Ein Leben lang Schrebergarten

Pottrait-Head - Erstellt von Christian Teichmann

Ein paar blau-weiße und schwarz-rot-goldene Fahnen wehen im Wind. Der Himmel über Gelsenkirchen ist, passend zur Jahreszeit, wintergrau. Es nieselt. Die Kleingartenanlage Bismarckhain in der Nähe des Zoos liegt ruhig da. Nur in einer Hütte herrscht Betrieb. Wie fast jeden Tag sieht Reinhold Assmus auch an diesem verregneten Mittwochmorgen in seinem Schrebergarten nach dem Rechten.

„Man muss vor allem Kontrolle machen“, erklärt das Schrebergarten-Urgestein, „denn es wird leider sehr viel eingebrochen. Deshalb sind wir zu 99 Prozent jeden Tag hier und gucken nach, ob alles in Ordnung ist.“

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Reinhold Assmus und seine zweite Frau Gisela schauen sich Fotos vom Bau des Vereinsheims an. Alle Fotos: Philipp Ziser / Header: Christian Teichmann

Aber auch wenn kein unerwünschter Besuch da war – es gibt immer etwas zu tun. „Vogelhäuschen ausbessern, den Rasenmäher und das Werkzeug sauber machen, das muss man ja auch mal erledigen.“ Es seien ja fast alles Arbeiten, die man im Winter unterm Dach machen könne, sodass das Wetter kein Problem sei.

Wenig später sitzen die beiden im Vereinsheim des Kleingartenvereins. Der Raum ist im sogenannten „Gelsenkirchener Barock“ gehalten: Dunkles Holz, wuchtige Möbel, ein bisschen düster – aber gemütlich. Sie blättern in einem Fotoalbum. Darin sind alte Fotos vom Bau des Vereinsheims. „Wir haben alles selber gemacht und auch komplett selbst finanziert“, erzählt Reinhold Assmus voller Stolz.

Kaum einer kennt die Gartenanlage besser als er – bereits vor mehreren Jahrzehnten hat der heute 71-Jährige seine zweite Heimat in der kleinen Laube mit den paar Quadratmetern Rasen, Blumenbeet und Ackerland davor gefunden. Er kam nach dem zweiten Weltkrieg aus Süddeutschland ins Ruhrgebiet, da hier viele Arbeiter beim Wiederaufbau der Industrie gebraucht wurden. Er arbeitete nicht weit entfernt von den Gärten und lernte seine erste Frau kennen. Das Pachten eines Kleingartens war da wichtig, um die Versorgung der Familie zu sichern.

Schalke regiert in Gelsenkirchen: Der Kleingartenverein hat sogar einen eigenen Fanclub. Im Hintergrund das Vereinsheim.

Schalke regiert in Gelsenkirchen: Der Kleingartenverein hat sogar einen eigenen Fanclub, DIe "Schalker Freunde Bismarckhain". Im Hintergrund das Vereinsheim.

Denn nach dem Krieg waren die Schrebergärten wichtig für die Ernährung der Besitzer. Kartoffeln, Tomaten und Gurken waren meist zu teuer, wenn man sie überhaupt kaufen konnte. „Da haben die Leute richtig viel Obst und Gemüse selbst angebaut, um über die Runden zu kommen“, erinnert sich der Rentner.

Heute dient ein solcher Garten den Leuten meist zur Erholung. „Es ist natürlich auch körperliche Ertüchtigung, vor allem aber ein Hobby. Für unsere Kinder war der Garten immer ein Platz, wo sie frei laufen konnten, in der Natur. So ein Garten ist natürlich auch eine echte Leidenschaft.“ Natürlich gebe es auch mal einen Tag, an dem man keine Lust habe, zu arbeiten. „Dann stehen wir eben nur da und quatschen mit den Nachbarn und trinken uns einen. Das ist dann auch in Ordnung.“ Und spätestens wenn es auf das Sommerfest zugeht, das Highlight im Kleingärtner-Jahreskalender, schnellt die Motivation wieder nach oben.

Das alljährliche Sommerfest ist aber nicht das einzige, was die Kleingärtner zusammenhält. Denn die jüngere Vergangenheit der Gartenanlage ist bewegt: Beim Ausbau des Ruhrzoos zur neuen, viel größeren ZOOM-Erlebniswelt, sollten ursprünglich alle Gärten der Erweiterung zum Opfer fallen.

Der grüne Pfeil zeigt das Vereinsheim des KGV. Oben sieht man einen Teil des Gelsenkirchener Zoos - auf der anderen Seite der Gartenanlage die Parkplätze.

Der grüne Pfeil zeigt das Vereinsheim des KGV. Oben sieht man einen Teil des Gelsenkirchener Zoos - auf der anderen Seite der Gartenanlage die Parkplätze. Die Gärten sind vom Zoo komplett umschlossen. Quelle: Google Maps.

Das Klischee sagt, nur Rentner hätten Zeit und Lust, tagtäglich in ihrem Garten zu mähen, zu hacken und zu werkeln – Unsinn, findet Gisela Asmuss, seine zweite Frau: „Früher waren es wirklich hauptsächlich alte Menschen, aber in den letzten Jahren sind viele junge Familien dazugekommen.“ „Das ist wichtig, ohne junge Menschen geht es nicht in einer Gemeinschaft. Da profitieren ja auch beide Seiten von. Auch die Jungen haben Spaß an der Arbeit, Spaß an der Natur. Wir sehen das und das ist für uns natürlich auch toll.“ Ohne Leidenschaft und Spaß gehe es aber auch gar nicht, ergänzt ihr Mann: „Wenn einer keine Lust und Spaß daran hat, dann soll er den Garten lieber abgeben. Dann soll er es bleiben lassen.“

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