Wissenswert: Digitale Demokratie

Fünf Wochen haben die Inder seit Montag Zeit, Abgeordnete für das Unterhaus im indischen Parlament, die Lok Sabha, zu wählen. In der größten Demokratie der Welt ist so eine Wahl jedoch eine logistische Herausforderung. Über 800 Millionen Inder sind wahlberechtigt – das sind mehr Wähler, als die EU, die USA und Russland zusammen an Wählern haben. Um die Wahl in den knapp 900 000 Wahllokalen möglichst schnell und einfach abzuwickeln, setzen die Wähler keine Kreuzchen auf Stimmzetteln, sondern wählen elektronisch auf dem Wahlcomputer.

Vor den Wahllokalen gibt es lange Schlange. Kein Wunder: An neun Wahltagen wählen knapp 815 Millionen Inder ein neues Parlament. Quelle: flickr.com/aljazeeraenglish und Teaserbild: flickr.com/fabnie

Vor den Wahllokalen gibt es lange Schlange. Kein Wunder: Knapp 815 Millionen Inder wählen ein neues Parlament. Foto: flickr.com/aljazeeraenglish und Teaserbild: flickr.com/fabnie

Dieser sieht aus wie ein großer Taschenrechner, auf dem am linken Rand die Namen der Kandidaten in den wichtigsten Sprachen und Schriften des jeweiligen Wahlkreises stehen. Außerdem stehen neben den Namen auch die jeweiligen Parteisymbole, wie beispielsweise eine Hand für die Kongresspartei, denn 37 Prozent aller erwachsenen Analphabeten weltweit leben in Indien. Rechts neben den Kandidaten befindet sich jeweils ein Knopf, mit dem die Wähler dann ihre Stimme abgeben können. Ein elektronischer Zähler außerhalb der Wahlkabine zählt die abgegebenen Stimmen. Die Wahl geht so zwar sehr schnell und einfach, jedoch können die Wahlmaschinen ebenso leicht manipuliert werden.

Computer sind binnen weniger Minuten manipulierbar

Bereits 2010 hatten IT-Experten herausgefunden, dass die Wahlcomputer binnen weniger Minuten manipuliert werden können. Grund dafür ist die oft überwiegend veraltete und vor allem simple Software der Wahlcomputer, die aus den 1980er Jahren stammen. Hacker können beispielsweise die Anzeige im Zähler austauschen, die das Stimmergebnis darstellt. So werden die Ergebnisse immer im Sinne eines Kandidaten falsch dargestellt. Um nicht schon bei Tests vor den Wahlen aufzufallen, die die Wahlkommission durchführt, um die Computer auf Manipulationen zu überprüfen, kann die Anzeige mit einer Smartphone-App gesteuert werden.

Eine zweite Manipulations-Möglichkeit ist, einen Chip an den Speicher des Wahlcomputers zu klammern. Ein Programm wertet die Ergebnisse aus und berechnet, wie die Stimmen umgeschichtet werden müssten, um einen bestimmten Kandidaten gewinnen zu lassen. Dann überschreibt das Programm den Speicher entsprechend. Die Forscher gehen davon aus, dass Millionen Inder das Wissen hätten, die Wahlcomputer auf diese Weise zu manipulieren.  

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Die indische Wahlkommission bestreitet, dass eine solche Manipulation der Geräte möglich ist, denn vor der Wahl werden die knapp zwei Millionen Computer an zentralen Orten gesammelt, getestet, versiegelt und anschließend per Zufall an die Wahllokale verteilt. Auch die Reihenfolge der Kandidaten auf der Anzeige des Computers ist zufällig. Zwischen den neun Wahltagen werden die Wahlmaschinen dann wieder eingesammelt und bewacht. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Sicherheitsvorkehrungen für die Wahlcomputer einfach zu umgehen sind.

Wahlmaschinen in Deutschland bis 2005 im Einsatz

Auch in Deutschland waren Wahlmaschinen bis einschließlich der Bundestagswahl 2005 im Einsatz. Diese sahen zwar anders aus und waren moderner als die in Indien, allerdings ist das Prinzip dasselbe: Wähler gebe ihre Stimme elektronisch ab und diese wird lediglich im Computer gespeichert. 2009 hat das Bundesverfassungsgericht den Einsatz von Wahlcomputern deshalb als verfassungswidrig erklärt. Die Richter führten dafür die Begründung an, dass jeder Wähler die Möglichkeit haben muss, das Zustandekommen des Wahlergebnisses zu überprüfen, ohne dafür über technisches Experten-Wissen zu verfügen. Und dies geht am besten anhand von Stimmzetteln, die bei einer Anfechtung nachgezählt werden können.

Die Wahlcomputer sind vor allem eines: leicht zu bedienen. Quelle: flickr.com/vemana

Die Wahlcomputer sind vor allem eines: leicht zu bedienen. Foto: flickr.com/vemana

Gerade große Demokratien wie die USA, Brasilien und Indien benutzen die Wahlcomputer gerne, aus Gründen der Schnelligkeit. Doch mittlerweile ist auch in den USA, die ein Verfechter der Wahlcomputer waren, ein rückläufiger Trend im Gebrauch der Computer zu erkennen. Immer wieder hatte es Probleme gegeben, beispielsweise waren die Maschinen wegen eines Defekts ausgefallen oder Stimmen plötzlich komplett verschwunden. Immer mehr amerikanische Staaten kehren wegen der schlechten Erfahrungen zur Papierwahl zurück.

Auch in Indien regt sich Widerstand gegen die Nutzung von Wahlmaschinen. Zwei indische Gerichte haben 2011 und 2012 der Wahlkommission den Auftrag gegeben, etwas gegen die mögliche Manipulation zu unternehmen. Seitdem arbeitet die Kommission an einer Papierspur, die an die Wahlcomputer angeschlossen werden soll und die jede Stimmabgabe auf einem Zettel ausdruckt. Bei dieser Wahl wird das jedoch noch keine Rolle spielen, denn nur wenige tausend der insgesamt zwei Millionen Wahlcomputer haben bisher solch eine Papierspur.

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