Kino-Tipp: Rapunzel – Neu verföhnt

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Als Kinobesucher wird man zur Zeit mit 3D-Animationsfilmen überschüttet. Disney’s Rapunzel – Neu verföhnt ist auch so einer unter vielen – könnte man meinen. Doch die pflichtlektüre hat bei ihrem Vorabcheck festgestellt, dass sich das moderne Märchen durchaus von der Masse abhebt – dank einer versteckten Aussage und zweier heimlicher Helden.

Rapunzel hält den unbekannten Eindringling mit ihrem Haar in Schach. (Quelle: wdsmp-content)

Rapunzel hält den unbekannten Eindringling mit ihrem Haar in Schach. Bild: wdsmp-content

Jetzt vergreifen sich die Macher von Walt Disney also an einer weiteren weiblichen Märchenfigur der Gebrüder-Grimm. Aschenputtel diente ja schon vor rund 20 Jahren zum Filmstoff. Da war allerdings an 3D-Technik, ohne die heute kein Animationsfilm mehr auszukommen scheint, noch nicht zu denken. Bei der Verfilmung von Dornröschen, 1959, noch nicht mal an Farbfernsehen. Gut ein halbes Jahrhundert später wird nun das Rapunzel-Märchen neu verfilmt – pardon „verföhnt“. Und es stellt sich die Frage: Muss das denn sein?

Emanzipation in 3D

Es muss nicht sein, aber es darf. Denn die Regisseure Byron Howard und Nathan Greno haben es geschafft, das Andenken an das Grimm’sche Märchen nicht zu verunglimpfen. Zum einen liegt das daran, dass sie im Endeffekt eine eigenständige Story entworfen haben. Mit der originalen Rapunzel hat die 3D-Rapunzel nur noch die langen blonden Haare und die böse Erstzmutter gemeinsam. Schon der Prinz, der kurz vor ihrem 18. Geburtstag in Rapunzels Turm klettert und, wie sollte es anders sein, im Laufe des Films ihr Herz gewinnt , ist bei Walt Disney kein Prinz mehr, sondern ein Dieb namens Flynn Rider. Dafür ist Rapunzel dieses Mal nicht Tochter hungernder Eltern, sondern eine Prinzessin – das nennt man Emanzipation.

Anfangs kämpfen Flynn und Maximus, ein Pferd der Königsgarde, noch auf verschiedenen Seiten. (Quelle: wdsmp-content)

Anfangs kämpfen Flynn und Maximus, ein Pferd der Königsgarde, noch auf verschiedenen Seiten. Bild: wdsmp-content

Es gibt aber auch noch einen zweiten Grund: Setzt man sich etwas intensiver mit der neuen Handlung auseinander, fällt einem, beinahe zum Entsetzen, eine gewisse Tiefgründigkeit auf. Dass Rapunzel und Meisterdieb Flynn auf ihrer Flucht – die eine flieht vor ihrer einnehmenden Bewacherin, der andere sowohl vor der Obrigkeit, als auch vor rachelüstigen Arbeitskollegen – allerlei Abenteuer erleben, sich dabei ineinander verlieben und nach dem Happy Ende glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende zusammen leben, ist so vorhersehbar wie der Besucherandrang, den der Film in den deutschen Kinosälen auslösen wird. Doch trotz der Naivität, die einen jeden Zeichentrick- oder Animationsfilm von Walt Disney auszeichnet, ist bei Rapunzel – Neu verföhnt eine Art Metaebene zu erkennen, geschickt verschleiert von den üblichen, mehr oder weniger gut gelungen, Ulkszenen, versteht sich.

Lebe deinen Traum

Denn im Gegensatz zum Original, als Rapunzel von ihrer Hüterin in die Welt außerhalb des Turms verstoßen wird, entscheidet sich ihr Disney-Pendant, dessen Äußeres zu 99 Prozent einer Barbie-Puppe ähnelt, ganz bewusst zum Ausbruch aus ihrem allzu beengten Dasein. Sie will endlich die Lampions, die in der Ferne – komischerweise immer jährlich zu ihrem Geburtstag – aufsteigen, aus nächster Nähe sehen. Die moderne Rapunzel hat also einen Traum, und diesem Traum geht sie nach, trotz innerer Bedenken, die „Mutter“ mit ihrem Handeln verletzen zu können. Und das ist dann wohl auch die versteckte Aussage der 2010er Rapunzel-Version: Lass dich nicht abbringen, lebe deinen Traum, im Innersten weißt du, dass er richtig ist.

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Diese Erkenntnis gipfelt schon relativ früh im Film in dem Song „I’ve got a dream“, den Rapunzel, im Original gesprochen und gesungen von Mandy Moore (deutsche Stimme: Alexandra Neldel), zusammen mit einer Horde anfangs angsteinflößender trunksüchtiger Halunken anstimmt. Apropos Songs. Es lässt sich überhaupt sagen, dass Rapunzel – Neu verföhnt, ausgenommen die 3D-Technik, wieder mehr an die Disney-Zeichentrickfilme der 90er-Jahre anknüpft. Der Streifen ist mehr Musical als Effektfeuerwerk, mehr Die schöne und das Biest als Toy Story 3. Eben der perfekte Kassenschlager für die Vorweihnachtszeit.

Grandios komisch: Rapunzels Chamäleon Pascal. (Quelle: wdsmp-content)

Grandios komisch: Rapunzels Chamäleon Pascal. Bild: wdsmp-content

Heimliche Helden

Auch dank zweier heimlicher und vor allem tierischer Helden: Denn während die Gags, die sich die Filmemacher für Rapunzel und ihre menschlichen Weggefährten haben einfallen lassen, meistens eher platt daherkommen, ist so gut wie jede Szene, in der Rapunzels Haus-Chamäleon Pascal auf der Leinwand zu sehen ist, zum totlachen komisch. Genauso ist es mit Wachpferd Maximus, das den größten Teil des Films mal schnüffelnd, mal wiehernd, aber stets schlecht gelaunt hinter Meisterdieb Flynn Rider her ist, am Ende aber dem Zauber Rapunzels erliegt. Wer könnte es ihm verdenken.

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