Darum müssen wir 2017 wieder kopieren

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Online-Lernplattformen wie Moodle gehören für Studierende zum Unialltag dazu. Die Dozenten stellen den Studierenden dort Fachliteratur und Vorlesungsfolien zur Verfügung. Bald ist das vielleicht nicht mehr möglich. Der neue Rahmenvertrag zwischen der VG Wort und der Kultusministerkonferenz verbietet es.

Tief über ihre Lernskripte gebeugt sitzen Nora und Ivana in der TU-Bib. Ihre Texte sind bereits markiert und beschriftet. Die beiden Studentinnen lernen für ihre Prüfungen – vor allem mit Materialien, die ihre Dozenten ihnen über Moodle bereitgestellt haben. Das wird in Zukunft schwieriger. Denn aufgrund des neuen Rahmenvertrages zwischen der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort und der Kultusministerkonferenz müssen ab dem 1. Januar 2017 urheberrechtlich geschützte Texte gemeldet und vergütet werden, bevor sie online verfügbar sind. Pro Seite sind das 0,008 Euro. Bisher lief die Vergütung noch über eine einmalige Pauschalzahlung. Die TU Dortmund und weitere andere Hochschulen sind diesem Vertrag allerdings nicht beigetreten und dürfen deshalb ab 2017 keine neuen urheberrechtlich geschützten Texte im Moodle oder ähnlichen Onlineplattformen hochladen. Texte, die bereits online stehen, müssen spätestens am 31. Dezember 2016 gelöscht werden.

Nora und Ivana wissen bereits von der Neuregelung. Sie machen sich Sorgen über den möglichen Mehraufwand. „Ich studiere nebenher noch zwei Sprachen und muss allein dafür ziemlich lange Texte lesen“, sagt Nora, die Grundschullehramt studiert. Auch Ivana, Studentin der Sonderpädagogik, ist nicht gerade begeistert und ergänzt: „Das wird für uns Studenten dann echt schwierig. Das können die doch nicht richtig durchdacht haben.“

Was ändert sich jetzt für die Studierenden?

Die neue Regelung macht das Lernen komplizierter. Im Moodle dürfen nur noch eigene Skripte und Materialien der Lehrenden hochgeladen werden, ebenso wie Bilder, Filme oder Musikstücke. Weiterführende Literatur und andere Medien sind ab Januar jedoch verboten. Es können noch die digitalen Angebote der Universitätsbibliothek genutzt werden. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Studierenden die Materialien nur noch als Kopiervorlage in der Bibliothek bekommen. Bedeutet: voraussichtlich lange Schlangen vor den Kopierern. Ein Bild, das in den 90er Jahren üblich war.

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NRW-Wissenschaftsministerin Schulze zeigt Verständnis für beide Seiten. Bild: flickr.com/EnergieAgentur.NRW mit CC-Lizenz

Die TU Dortmund hat bereits am 17. November 2016 eine Rundmail an alle Studierenden verschickt und darüber informiert, dass man dem Rahmenvertrag mit der VG Wort nicht beigetreten ist. Dort wird auch betont, dass sich die Universität gemeinsam mit anderen Hochschulen dafür einsetzen will, eine neue Lösung mit der VG Wort zu finden. Auch NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze plädiert für eine praxisnahe Lösung. „Diese Lösung darf die Augen vor der Realität an den Hochschulen nicht verschließen, muss ins digitale Zeitalter passen und zugleich die Interessen der Rechteinhaber wahren“, fordert die Ministerin.

Die Autoren werden geschützt

Auch die Lehrenden sind von den Auswirkungen des neuen Rahmenvertrages betroffen. Dr. Arne Niederbacher ist stellvertretender Leiter des Instituts für Soziologie an der TU. Bereits seit einigen Wochen warnt der Soziologe seine Kursteilnehmer und rät ihnen, alle Materialien für das Wintersemester 2016/17 bis zum 31. Dezember runterzuladen. Deshalb hat er bereits am Anfang des Semesters alle nötigen Texte für seine Kurse im Moodle online gestellt. Grundsätzlich sieht Niederbacher im neuen Rahmenvertrag aber auch Vorteile. „Natürlich macht das den Alltag komplizierter und die Studenten müssen sich wieder mehr um ihre Materialien kümmern. Wenn es aber wirklich Verbesserungen für die Wissenschaftler und Autoren geben sollte, finde ich das gar nicht schlimm“, sagt er. Man müsse abwägen, was die Rechteinhaber an Vergütung bekommen und welche Möglichkeiten die Studierenden zur Beschaffung der Materialien haben. Diese seien gar nicht mal so schlecht. Schließlich sei es früher „normal“ gewesen, dass sich Studierende selbst ihre Materialien besorgen. Die Universität müsse ja auch kein „Dienstleistungsunternehmen“ sein.

Was ist die VG Wort?
Die Verwertungsgesellschaft WORT ist ein Verein, in dem sich Autoren und Verlage zur Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Der Verein bezeichnet sich als nicht gewinnorientiert und bemüht sich die Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche seiner Mitglieder wahrzunehmen. Autoren sollen also angemessen für ihre Werke vergütet werden. Deshalb verlangt die VG Wort Geld von denjenigen, die das geistige Eigentum der Autoren und Verlage benutzen. Dieses Geld wird dann an die Mitglieder ausgezahlt.

Quelle: http://www.vgwort.de/die-vg-wort.html

Anderer Meinung ist da der AStA der TU Dortmund. „Wir möchten nicht wieder dahin zurück, dass nichts mehr online verfügbar ist“, erklärt Sebastian Lau vom Referat Hochschulpolitik und Lehre. Deshalb erkläre man sich auch mit der Stellungnahme der TU Dortmund solidarisch. Ein eigenes Konzept, wie man die Situation der Studierenden ab dem 1. Januar verbessern könnte, gibt es bisher jedoch nicht.

Wie geht es jetzt weiter?

Stand jetzt (7.12.2016) müssen ab dem 1. Januar alle urheberrechtlich geschützten Texte auf Onlineplattformen gelöscht werden. Die TU Dortmund und andere Hochschulen wollen aber auf jeden Fall eine neue Lösung finden und mit der VG Wort verhandeln. Dass diese Lösung noch im Jahr 2016 gefunden wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Viele Studierende hoffen, dass bald eine Einigung erzielt werden kann. „Ich habe nämlich keine Lust, mit 100 anderen Leuten vor’m Kopierer zu stehen“, meint Nora. „Ich hoffe wirklich, dass bald eine durchdachte Lösung finden gefunden wird.“

Beitragsbild: flickr.com/Universität Wien unter Verwendung der Creative Commons Lizenz

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