Duell am Donnerstag: Fasten oder fressen?

Duell Lordieck vs Degner

40 Tage lang verzichten. Beliebt in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag sind Süßigkeiten, Fleisch oder das Smartphone. Aber was bedeutet Fastenzeit überhaupt noch in der heutigen Zeit? Suchen wir den Zugang zu Gott, zeigen wir uns dankbar für den Überfluss oder wollen wir einfach nur ein paar Kilo abspecken? Anja Lordieck und Viktoria Degner diskutieren über Vor- und Nachteile der Fastenzeit.

„Fasten geht mit links“,

findet Anja Lordieck

„Warum fastest du denn?“, „das wäre mir zu doof“, „Bist du etwa so richtig katholisch?“ – Doofe Kommentare muss man sich wohl immer gefallen lassen; auch beim Fasten. Da kommt es auf die richtigen Antworten an. Katholisch bin ich schon. Ich faste aber nicht, weil ich katholisch bin und mir die Kirche das vorschreibt. Damit ich 40 Tage lang bete und Buße tue und mich so auf Ostern vorbereite. Ich finde das zwar völlig legitim, wenn jemand das als Teil seines Glaubens ansieht. Für mich hat das aber wenig mit dem Fasten heute zu tun.

Die meisten fasten auf Süßigkeiten, vielleicht auch, um abzunehmen. Da ist der Grundgedanke vom Fasten komplett verloren gegangen.

Auch das ist nicht der Hintergrund, warum ich persönlich faste.

Ich betrachte Fasten so: Ich entscheide mich dafür, bewusst auf etwas zu verzichten, was ich selbst festlege. Natürlich suche ich mir etwas, bei dem es mir schwer fällt, darauf zu verzichten. Fasten ist für mich eine völlig individuelle Entscheidung.

Es kann anstregend sein, auf etwas zu verzichten

Sie kann aber wichtig sein. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir alles im Überfluss haben. Ich selbst erlebe oft, wie ich mich einfach mit irgendetwas vollstopfe, nur, weil es da ist und nicht, weil ich es brauche. Fasten hilft dabei, sich bewusst zu werden, was man alles hat und wie gedankenlos man damit umgeht.

Leute, die nicht fasten, sind wahrscheinlich einfach nur zu faul. Schließlich kann es ja auch anstrengend sein, auf etwas zu verzichten. Manche brauchen einfach ihre Süßigkeiten oder ihr Stück Fleisch am Mittag.

Am Ende weiß man alles mehr zu schätzen

Oder sie wollen nicht schief angesehen werden, wenn sie fasten. Das könnte etwas mit Religion zu tun haben und ist vielleicht uncool. Mir ist das egal. Wenn ich fasten will, tue ich das auch. Vierzig Tage, was ist das schon für eine Zeit?

Dabei ist es völlig egal, ob man auf Süßigkeiten, Fleisch, Alkohol, oder irgendetwas anderes verzichtet. Am Ende weiß man alles mehr zu schätzen, kann stolz auf sich sein und denkt vielleicht die nächsten paar Wochen darüber nach, dass man sich eigentlich doch nur ständig vollstopft.

„Fasten ist nicht mehr das, was es mal war“,

findet Viktoria Degner

Keine Schokolade, kein Fleisch, kein Alkohol – 40 Tage lang. Die Fastenzeit mahnt jeden frommen Christgläubigen dazu an, Jahr für Jahr in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag Buße zu tun, indem er auf etwas verzichte, das ihm im Alltag besonderes Vergnügen bereitet. Das war zumindest früher so. Das Fasten war eine Form der Askese, die helfen sollte, den Körper zu reinigen, Willenskräfte zu sammeln und so in direkten Kontakt mit Gott zu treten.

Heute verbindet man mit Fasten eher die Fastenkur, nicht die österliche Bußzeit. Ein paar Tage lang trinkt man Tee, Gemüsebrühe oder grüne Smoothies aus Spinat und Sellerie mit dem Ziel, dem eigenen Körper berauschende Glücksgefühle zu entlocken und ein paar Kilo abzunehmen. Nicht nur Ärzte und Ernährungswissenschaftler warnen vor diesem Diätwahn, auch hat eine Fastenkur nur noch wenig zu tun mit der österlichen Bußzeit. Schade!

Fasten heißt, sich zu besinnen

Wer denkt, fasten bedeute nur, auf die tägliche Ration Süßkram zu verzichten, hat etwas falsch verstanden. In der katholischen Kirche heißt fasten auch, das Gebet zu intensivieren, vermehrt an Gottesdiensten teilzunehmen und Almosen zu geben. Kurz: Der Mensch soll seinen Glauben an Gott pflegen. Mit einer Tafel Schokolade mehr oder weniger hat das nichts zu tun.

Unser Wohlstand verhindert aufrichtiges Fasten

Diejenigen von uns, die es nicht allzu genau nehmen mit dem Verzicht, haben in unserer Wohlstandsgesellschaft leichten Zugriff auf Chips oder Schokolade, sollte die Packung Zigaretten noch vor der Fastenzeit im Mülleimer gelandet sein. Und weil heute jeder irgendwie im Stress und unsere Zeit schnelllebig ist, fällt es uns nur allzu leicht zu sagen: „Ein Riegel geht noch. Dafür verzichte ich ja auch auf die Kippen.“

Eine Kippe weniger macht mich nicht zu einer besseren Christin

Fasten ist heute nicht mehr gleich Fasten. Diejenigen, die noch nicht Opfer des Smoothie-verseuchten Magerwahns geworden sind, nutzen jede scheinbar passende Gelegenheit, um sich nur scheinbar oder gar nicht im Verzicht zu üben, einfach weil es so bequem ist.

Nur wenige verstehen Fasten und damit die Fastenzeit noch als das, was es im Ursprung war: die Zeit, in der wir Buße tun, an unseren Nächsten denken und zu Gott finden. Eine Kippe weniger macht mich dabei nicht zu einer besseren Christin. Ich lehne die Fastenzeit nicht ab, bloß das, was aus ihr geworden ist: ein Vorwand, um der Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit unserer Zeit zu frönen.

 

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Brinkmann/Schweigmann 
Teaserfoto: flickr.com/DanieleCivello

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