Das Duell: Verständnis für die GDL?

Das Duell: Artjom versus Lisa

Die Bahn kommt… einfach nicht! Zum Ärger der Bahn-Kunden hat die GDL, die Gewerkschaft Deutscher Lokführer, heute wiederholt gestreikt. Zwar sollte vorrangig der Güterverkehr betroffen sein, aber auch Bahnreisende an Rhein und Ruhr mussten sich wieder mit Verspätungen und Zugausfällen rumplagen. Für viele bedeutete das Stress mit dem Chef oder hohe Kosten für Taxi oder Mietwagen. Ist der Lokführerstreik noch ein legitimes demokratisches Mittel oder nur noch pure Erpressung? Kann man noch Verständnis für die streikenden Lokführer haben?

PRO CONTRA
Streiken? Aber Hallo! Zwar halte ich das Streiken grundsätzlich für ein veraltetes Mittel aus den Zeiten der Industrialisierung, doch wir leben nun mal in einem Sozialstaat. Und das Wort „sozial“ bedeutet unter anderem, dass jeder vom Wohlstand dieses Landes profitieren soll. Besonders wenn er dafür schwer arbeitet. Die Forderungen der GDL nach einem Flächentarifvertrag sind doch verständlich: gleiches Geld für die gleiche Arbeit!
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Dabei ist die Deutsche Bahn AG nicht mal das Hauptziel der Gewerkschaftler. Denn laut GDL-Forderungen muss sie nur fünf Prozent auf die bestehenden Gehälter drauflegen. Viele Kritiker würden zu Recht sagen, dass fünf Prozent auch gar nicht mal so wenig sind. Doch bei einem Einstiegsgehalt von 1873 Euro (brutto) wären das etwa 94 Euro. Davon wird niemand reich! Und die Bahn nicht arm!
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Die „Kleinen“ sind gar nicht so klein

Mehr soll es die Privatbahnen treffen. Damit auch dort die Lokführer annähernd so viel verdienen wie bei der Bahn AG werden Forderungen von mehr als 30 Prozent laut. Das ist erheblich und zeigt, mit welchen Gehältern sich die Streikenden zurzeit abgeben müssen. Was oft nicht erwähnt wird: Hinter den „kleinen“ Privatbahnen stecken große europäischen Konzerne, die durchaus vergleichbar mit der Deutschen Bahn sind. Das Mitleid für die „Kleinen“ der Branche ist also hier einfach nicht angebracht.

Die GDL bestreikt heute vorrangig den Güterverkehr und will damit an erster Stelle die Wirtschaft unter Druck setzen. Klar, auch der Personenverkehr war betroffen. Wieder bibberten an den Bahnsteigen die armen Pendler vor sich hin. Auch ich persönlich war betroffen und gegen meine Prinzipien schimpfte ich auch auf die Bahn, Gott und die Welt. Tief in meinem Inneren. Aber mal ganz ehrlich: würden wir über das Thema wirklich ernsthaft diskutieren, wenn nur ein Paar Güterzüge ausfallen würden?

Früher ein Traumberuf

So traurig es klingen mag, aber der moralische Vorschlaghammer ist heutzutage wohl das einzige wirksame Mittel, um auf Missstände auf dem Arbeitsmarkt hinzuweisen. Die Lokführer sind sehr lange im Einsatz und stehen ständig unter Stress. Was ist nur auf dem Traumberuf vieler Jungs geworden? Es gibt genug andere ehrenwerte Berufe, in denen die Menschen noch weniger verdienen? Klar, aber es ist eher ein Zeichen dafür, sich auch in diesen Branchen zu organisieren und gegen die Zustände zu protestieren, als sich zu ducken und die großen Konzerne gewähren zu lassen.

Klar ist auch, dass niemand mehr bezahlen will, als er muss. Jeder freut sich, wenn er irgendwo ein Schnäppchen ergattert: ob bei einer Bahnfahrt, beim Bäcker oder beim Textildiscounter, der Produkte aus Kinderarbeit verkauft. Auf die Gefahr pathetisch zu werden: Wir leben in einem der fortschrittlichsten Länder der Welt und hier gelten immer noch die Regeln der Sozialwirtschaft. So sollten wir uns auch verhalten.

Streiken? Naja. Aber wenn, dann doch bitte nur im äußersten Notfall. Die GDL hingegen folgt im Moment eher dem Motto: schneller, länger, kompromissloser. Viel zu früh wird auf Streiks – jetzt sogar schon unbefristet – gesetzt.
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Mit der Brechstange soll also das erzwungen werden, was am Verhandlungstisch nicht erreicht werden kann. Oder nicht erreicht werden soll? Die GDL muss sich auf jeden Fall den Vorwurf gefallen lassen, zu wenig in die Verhandlungen investiert zu haben.

Viel Polemik – wenig Verantwortung

Sie glänzt im Moment lieber mit viel Polemik („Wir machen ein für alle Mal Schluss mit Angst um den Arbeitsplatz und Lohndumping im Eisenbahnverkehr.“ – GDL-Chef Claus Weselsky) und Sturheit. Dass kommt anscheinend bei den Gewerkschaftlern an, die mit 92 Prozent für weitere Streiks stimmten.

Das nötige Verantwortungsgefühl für die Kunden der Bahn vermisst man aber in allen Debatten und Stellungnahmen der GDL. Denn gerade bei Streiks im Bahngeschäft sind nun mal nicht nur die Arbeitgeber die Leidtragenden.

Konjunktur nimmt Schaden

Dabei ist das Bestreiken der Personenzüge, in denen immerhin jeden Tag vier Millionen Menschen von A nach B kommen (oder momentan dann eher nicht), noch das geringere Übel. Viel mehr schadet es, dass nun auch die Güterzüge still stehen.

Von den Medien weniger beachtet, kann doch jeder Tag Streik im Güterverkehr die deutsche Wirtschaft hunderte Millionen von Euro kosten. Und damit der Konjunktur massiv schaden.

Wo sind die Grenzen?

Als die GDL 2007 das letzte Mal zum Großschlag gegen die Bahn ausholte, wurde ganze 18 Monate gestreikt. Deutschland kann sich kaum erneut anderthalb Jahre leisten, in denen die Konjunktur aufgrund streikender Lokführer stagniert.

Im Hinblick auf die vielen Betroffenen des Streiks und die Verhältnismäßigkeit der Mittel, sollten Gewerkschaft und Arbeitgeber gemeinsam nach einer gütlichen Einigung suchen – und sich beweglicher zeigen, als es derzeit die Züge tun.

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Foto: stockxchng/ bizior, Montage: Falk Steinborn, Teaserbild: Deutsche Bahn / Ralf Kranert

1 Comment

  • Ich verstehe ja die Forderungen seitens der Lokführer, aber als Fahrgast komme ich mir vor, als werde ich in Geiselhaft genommen. Ich muss ihm Rahmen meines Jobs gerade sehr viel mit der Bahn fahren und wenn man dann irgendwo in der Pampa feststeckt oder Stunden später erst heimkommt, geht das Verständnis für die Lokführer nach und nach verloren. Und wenn man sich mal am Bahnhof oder in den Zügen umhört, geht es vielen doch genauso. Die GDL muss daher auch aufpassen, dass das ganze nicht kontraproduktiv wird.

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