Der Ernst des Lebens kommt später noch früh genug? Denkste! Während viele Mittzwanziger die Freiheiten ihres Studentendaseins in vollen Zügen genießen, eilen auch jene Studis über den Campus, die schon in jungen Jahren etwas bewegen möchten. Als Mitglieder in politischen Jugendorganisationen engagieren sie sich für eine bessere Zukunft in NRW und an ihren Hochschulen. Schlafmangel, Stress und Zeitdruck sind vorprogrammiert. Denn statt des Feierabendbierchens im Sonnendeck stehen Arbeitskreise, Stammtische und Reden auf dem Abendprogramm.
Ein straffes Programm – anders kennt es der 24-jährige Timo Judith nicht. Trotzdem macht der FH-Dortmund-Student einen entspannten Eindruck, als er von seinen Aktivitäten außerhalb des Hörsaals berichtet und in Erinnerungen schwelgt. Vor über zehn Jahren, als die meisten seiner Klassenkameraden noch Schürfwunden vom Kicken auf dem Fußballplatz verglichen haben, ist Timo politisch aktiv geworden. Mit 13 Jahren. In der „Schüler Union“. Zusammen mit Gleichaltrigen hat er als junger Mann Workshops organisiert und schon damals gelernt, dass jede Stimme und jeder Einsatz zählt. Nur zwei Jahre später erfolgte bereits der Wechsel in die Junge Union Dortmund, einer selbstständigen politischen Jugendorganisation, die zur CDU gehört. Allen Sticheleien zum Trotz (Welcher Teenager ist schon Feuer und Flamme für Wahlkämpfe und Co?) hat Timo hier Karriere gemacht. Drei Jahre lang war er sogar Vorstandsmitglied.
Heute studiert er im vierten Semester International Business an der Fachhochschule Dortmund. Aus der Politik hat er sich mittlerweile zurückgezogen – „um etwas anderes kennenzulernen“, wie er selbst sagt. Und das ist ihm gelungen. Timo Judith ist nun stattdessen Vorstandsvorsitzender der internationalen Studentenorganisation AISEC in Dortmund. „In der Jungen Union bin ich noch passiv dabei“, erklärt er. Denn präsent zu sein war und ist ihm genauso wichtig wie das gesellschaftliche Engagement und die Entwicklung von politischen Inhalten, die seine Heimatregion betreffen. Und zu erzählen hat Timo nach wie vor eine Menge.
Als VIP nach Berlin
Aber wie genau sieht die Arbeit in einer politischen Jugendorganisation, wie der Jungen Union, aus? „Ein ganz großer Teil in Jugendparteien ist die Weiterentwicklung“, schildert Timo. Von der Jugendarbeit über die Organisation von Seminaren und Fortbildungen bis hin zum nervenaufreibenden Wahlkampf ist alles dabei – eine überaus zeitintensive Tätigkeit, die nicht wenige junge Leute genau aus diesem Grunde scheuen. Aber: „Es ist schön zu sehen, dass man etwas bewirken kann“, meint Timo und erinnert sich gerne an seine aktive Zeit in der Jungen Union zurück.
Einen Blick über den Tellerrand riskieren. Das ist es. Außergewöhnliche Menschen treffen, abenteuerliche Geschichten erleben, imposante Orte kennenlernen – die Highlights kommen ganz von allein. So zum Beispiel ein exklusiver Abstecher nach Berlin. Zusammen mit Erich Fritz, dem Bundestagsabgeordneten der CDU Dortmund, hat Timo als 17-Jähriger ein Wochenende in der Hauptstadt verbracht – inklusive einer Privatführung durch den Bundestag, versteht sich. „Wir waren so etwas wie VIP-Gäste“, sagt er und schmunzelt. Trotzdem ist der angehende Akademiker kritisch geblieben – auch gegenüber Parteiinhalten. Stichwort Studiengebühren: „Nur, weil man Parteimitglied ist, muss man nicht alles unterstützen“, erklärt der Student.
Politische Jugendorganisationen
– Politische Jugendorganisationen sind Arbeitsgemeinschaften von Jugendlichen mit gemeinsamen Interessen und Zielen.
