Europas Medien unter Druck

Pressefreiheit und Solidarität: Als vor gut fünf Monaten das Attentat auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ verübt wurde, waren diese beiden Begriffe das vorherrschende Thema. Doch was hat sich seitdem getan?

Seit dem 7. Januar 2015 ist das Satiremagazin Charlie Hebdo, das mit den Mohammend-Karrikaturen auf sich aufmerksam machte, nicht mehr dasselbe. Der Anschlag in Paris hat vieles verändert. Hat sich auch die Bedeutung der Pressefreiheit für die Journalisten geändert? Ja, so ist der Konsens auf der Podiumsdiskussion an der TU Dortmund, die sich mit den Terror-Angriffen von Paris und Kopenhagen im Jahr zuvor beschäftigt hat. „Charlie Hebdo ist das Symbol für Pressefreiheit geworden“, sagte Josiane Jouet, die sich als Pariser Professorin intensiv mit den Anschlägen beschäftigt hat.

Pressefreiheit kein Schutzschild

Die Pressefreiheit solle jedoch kein Schutzschild und keine Berechtigung dafür sein, alles und in alle Richtungen zu schreiben oder kritisieren. Christoph Schuck, Professor an der TU, sieht allerdings genau darin das Problem: „Wenn man in einer Demokratie lebt, sollte es egal sein, welchen Artikel man schreibt. Das ist ja der Gedanke hinter der Freiheit.“ Natürlich ist die Pressefreiheit das oberste Gebot der journalistischen Praxis. Doch sollte jeder sich oft genug nicht nur die Frage „Was?“, sondern auch „Wie?“ stellen. Das Fingerspitzengefühl kommt dabei in vielen Fällen zu kurz.

Loay Mudhoon

Loay Mudhoon ist verantwortlicher Redakteur von Qantara.de – Dialog mit der islamischen Welt. Fotos: Christopher Stolz

 

Loay Mudhoon von der Deutschen Welle fordert genau dies: „Pressefreiheit bedeutet auch, bewusst Dinge nicht zu machen“. Denn Presse, die sich viel mit Rechtsradikalität beschäftige, verursache „ein islamophobes Klima und wer den Tätern ein gewisses Klima gibt, der gibt ihnen damit Aufmerksamkeit“. Aufmerksamkeit, die verhindert werden könnte – durch einen verantwortungsvollen Umgang mit der Freiheit, die das Grundgesetz von jedem Journalisten fordert.

 

„Wenn man in einer Demokratie lebt, sollte es egal sein, welchen Artikel man schreibt“Christoph Schuck

Einer, der am eigenen Leibe erfahren hat, was passiert, wenn extremistische Gruppen einem Journalisten die Pressefreiheit krumm nehmen, ist Timur Tinc. Nach mehrmaliger kritischer Berichterstattung über muslimische Salafisten in Frankfurt, bekam der Redakteur der Frankfurter Rundschau Drohbriefe. Sabri Ben Abda, ein eigenen Angaben nach „rasender Salafisten-Reporter“, veröffentlichte ein Video mit dem Titel „Operation Schweinebacke“, in dem er Tinc bedroht und dessen Namen, Privatwohnsitz sowie Telefonnummer nennt. „Ich habe kein Angst, nur ein sehr ungutes Gefühl. Die Muslime fühlen sich ungerecht behandelt, sind sehr sensibel“, so Tinc. Er musste sogar Artikel ohne Namen veröffentlichen, da eine regelrechte Hetzjagd auf ihn eröffnet wurde.

„Wir müssen überlegen, ob wir den US-Weg gehen“

Damit so etwas nicht zur Normalität wird, sei es notwendig, schon im Vorhinein sicher zu gehen, welches Ausmaß die kristische Resonanz haben könnte. Dabei gehe es nicht darum, auch kritische Artikel zu schreiben – ganz im Gegenteil. Es müsse nur ein gesundes Maß zwischen Aussage und Auswirkung gefunden werden.

Mark Ørsten

Mark Ørsten ist dänischer Medienforscher und Journalistik-Professor.

„Man darf nichts veröffentlichen, ohne sich um die Auswirkungen zu kümmern“, bringt es Mark Ørsten von der Roskilde Universität in Dänemark auf den Punkt. „Wir müssen überlegen, ob wir nicht den US-Weg gehen. Dort wird die Pressefreiheit auch groß geschrieben, aber auf provokante Satire oder Artikel verzichtet.“ Den journalistischen Stil zu ändern wäre dabei der falsche Weg – eine Veränderung müsse in der Umsetzung stattfinden, nicht zwingend in der Art und Weise.

Gemma Pörzgen von Reporter ohne Grenzen sieht dabei vor allem die journalistische Flexibiltät im Vordergrund: „Es ist sicherlich hilfreich, auch mal die Perspektive zu wechseln.“

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