Im Tausch: Zimmer für Bildung

Imad Soliman mit einem der Kinder, die er bei dem Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“ unterstützt. Foto: Simon Hölscher

Duisburg-Marxloh ist im Ruhrgebiet ein bekanntes „Problemviertel“. Hier unterstützt Imad Soliman benachteiligte Kinder und bekommt dafür einen kostenlosen WG-Platz. Der pflichtlektüre hat er erzählt, was es mit diesem Tausch auf sich hat.*

Imad sitzt in einem großen hellen Raum, der sogenannten Tauschbar. An der Wand hängen Weltkarten und jede Menge Bilder, die Kinder gemalt haben. Die Räume sind eine Mischung aus einem Klassenzimmer und einem Raum zum Spielen. Um ihn herum sitzen sechs Flüchtlingskinder im Alter von sechs bis zehn Jahren. „Wir sind fertig für heute. Habt ihr Lust noch ein wenig zu spielen?“, fragt er in die Runde. Die Kinder nicken und rennen in den Garten. Imad ist Pate im  Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“. Mehrmals die Woche gibt er armen, geflüchteten und bildungsschwachen Kindern Deutschunterricht und kann dafür kostenlos in einer WG wohnen.

Normalerweise ist Imad Student. Er macht an der Universität Duisburg-Essen seinen Master in Wirtschaftsingenieurwesen. Am liebsten lernt er zuhause. Seine Studentenwohnung teilt er sich mit zwei Mitbewohnern. In dieser WG zahlen die Bewohner keine Miete. Finanziert wird das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“ mit Spenden. Damit konnte  Vereinsvorsitzende Christine Blekszwei Wohnungen in Duisburg-Marxloh kaufen, wo sechs der Paten nun wohnen dürfen.


Nachhilfe fürs Leben

Viele der Paten geben Nachhilfestunden oder unterstützen  bei Hausarbeiten.Imad spricht Arabisch, deshalb bringt er geflüchteten Kindern Deutsch bei. Die Kinder lernen so schon einige Worte der deutschen Sprache, bis sie einen Schulplatz bekommen. In der Tauschbar sollen die Kinder viel Deutsch sprechen. Das versuchen die Paten zumindest: „Wenn jemand noch nie Deutsch gesprochen hat, geht das natürlich schlecht“, sagt Imad. Zurzeit gibt es beispielsweise zwei Kinder, die nur Albanisch können . Mit ihnen verständigt Imad sich mit Händen und Füßen.

Ein Blick in die Tauschbar in Duisburg-Marxloh. Foto: Simon Hölscher

Den Paten ist es nicht nur wichtig, dass die Kinder gute Noten in der Schule schreiben und die deutsche Sprache lernen. Auch das Soziale soll gefördert werden. Deshalb spielt Imad nach einer Förderstunde mit den
Kindern und versucht sie bestmöglich zu integrieren: „Wir sagen immer: ´das ist Nachhilfe fürs Leben´“. Die Kleinen sollen Gleichaltrige kennenlernen und den Umgang miteinander üben.

Neben der Tauschbar nutzen die Kinder und Paten städtische und religiöse Einrichtungen, wie Moscheen, Kirchen, Sportplätze, Schulen, Turnhallen, die ihre Türen für die Teilnehmer des Projekts öffnen. Dafür erhalten diese lokalen Partner im Tausch Unterstützung bei ihren eigenen Aufgaben. Die Paten betreuen somit Kinder des Stadtteils und unterstützen gleichzeitig die Kooperationspartner bei ihren eigenen Kinder- und Jugendprojekten.

Das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“ ist  in Duisburg sehr bekannt und viel gefragt. Deshalb gibt es immer mehr sogenannte „externe Paten“, die sich auch ehrenamtlich engagieren, ohne einen kostenlosen WG-Platz zu bekommen. Die meisten kommen vier bis fünf Stunden in der Woche oder betreuen die Kinder am Wochenende. Die Altersklasse der Paten ist sehr durchmischt: „Das Klientel reicht von Leuten, die gerade mit der Schule fertig sind, bis hin zu Wolfgang, der
63 ist“, erzählt Imad.

Die Paten geben den Kindern Nachhilfe und Deutschunterricht. Darüberhinaus spielen sie mit ihnen und helfen bei der Integration. Foto: Simon Hölscher

Mögliche Expansion in andere Städte

Die Reaktionen von Kindern, Eltern und Lehrern sind ein großer Antrieb für die Paten. Kinder kommen zum Teil täglich, auch wenn sie keine Nachhilfestunde haben, sagt Imad: „Wir wollen so was wie ein Stadtteilwohnzimmer sein, jeder soll sich wohlfühlen.“ Und die Eltern sind natürlich dankbar, wenn ihre Kinder bessere Noten schreiben. Die Lehrerin einer Grundschule in Marxloh sagte einmal zu Imad: „Seit die Kinder zu euch kommen, haben sie einen aufrechteren Gang.“

Momentan bekommen über 70 Kinder in der Tauschbar Nachhilfe oder Deutschunterricht. Da mehr Kinder und Eltern unterstützt werden möchten, als Kapazität da ist, überlegen die Verantwortlichen sich zu vergrößern. Außerdem planen sie zu expandieren. Neben Duisburg-Marxloh sind auch noch andere Problemviertel, wie die Dortmunder Nordstadt, denkbar: „Wir wollen überall dahin gehen, wo es Bedarf gibt“, sagt Imad.

Er ist von dem Projekt und der Arbeit überzeugt. So sehr, dass er sich jetzt nicht mehr ganz sicher ist, wie er seine berufliche Zukunft gestalten wird. Am liebsten möchte er das Technische aus dem Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Sozialen verbinden. Deshalb überlegt er jetzt, wie er das Projekt und sein späteres Leben miteinander vereinen kann – zum Beispiel, in dem er  mit sozial schwachen Kindern technische Experimente durchführt.

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