Die Geister, die er rief

Bernd Lucke

Irgendwo rechts der CDU aber doch weit genug weg von der NPD. Eine salonfähige Alternative eben, für alle die, die den Euro blöd finden, mit der Gesamtsituation unzufrieden sind und nicht so wirklich diese vielen Ausländer in ihrem Land mögen. Konservativ aber gegen das politische Establishment –  so wollte Bernd Lucke seine Alternative für Deutschland. Sie aber wollte ihn so nicht und zwang ihn zu gehen. Doch mit ihm geht die liberale Fassade und der letzte bürgerliche Anstand der Partei. 

Abstimmung verloren, Buh-Rufe, Pfiffe. Sind es die Pegida-Wutbürger oder tatsächlich Luckes Euro-Kritiker, die sich am Samstag gegen ihn wenden? 3.500 Parteimitglieder sind anwesend, viele von ihnen wollen Lucke mit ihren „Aufhören“-Rufen übertönen, als er in seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz über Muslime mit deutscher Staatsangehörigkeit spricht. Es wäre schlimm genug, dass es solche überhaupt gebe, ruft ein Mann aus dem Publikum. Schlimm genug…

Bernd Lucke ist gescheitert. Gescheitert mit dem Versuch, eine „Alternative für Deutschland“ zu sein – die AFD. Vor allem Wirtschafts- und Finanzthemen wie die Rettung des Euros, aber auch das Durchsetzen von Bürgerentscheiden wie in der Schweiz hatte sich die Partei im September 2012 bei ihrem Antritt auf die Fahnen ihrer politischen Arbeit geschrieben. Viel davon ist heute nicht mehr übrig.

 

Alternative für Deutschland (AFD)
  • im September 2012 als eurokritische Partei gegründet
  • verfehlte bei Wahlen 2013 mit 4,7 Prozent knapp den Einzug in den Bundestag
  • 2014 Einzug ins Europaparlament mit 7 Prozent
  • Einzug in die Landesparlamente von Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Hamburg und   Bremen 

 

Frauke Petry

Die Neue am Ruder, Frauke Petry (Foto: Der Tempelhofer/ flickr.com)

Zuwanderung, Islamkritik und Asylrecht heißen die Stichworte, die die Mitglieder bei den Vorstandswahlen in Essen zum Jubeln bringen. Aus der von Lucke angedachten Professoren-Partei ist eine Art Pegida-Partei geworden. Akademisch begründete Kritik weicht rechtspopulistischen Kennworten. Den internen Führungskampf hat Bernd Lucke mit seinem wirtschaftsliberalen Flügel nun verloren. Gewonnen hat Frauke Petry. Sie führt die nationalkonservative Gruppe der AFD an. Kaum ist Luckes politischer Kurs gescheitert, wird der ohnehin schon bestehende Vorwurf des Rechtspopulismus wieder lauter. Schuld daran ist wohl auch die Gratwanderung, der die Mission „Alternative für Deutschland“ von Anfang an glich – und damit auch Lucke selbst.

Gratwanderung AFD

Thema Einwanderungspolitik: Die AFD wollte unterscheiden zwischen politisch Verfolgten und Wirtschaftsflüchtlingen, wollte den Fachkräftemangel in Deutschland ansprechen, aber auch darauf aufmerksam machen, dass es Grenzen der Aufnahmekapazität gibt. Ganz ohne Ausländerfeindlichkeit. Geklappt hat das nicht. Seine eigene politische Korrektheit setzte Lucke gerade vor der Bundestagswahl und dem Europawahlkampf aufs Spiel. So äußerte er sich über Hartz-IV-abhängige Zuwanderer als „eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt.“ Davon ist heute nicht mehr die Rede. Nun kritisiert der Mitbegründer der AFD deren ausländerfeindlichen Ansichten, die er aus tiefer Überzeugung ablehne.

 

Der Rücktritt
 „Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich am Freitag, dem 10.7.2015, aus der AfD austreten werde. Am selben Tag werden auch Ulrike Trebesius und sehr viele Funktionsträger und einfache Mitglieder die Partei verlassen. Wir werden diesen Schritt tun in der festen Absicht, auch weiterhin für die politischen Ziele einzustehen wegen derer wir gewählt wurden.

In der AfD sehe ich dafür leider keine Möglichkeit mehr, ohne gleichzeitig als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht zu werden, die ich aus tiefer Überzeugung ablehne. Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten, die sich in der Partei teils offen, teils latent, immer stärker ausbreiten und die ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren.“ 

 

Was Lucke zum Verhängnis geworden ist, sind die Geister, die er 2012 selbst rief. Und dennoch ist schon seit Mai ein weiterer Ruf Luckes zu hören: der „Weckruf 2015“. Ein Verein als Sammelbecken der wirtschaftsliberalen Mitglieder der AFD, gegründet, um sich dem nationalkonservativen Flügel entgegenzustellen. Schon vor Monaten begann also die Spaltung der Partei. Nun ist sie so weit vorangeschritten, dass Lucke kaum eine Alternative zum Rücktritt blieb. Mit ihm gemeinsam verließen bisher über 1.500 Mitglieder die AFD. Darunter auch die Europaabgeordneten Bernd Kölmel, Hans-Olaf Henkel, Joachim Starbatty und Ulrike Tribesius.

Weckruf einer Partei

Die Mitglieder des Vereins „Weckruf 2015“ sollen nun entscheiden, ob sie aus dem Verein heraus eine neue Partei im konservativ-wirtschaftsliberalen Bereich gründen wollen. Dem Weckruf gehören circa 4.000 Mitglieder an, der AFD rund 23.000. Eine Austrittswelle wäre für die Partei sicherlich nicht schön, würde sie aber kaum in ihrer Existenz bedrohen. Dennoch wäre es eine andere AFD. Die AFD von Frauke Petry. Zu ihren Unterstützern zählen neben Alexander Gauland, Beatrix von Storch auch Björn Höcke und André Poggenbruck, die sich bereits in verharmlosender Weise über die NPD geäußert haben.

Zukunftsszenarien

Denkt man die Zukunft der Alternative für Deutschland weiter, ergeben sich zwei Szenarien. Die AFD könnte scheitern, so wie auch Lucke gescheitert ist. Enttäuschte wirtschaftsliberale Wähler würden die Partei verlassen, die Hürden der anstehen Landestags- und Bundestagswahlen wären zu groß. Es bleibt aber auch die andere Möglichkeit: Die andere AFD könnte sich etablieren – als salonfähige Form der offen rechtspopulistischen NPD.

 Beitragsbild:  blu-news.org/ flickr.com

Teaserbild:  blu-news.org/ flickr.com 

 

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