Kräuter auf dem Campus: Gewappnet für die Post-Apokalypse

Der Studierendenausschuss AStA bereitet auf den Fall der Fälle vor: Bei einer Kräuterexkursion über den Dortmunder Uni-Campus können Studenten erfahren, wie sie sich für die Apokalypse wappnen. Was ziemlich abgefahren klingt, gehört zu Wolfgang Kienasts Fachgebiet. Der Kräuterexperte schreibt regelmäßig Wildkräuterkolumnen und klärt die Exkursionsteilnehmer über die Essbarkeit der Kräuter und deren heilende Wirkungen auf. 

Immer mehr Menschen tummeln sich vor dem AStA-Gebäude. Einigen von ihnen ist die Aufregung deutlich anzusehen. Denn gleich geht es los: die Vorbereitung auf die Post-Apokalypse. Wolfgang Kienast ist schon da. Er wird den Teilnehmern zeigen, wie sie sich nach dem Ende der Welt versorgen können. Nämlich mit Kräutern, die praktisch direkt vor unserer Nase wachsen: auf dem Uni- und Fachhochschulcampus. „Vor allem geht es natürlich darum, die Natur besser kennenzulernen und genau hinzuschauen“, sagt der Kräuterexperte.

„Wir machen das schon zum zweiten Mal. Seit dem vergangenen Herbst ist die Apokalypse noch nicht eingetreten. Aber sie wird kommen“, sagt Hendrik Thalmann vom AStA mit einem Augenzwinkern. Er hat die Kräuterexkursion mitorganisiert. „Manche der Rezepte muss man dann an die Gegebenheiten anpassen, wenn es so weit ist“, erklärt Hendrik schmunzelnd. Nach der Apokalypse werde schließlich keiner von uns einen Herd oder Parmesan mehr zur Verfügung haben.

Breitwegerich gegen Mückenstiche

Als Wolfgang Kienast vor die Teilnehmer tritt, warten bereits rund 50 gespannt auf den Exkursionsstart. Was die meisten – inklusive mir – nicht ahnen dürften, ist, dass wir das erste überlebenswichtige Kraut direkt vor uns haben: das Gänseblümchen. „Es ist zwölf Monate präsent. Man kann es unter Buttermengen zu einer Kräuterbutter verarbeiten oder die Blätter wunderbar als Beilage zum Salat verwenden“, erklärt Kienast. Die Teilnehmer lauschen gespannt, manche von ihnen machen sich sogar eifrig Notizen.

Jan Böcker ist sich sicher: „Die Welt wird untergehen und nur der Wald wird bestehen bleiben!“ Bild: Patricia Friedek

Kienast pflückt ein grünes Blatt, das ein paar Zentimeter weiter wächst: „Wenn man den Breitwegerich reibt, dann hilft er gegen Mückenstiche.“ Ein wichtiger Tipp, denke ich mir, schließlich werden wir nach der Apokalypse draußen übernachten müssen. „Man kann die Blütenspitzen auch essen. Postapokalyptisch gedacht haben wir ja dann keinen Parmesankäse oder Olivenöl mehr zum Verfeinern“, betont der Kräuterexperte und lacht.

 

Mit Kräutern statt Brillen zu mehr Sehkraft

Wir ziehen weiter in Richtung Fachhochschule. Überall wachsen Brennnesseln, aus denen beispielsweise  Likör hergestellt werden könne, erklärt Kienast. Denn: Auch Alkohol darf nach der Apokalypse nicht fehlen. Als der Exkursionsleiter das Habichtskraut vorstellt, ruft jemand aus der Gruppe: „Kann man das essen?“  „Ja, kann man“, antwortet Kienast. Generell sind alle vorgestellten Kräuter ungiftig. Das Habichtskraut hat eine pelzige Oberfläche, die aber beim Kochen verschwinde, erklärt Kienast. Und: „Manche sagen, es verbessere die Sehkraft.“ Ob das jedoch wirklich stimmt, könne er nicht sagen. Das müssen wir dann wohl selbst herausfinden, wenn wir keine Brillen mehr haben, die uns beim Sehen helfen, denke ich mir.

Der Fachhochschulcampus ist ebenfalls reich an Kräutern: Dort wächst zum Beispiel der Gundermann mit seinen lila Blüten. Manche der Exkursionsteilnehmer wagen gleich eine Kostprobe. Auch ich kann nicht widerstehen. Und tatsächlich: Der Gundermann schmeckt sogar wirklich gut, würzig und blumig irgendwie. „Ein bisschen wie Lavendel“, findet auch Teilnehmerin Julia.

