Gute Ausbildung schützt nicht vor Niedriglohn

In Deutschland arbeiten immer mehr Menschen für niedrige Löhne. Das ist das Ergebnis von aktuellen Berechnungen des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE). Jeder Fünfte in Deutschland arbeitet demnach für einen Stundenlohn unterhalb der Niedriglohngrenze von 9,19 Euro pro Stunde. Zwar ist seit 2006 der Anteil der Niedriglohnarbeit in Deutschland nicht wesentlich angestiegen – da aber die Beschäftigung insgesamt zugenommen hat, sind von Niedriglöhnen auch deutlich mehr Menschen betroffen, nämlich rund 350.000 mehr als 2006. Seit 1995 hat sich der Anteil der Beschäftigten, die einen Niedriglohn erhalten, sogar fast verdoppelt.
Die Autoren des IAQ-Berichtes, Thorsten Kalina und Dr. Claudia Weinkopf, stellen außerdem fest, dass der Niedriglohnsektor immer weiter nach unten ausfranst. Immer mehr Menschen arbeiten für immer weniger Geld. Die Wissenschaftler beziehen sich auf Daten aus dem Jahr 2007.

Sogar eine gute Ausbildung ist kein Schutz vor niedriger Bezahlung: Seit 1995 ist der Anteil von Niedriglohnbeschäftigten, die eine abgeschlossene Ausbildung haben, um mehr als zehn Prozent gestiegen. Rechnet man Uni-Absolventen noch dazu, sind vier von fünf Niedriglohnempfängern in Deutschland beruflich qualifiziert, keinen Abschluss hat nur einer von fünf Niedriglohnbeschäftigten.
Als Schwelle für den Niedriglohn benutzen die Forscher den einheitlichen Standard, den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorgibt. Ab einem Einkommen unter zwei Dritteln des „Medianeinkommens“ – das ist das mittlere Einkommen in einem Land – spricht man von einem Niedriglohn. Insgesamt 6,5 Millionen Menschen in Deutschland bekommen nach dieser Berechnung Niedriglöhne. Bei den Zahlen sind allerdings Schüler, Studenten und Rentner, die weitestgehend Nebenjobs nachgehen, nicht berücksichtigt. Unter den Niedriglohnempfängern selbst erkennen die Wissenschaftler weiterhin einen Trend zu immer geringeren Durchschnittslöhnen. Jeder dritte von ihnen arbeitet für weniger als sechs Euro brutto pro Stunde. 2007 bekamen insgesamt 1,2 Millionen Beschäftigte sogar weniger als 5 Euro.
„In Deutschland ist das Lohnspektrum in einem Ausmaß nach unten ausgefranst, das in anderen Ländern aufgrund von Mindestlöhnen nicht möglich wäre“, kritisiert Weinkopf, Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin des IAQ.

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