursionen auch den Studenten.
Burdas Mitarbeiterin Sabine Begall bestätigt das: „Herr Burda ist ein großartiger Mensch mit breitem Wissen und sehr viel Humor – ich liebe diesen versteckten, manchmal schwarzen, tschechischen Humor. Er schafft es, die Menschen zu begeistern und durch Worte zu motivieren, sodass sie über sich hinauswachsen. Für die Studenten hat er immer ein
offenes Ohr und seine Lehrverpflichtung schöpft er mehr als aus. Seine Veranstaltungen kommen bei den Studierenden sehr gut an.“

Das beweisen nicht nur die positiven Evaluationen, sondern auch, dass Professor Burda 2004 den Lehrpreis der Uni für sein Engagement erhalten hat. Sabine Begall, die Burda und seine Familie seit mehr als 15 Jahren kennt, ergänzt: „In all den Jahren hat er stets den wissenschaftlichen Nachwuchs nach besten Kräften versucht zu fördern und sich auch nicht gescheut, private Mittel einzusetzen. Insbesondere die afrikanischen Kooperationspartner profitieren enorm durch seine Unterstützung.“ Nach Burdas Erfahrungen in seinem Heimatland, ist es nicht verwunderlich, dass sie noch hinzusetzt: „Er ist eine ehrliche Haut. Intrigen sind ihm zuwider.“

Burdas Forschungsergebnisse zu den Mullen: Weiterlesen auf der nächsten Seite.

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8 Comments

  • Blogmum sagt:

    Graumulle sind einfach interessante Tiere und sehen doch gleich viel hübscher aus als Nacktmulle. Auch wenn die Nagezähne furchterregend sind.

  • Anja Willner sagt:

    [Werbe-Link entfernt]

  • Clivia sagt:

    Trotz dessen das die Tierchen etwas doof aussehen, find ich sie trotzdem süß^^

  • Fank Parker sagt:

    Die Zähne sehen aber echt gefährlich aus 😉 Bestimmt keine freudige Begegnung für die Möbel gewesen…

  • PeterN. sagt:

    Hallo,
    vielen Dank für die Bemühungen.

  • Professor Burda hat sehr schnell geantwortet, ich zitiere:

    „Ich habe die Zoos Berlin, Wuppertal, Basel, Osnabrueck, Leipzig und die
    Suedboehmische Uni in Budweis (CZ) mit Graumullen versorgt. Sofern ich weiß, werden sie
    aber von privaten Personen nicht gehalten. Ich bekomme immer wieder
    Anfragen und Bitten von Privatpersonen, aber auch von anderen Zoos, neulich
    vom Zoo Amsterdam, die sie gerne hätten. Leider haben wir aber zu viele
    Fragestellungen, zu viele interessierte Forscher und (relativ) zu wenig
    Graumulle als Forschungsobjekte, so dass jedes Einzeltier für uns sehr
    wertvoll ist und können daher zur Zeit keine weitere Tiere abgeben.“

    Ich hoffe, das hilft dir erst mal weiter.

  • Hi Peter!
    Professor Burda hat die Graumulle zwischenzeitlich auch bei sich zuhause gehalten, musste danach aber komplett renovieren, weil der Mulch auf dem die Mulle gehalten werden stark staubt.
    Ich weiß allerdings nicht, wie man als Privathalter an Mulle herankommt oder ob das überhaupt erlaubt ist. Ich werde mich bei Professor Burda erkunden und sobald ich Rückmeldung bekommen habe, wieder hier schreiben.
    Viele Grüße
    Michelle Röttger

  • PeterN. sagt:

    Die sehen irgendwie abstrakt aber auch sehr interessant aus. Kann man die als Privatperson überhaupt halten? oder muss man was bestimmtes beachten?
    Grüße PeterN.

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