– Bei den Jusos engagieren sich junge Leute zwischen 14 und 35 Jahren, in der Jungen Union kann man im Alter zwischen 16 und 35 Jahren Mitglied werden.
– Für eine politische Karriere machen viele Parteimitglieder die sogenannte Ochsentour: Zu Beginn steht das Engagement in Ortsverein und Arbeitskreisen, in denen Kontakte geknüpft werden – eine ideale Plattform, um am eigenen Bekanntheitsgrad zu arbeiten und persönliche Kompetenzen weiter zu entwickeln. Für Jugendliche sind politische Jugendorganisationen meistens die erste Anlaufstelle. Wer hier seine Tüchtigkeit bekannt macht, kommt unter Umständen für begehrte Posten in höheren Positionen in Frage.
Meckern, aber nichts tun. Das widerstrebt auch dem 28-jährigen Felix Hesse. Er ist seit knapp vier Jahren in der SPD politisch aktiv. Nachdem er bei den Jusos, einer Arbeitsgemeinschaft von Jungsozialisten, in Mühlheim an der Ruhr im letzten Landtagswahlkampf mitgearbeitet hat, ist er heute ein festes Mitglied in der Juso Hochschulgruppe Duisburg-Essen. Hier studiert der Freiheitsdenker im vierten Semester Anglophone Studies und Geschichte auf Bachelor.
Felix ist hoch motiviert: „Wenn ich sehe, dass etwas verändert werden muss, raubt es mir den Schlaf, bis sich adäquat darum gekümmert wurde. Man kann aber nicht erwarten, dass sich gekümmert wird, wenn man nicht selbst bereit ist, mit anzupacken.“ Sein politisches Engagement kommt nicht von ungefähr. Felix hat eine persönliche Vorgeschichte, die ihn antreibt. Denn in einem ersten Anlauf hat er schon einmal studiert. Allerdings noch auf Magister. Damals haben ihm die Studiengebühren einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das Resultat: Auch Felix reihte sich in die Schlange der Studienabbrecher ein. „Die finanzielle Belastung hat mich nicht angemessen studieren lassen“, erklärt er. Heute ist Felix zurück und setzt sich als Parlamentarier und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Studienparlament für eine Verbesserung der Studienbedingungen ein. Aktuell steckt Felix seine Energie in die strukturelle Weiterentwicklung des AStA der Universität Duisburg-Essen.
Mit Parteiarbeit etwas bewegen
Die Parteiarbeit betrachtet Felix als Chance. Eine Chance, den eigenen Lebensraum mitzugestalten und für seine Mitmenschen zu verbessern – auch wenn die Arbeit oftmals anstrengend und zeitaufwendig ist. „Wenn man bereit ist, die Augen zu öffnen, kann man sich den verbesserungswürdigen Gegebenheiten nicht entziehen und das sollte man auch nicht. Nicht zuletzt, weil es bedauerlicherweise einige Personen gibt, die die Möglichkeit der Partizipation zum eigenen Vorteil ausnutzen“, meint Felix. Denn von Zeit zu Zeit tauche das ein oder andere schwarze Schaf auf, dass seine offiziell eingetragene Mitgliedschaft in einer politischen Organisation lediglich zur Aufwertung der eignen Vita missbrauche. Natürlich geht es um Anerkennung und auch um Respekt – an erster Stelle müsse aber das gemeinsame Ideal stehen, einhergehend mit Gleichstellung und Solidarität, meint Felix.
Unabhängig davon, für welche Parteien und Programme sie kämpfen, haben Timo und Felix – wie viele ihrer studententischen Kollegen, die sich politisch engagieren – etwas gemein. Nämlich den Drang danach, Probleme selbst in die Hand zu nehmen, sich für eine Sache stark zu machen und den öffentlichen Diskurs zu nutzen. Der Ernst des Lebens? Er kann nicht warten!
Die Junge Union gibt es erst seit 1947. Sie hat bundesweit 125.000 Mitglieder und ist die größte politische Jugendorganisation Europas. In Dortmund hat sie knapp 400 Mitglieder.
Die Jusos gibt es schon seit 1914. Sie haben bundesweit 70.000 Mitglieder und sind in der Hochschulgruppe Duisburg-Essen Mut etwa 50 Mitgliedern vertreten.