Das Duell: Trauer und Mitleid auf Facebook

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Der plötzliche Tod des Londoner It-Girls Peaches Geldorf schockierte viele. Kaum kursierte die Meldung im Internet, bekundeten die ersten Fans und Freunde in sozialen Netzwerken ihre Trauer. In den ersten 24 Stunden verzeichnete die Facebook-Seite „R.I.P. Peaches Geldorf“ bereits mehr als 38.000 Likes. Doch was steckt tatsächlich hinter Trauer-Posts?

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Facebook-Posts sind eine besondere Form der Trauerbewältigung. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist das ein unschönes Gefühl. Wenn ein Star stirbt, den ich bewundere, aber nicht persönlich kenne, bestürzt mich das ebenso.

Mit Trauer geht jeder Mensch anders um. Der eine weint, die andere schweigt. Ein wieder anderer möchte über seine Gefühle reden. All das sind Formen der Trauerbewältigung. Auch Facebook-Posts können eine davon sein.

Facebook statt Selbsthilfegruppe

Verkünde ich meine Trauer der Netzgemeinde, erzeugt das Aufmerksamkeit. Manch einer braucht genau diese, um seine negativen Gefühle zu bewältigen.
Auch therapeutisch betrachtet scheinen Trauer-Posts eine zielführende Methode der Trauerbewältigung zu sein. Das erklärt zumindest die Internetseite Gedenkseiten.de. Zum einen schreiben sich Betroffene in dieser Form ihre  Gefühle von der Seele. Zum anderen finden sie so Zuspruch von weiteren Betroffenen.

Facebook-Posts können so beinahe die Funktion einer Selbsthilfegruppe einnehmen. Trauernde treffen sich auf Onlineplattformen, tauschen sich aus und beschäftigen sich produktiv mit dem Verlust eines wichtigen Menschens. In Zeiten, in denen ein Großteil der Kommunikation via Smartphone und Co abläuft, kann das eine Alternative zum herkömmlichen Gespräch Betroffener sein. Anders gesagt: Selbst, wenn meine gute Freundin weit entfernt von mir lebt, kann sie mir so in schweren Zeiten nach dem Tod von Oma Erna virtuell beistehen.

Plötzlich fehlt jemand

Dass viele Menschen auch offenen Anteil am Tod prominenter Personen zeigen, beweist ihre Bedeutung für sie. Die Stars sind durch ihre Medienpräsenz Teil des Lebens ihrer Fans. Plötzlich fehlt jemand. Wenn also berühmte Personen wie Peaches Geldorf oder Paul Walker sterben, tangiert das nicht nur unmittelbare Angehörige, sondern auch ihre Fans. Dass sie einander wahrscheinlich nie begegnet sind, spielt dabei keine Rolle. Ihre Trauer ist dennoch aufrichtig, wenngleich sie zunächst nur virtuell artikuliert wird.

Natürlich macht es einen Unterschied, ob ich jemandem persönlich mein Beileid aussprechen kann oder es auf seine Pinnwand schreibe. Dennoch können beide Varianten zeigen: „Mir geht der Verlust dieser Person nahe.“ Facebook ist dafür nur eine von vielen sozialen Plattformen. Ihre Betroffenheit können Internetnutzer sogar in extra geschaffenen Online-Kondolenzbüchern oder auf sogenannten Online-Friedhöfen ausdrücken. Das geschieht nicht nur nach dem Tod Prominenter, sondern häufig auch für die verstorbene Oma Erna. Ich halte das in den meisten Fällen für authentisch.Es ist egal, in welcher Form jemand seine Trauer artikuliert. Was zählt, sind Aufrichtigkeit und die Möglichkeit, den Verlust eines wichtigen Menschen zu verarbeiten. Das Medium spielt dabei keine Rolle.

 

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Ein kurzer Blick auf Facebook und ich weiß, dass Nelson Mandela, Peaches Geldof oder Morgan Freeman gestorben ist. Moment mal! Morgan Freeman? Der ist doch noch gar nicht tot? Nein, der ist quicklebendig und trotzdem gibt es seit 2012 eine „R.I.P. Morgan Freeman“-Seite auf Facebook.

Das sagt schon einiges über ernsthafte Trauer im Internet. Mag die Todesseite von Morgan Freeman auch als harmloser Scherz gemeint sein, so zeigt sie doch, wie schnell im sozialen Netz ehrliche Trauer ins Lächerliche gezogen wird.

 Promis betrauern, die man nicht kennt

Die „R.I.P.-Peaches Geldof“-Posts ähneln eher einer Eilmeldung von Online-Nachrichtendiensten als einer bestürzten Kundgebung. Wer den ersten Trauergruß postet, ist am besten und aktuellsten informiert.

Ob man den Tod von Stars überhaupt richtig betrauern kann, wird breit im Internet diskutiert. Denn „Ruhe in Frieden“-Wünsche auf Facebook betreffen in gefühlten 99 Prozent der Fälle Prominente. Ein „R.I.P. Erna Müller“ oder ähnliches liest man so gut wie nie. Das würde auch gar keinen Sinn machen, denn wer von den Facebook-Freunden weiß schon, dass die eigene Oma Erna Müller hieß. Und wenn keiner sich mit dem Post identifizieren kann, dann hilft einem das social-media-technisch überhaupt nicht weiter. Denn wenn jemand auf Facebook etwas postet, will er immer genau eines erreichen: Aufmerksamkeit. Und genau da liegt der Unterschied zwischen echter Trauer und Social-Media-Trauer. Wenn die Großmutter gestorben ist, braucht der Trauernde Ruhe und Zeit um mit dem Schmerz klarzukommen und ihn mit Familie und Freunden (und zwar nicht mit den 500 Virtuellen) zu teilen.

Wenn aber ein Promi besonders jung oder unter mysteriösen Umständen stirbt, ist das erst mal eine Sensation. Und verlangt Aufmerksamkeit. Aber echte Trauer drückt sich nicht in den vielen „R.I.P.“-Kommentaren aus. Ein Kürzel und ein Name reichen meiner Meinung nach gerade dazu aus, mitzuteilen, dass man den Tod einer Person registriert hat. Für einen Ausdruck echter Trauer, zeigt dieser 08/15 Post nicht genug Anteilnahme, wie man sie einer geliebten Person zukommen lassen würde.

Aus „Rest in Peace“ wird „Rot in Hell“

Trauerbekundungen auf Facebook sind dazu oft vielen hämischen, beleidigenden und unsensiblen Kommentaren ausgesetzt. Allein Peaches Geldof wird auf der „R.I.P.-Seite“ mit so üblen Worten beschimpft, dass man sie hier nicht wiederholen kann. Solche Kommentare, die bei jedem prominenten Fall zu finden sind, zeigen, dass Facebook einfach der falsche Ort für Trauer ist. Selbst wenn sie ernst gemeint ist – oder vielleicht gerade dann. Denn wenn man um einen geliebten Menschen trauert, erhofft man sich durch das Teilen der Trauer persönliche Linderung der Schmerzen und keine öffentliche, anonyme Anteilnahme. Genau deswegen ist echte Trauer auf Facebook nicht möglich.

 

das-duell-feeder Foto: stockxchng/bizior, Teaserfoto: S. Hofschlaeger / pixelio.de, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: Ich-und-Du /pixelio.de

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