Der Breitmaulfrosch: Ist lässig das neue schick?

Kolumne_Jasmin

Ob Poetry-Invasion, Grüne Smoothies oder die hippesten Hipster-Klamotten – über Kunst, Lifestyle, Mode und Kultur lässt sich gut das Maul zerreißen. Ein chronischer Maulzerreißer ist der Breitmaulfrosch, der an dieser Stelle merkwürdige Trends aufs Korn – und dabei kein Seerosenblatt vor den Mund nimmt. Heute taucht er ein in den lässigsten Dresscode der Moderne. Weshalb läuft die ganze Welt neuerdings in Turnschuhen und Jogginghose rum? Ist abgeranzt das neue Chic? 

Turnbeutel in diversen Farbvariationen, klobige Sneakers, löchrige Boyfriendjeans und weiße Tennissocken auf deutschen Straßen verkünden es: Die Eleganz ist tot. Die verführerische Abendgarderobe und der adrette Buisnesslook sind wohl bald Reliquien vergangener Zeit. Der mit den Stylingregeln vertraute Modekenner trägt nun sportliche Sneakers zum Abendkleid, der Hipster, der etwas auf sich hält Turnbeutel und Nike Airs.

Der Eroberungszug der Lässigkeit nimmt vom heimischen Kleiderschrank bis zur Haute Couture alles in Beschlag. Noch allumfassender und penetranter präsentiert sich dieser Trend als etwa die Longchamp-Tasche oder der UGG Boot. Während erstere rund zwei Saisons in Form von Nylonbeuteln an den Armen junger Möchtegern-Society-Ladies hing, präsentierte sich letzterer als schlurfende, zwar bequeme, aber äußerst unvorteilhafte, pantoffelähnliche Fußbekleidung.

Die Illusion des Nichtkümmerns

Wird nicht bald ein Gegenmittel für diesen Virus gefunden, übernehmen Beuteltiere und Turnschuhhelden die Modeherrschaft. Schick ist out und Lässigkeit wird zum obersten Gebot der gegenwärtigen Kleidungskultur. Doch warum avancierte die zur Schau gestellte Bequemlichkeit zur Maxime der Mode?

Ihr größter Trumpf, ihr Lebenselixier, ihr heiliger Gral ist die Illusion. Lässigkeit heißt Unachtsamkeit, heißt, sich vermeintlich nicht um das äußere Erscheinungsbild zu kümmern. Und bitte, eine größere Illusion hätte sich die gewiefte Modewelt nun nicht einfallen lassen können. Die durchkomponierte Lässigkeit wird zum entscheidenden Oxymoron der Modewelt, sie wird zur Travestie der Bemühtheit.

Wenn der vermeintliche Modekenner sich nun in das Gewand der legeren Lässigkeit hüllt, offenbart er eben in diesem Akt seine verbissenen Bemühungen genau dieses Bild verkörpern zu wollen: Wenn jede Strähne des Messy Hairs im Vorhinein genauestens arrangiert, jedes Loch in der Jeans präzise gesetzt wurde und der Undone-Look in Wahrheit modische Vollendung  bedeutet, wird klar, welches Spiel die Mode mit uns spielt.

Alles easy

Der Lässigkeitstrend vereint Mode und Anti-Mode und ist deshalb so attraktiv. Er ist ein Trend der Ambivalenz: es ermöglicht sich eine gleichzeitige Distanzierung von der Mode und Offenbarung als ihr größter Verehrer. Denn zum einen wird der abgetragene Sportschuh zum Statement modischen Desinteresses, zum anderen bekundet seine Inszenierung Stilbewusstsein.

Was könnte der Zerrissenheit des modernen Menschen wohl mehr entgegen kommen? Die Lässigkeit ist aus der Mode nicht mehr wegzudenken. Sie vertuscht ihre Affektiertheit und neutralisiert ihre Abgehobenheit. Und wenn sogar Karl Lagerfeld bei Chanel die Banalität der Jogginghose in der Herbst-/ Winterkollektion 2014/15 modisch erhöht, heißt die Devise des 21. Jahrhunderts: Alles easy.

 

Beitragsbild: Helena Brinkmann

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