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Nach der Verkostung setzen wir die Wanderung auf dem Feld hinter dem Fachhochschulcampus fort. Bei dem entgegenwehenden Geruch nach Gräsern und Kräutern vergesse ich fast, dass ich mich hier gerade bei einer Vorbereitung auf die Post-Apokalypse befinde. Wir treffen auf eine weitere interessante Pflanze: die Knoblauchstaude. Wenn man ihre Blätter zwischen den Fingern reibt, riecht sie tatsächlich nach Knoblauch – und hat sogar einen ähnlichen Nachgeschmack. „Ihre Blätter kann man auch für ein Pesto verwenden“, rät Kienast. Wichtig sei es, bei allen Pflanzen möglichst die jungen Blätter zu verwenden. Also die, die weiter oben am Stängel wachsen.

Rebecca Heine und Julia Sennholz finden Kräuter toll und wollen nicht alles im Supermarkt kaufen, sondern selbst sammeln. Bild: Patricia Friedek

Rhabarber auf dem Campus?

Ein wenig versteckt wächst ein Kraut, bei dem die Teilnehmer fragen: „Ist das Rhabarber?“ Nein, es ist natürlich kein Rhabarber, der hier hinter den Gebäuden der Fachhochschule wächst. „Es ist der Japanische Knöterich“, klärt Kienast auf. Die Pflanze wurde aus Asien hier eingeschleppt und wächst bis zu 30 Zentimeter am Tag. In der japanischen Heilkunde werden dem Knöterich sogar heilende Wirkungen bei rheumatischen Erkrankungen, Herzkrankheiten sowie bei Krebsleiden nachgesagt. Damit wäre die Frage nach der Heilung von Krebs während der Post-Apokalypse ja auch schon geklärt. Kienast zieht eine Flasche mit einer trüb-rötlichen Flüssigkeit aus seiner Tasche: Likör vom japanischen Knöterich. Jeder bekommt ein Schlückchen zum Probieren. „Mhh, lecker!“, hört man aus dem Publikum. „Gefährlich, man schmeckt den Alkohol nicht“, stellt Julia fest.

Nach einem kurzen Abstecher vor der KostBar, wo Kienast uns noch die Schafgarbe und deren heilende Wirkung auf Knochenbrüche am Bewegungsapparat vorstellt, kommen wir wieder vor dem AStA-Gebäude an. Dort erhalten die Teilnehmer noch ein paar Kräuterrezepte, in der Hoffnung, dass sie diese bis zur Apokalypse auswendig gelernt haben. 

Hier findet ihr noch ein paar Kräuterrezepte von Wolfgang Kienast:

Rezept für Likör vom Japanischen Knöterich
500 Gramm Spitzen vom Japanischen Knöterich in fingerlange Stücke schneiden.
Eine unbehandelte Zitrone in Scheiben schneiden und beides in einem Gefäß mischen. Einen Liter Kornbrand hinzugießen.
14 Tage ruhen lassen. Dann Knöterich und Zitrone entfernen, abfiltern.
Einen Liter Wasser zum Kochen bringen.
500 Gramm Zucker darin auflösen und zehn Minuten sprudelnd kochen lassen.
Nach dem Abkühlen zum Ansatz geben und eine weitere Woche ruhen lassen.
Rezept für Gundermann-Gelee
150 Gramm frische Gundermanntriebe mechanisch, zum Beispiel mit einem Fleischwolf oder einer Saftpresse entsaften.
Eine kleine getrocknete Chilischote mörsern.
Beides mit dem Saft einer Limette mischen und mit trockenem Cherry auf nicht ganz 750 Milliliter auffüllen.
Mit Gelierzucker im Verhältnis 1:1 nach Packungsanleitung zu Gelee kochen.
Rezept für Giersch-Gundermann-Gratin
Drei Schalotten hacken und in Olivenöl glasig dünsten.
100 Gramm Gundermann und
200 Gramm Giersch, jeweils die oberen und nicht zu alten Pflanzenteile, gehackt zugeben und etwa zehn Minuten lang garen. Wenn die Blätter zusammengefallen sind, vom Herd nehmen und ein wenig abkühlen lassen. Anschließend mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.
Drei Eier mit
Drei Esslöffeln Olivenöl verquirlen und in die Kräutermasse einarbeiten.
Ein Kilogramm Kartoffeln in dünne Scheiben schneiden.
In einer mit Olivenöl ausgestrichenen Auflaufform abwechselnd Kartoffeln und Kräuter schichten. Im auf 200°C vorgeheizten Backofen 25 Minuten backen, aus dem Ofen nehmen, mit 50 Gramm geriebenem Emmentaler bestreuen und zurück im Ofen 35 Minuten garen.

Beitragsbild: Patricia Friedek

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