Studienabbruch: Auf der Suche nach dem „Warum?“

Die Lehramtsstudentin Lina Sowka (21) fragt sich, ob ihre Wahl, Chemie zu studieren, kein Fehler war. Foto: Anna Hückelheim

Die Lehramtsstudentin Lina Sowka (21) fragt sich, ob ihre Wahl, Chemie zu studieren, kein Fehler war. Foto: Anna Hückelheim

Die Vorstellung, sein Studium abzubrechen, fällt keinem leicht. Auch die 21-jährige Lina Sowka, die Chemie und Spanisch auf Lehramt an der Ruhr-Universität Bochum studiert, plagt sich seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, ihr Chemie-Studium aufzugeben. „Der Stoff geht so tief, dass man praktisch Mathe und Physik noch mitstudiert und die Dozenten haben kein Verständnis, wenn man mal etwas nicht versteht“, so Lina.

Laut der neusten Broschüre des statistischen Bundesamts „Hochschulen auf einen Blick 2010“ ist Lina mit ihrem Problem nicht allein. Mehr als ein Viertel der Studenten, so die Statistik, die 1999 ihr Studium begannen, beendeten ihre Ausbildung ohne Abschluss. Dabei lag die Abschlussquote an den Universitäten bei 68 Prozent und an den Fachhochschulen bei 80 Prozent.

Vielzahl an Ursachen

Bei der Ursachensuche sind sich die Ruhr-Universitäten einig, dass die Gründe für einen Studienabbruch vielfältig sind. So verweist der Pressesprecher der Ruhr-Universität Bochum, Josef König, auf eine ältere Umfrage des Hochschul-Informations-System (HIS) aus dem Jahr 2008, in der Studienabbrecher zu ihren Motiven befragt worden waren. Unter anderem gaben sie dabei persönliche Probleme, wie die Pflege kranker Angehöriger, Schwierigkeiten mit der Studienfinanzierung oder auch den Studiengang selbst als Ursache an.

Leiter der Pressestelle der TU Dortmund

Ole Lünnemann, Leiter der Pressestelle der TU Dortmund, sieht Verbesserungsbedarf in der Betreuung. Foto: TU Dortmund

„Es passiert auch öfter, dass sich Studenten ganz andere Vorstellungen von ihrem Studium machen, als sie es schließlich vorfinden“, so König. Ole Lünnemann, Pressesprecher der Technischen Universität Dortmund, räumt zusätzlich noch ein, dass durch die aktuelle Studiensituation der Stress für einige Studenten gewachsen sei. Zwar sei die TU sowie alle anderen Universitäten bemüht, die Lage zu verbessern, jedoch fehlten die finanziellen Möglichkeiten für eine umfassende Betreuung.

Demotivierende Verschulung

Natascha Reis (26) und Natascha Hasenauer (23) sehen vor allem in der Verschulung des Studiums ein Problem. Foto: Anna Hückelheim

Natascha Reis (26) und Natascha Hasenauer (23) sehen vor allem in der Verschulung des Studiums ein Problem. Foto: Anna Hückelheim

Aus Sicht der Studenten liegen die Probleme vor allem bei den Hochschulen. „Die Dozenten sind häufig viel zu wissenschaftlich und können den Studenten den Stoff gar nicht richtig vermitteln“, sagt die Lehramtsstudentin Xezal Bayram. Auch Mohammed Bienar, ebenfalls Lehramtsstudent, sieht das Problem bei den Lehrenden. „Einige Dozenten haben wenig Erfahrung mit BA und MA und scheinen überfordert.“ Sein Freund Lars ergänzt: „Sie sind vor allem lustmäßig überfordert.“

Dagegen sieht die Wirtschaftswissenschaftsstudentin Natascha Hasenauer das Problem eher in dem verschulten Studium. „Es gibt viel zu viele Pflichtfächer, die einem selbst sinnlos erscheinen. Dass man sie trotzdem belegen muss, demotiviert.“ Die Theologie- und Germanistikstudentin Julia macht ebenfalls die Einschränkungen durch das Modulsystem für die Studienabbrüche verantwortlich.

Große Erwartungen an den Bildungsgipfel

Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Foto: Fiegel

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, weißt auch auf die Eigenverantwortung der Studenten hin. Foto: Fiegel

Defizite in der Hochschulausbildung räumt auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, ein: „Ganz sicher müssen wir die Lehre und – allgemeiner noch die Studienbedingungen – verbessern. Gute Lehre und Beratung sind wichtige Einflussgrößen für den Studienerfolg“, so Wintermantel. Daher erwarte sie vom Bildungsgipfel am 10. Juni einen Qualitätspakt für die Lehre. Dieser könne unter anderem eine bessere Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Lernenden ermöglichen.

Margret Wintermantel betont aber auch, wie die Ruhr-Universitäten,  dass eine Eigenverantwortung bei den Studenten liegt. „Voraussetzungen aufseiten der Studierenden sind natürlich persönliche Fähigkeiten, Motivation und Anstrengungen“, sagt Wintermantel. Auch erwarte sie, dass sich Studierende und Abiturienten vorab „sorgfältig über die Anforderungen in einem Studienfach informieren“.

Verstärkung der Studienberatung

Eine „obligatorische Studienberatung vor der Aufnahme eines Studiums“ für jeden Studenten sieht auch der Deutsche Hochschulverband als Möglichkeit, Studienabbrüche zu vermeiden. „Offensichtlich unterschätzen viele den Aufwand, den ein Studium erfordert, und sind letztlich überfordert – oder auch zu wenig motiviert“, so der DHV. Daher müssten die Anstrengungen der Studienberatungseinrichtungen der Universitäten intensiviert und weiter professionalisiert werden, um Studenten vor der Studienwahl über den Verlauf des Studiums und die zu erbringenden Leistungen detailliert aufzuklären.

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