Beine aus Stahl

Antman, der kleine fußballspielende Roboter, bereitet sich auf den nächsten internationalen Wettkampf „RoboCup“ vor.

Antman, der kleine fußballspielende Roboter, bereitet sich auf den nächsten internationalen Wettkampf „RoboCup“ vor.

Und Schuss! In den Laborhallen des Roboterinstituts an der TU Dortmund kicken kleine Roboter statt großer Menschen. Was verbirgt sich dahinter? Forschung für die Zukunft oder Verlust der Traditionen?

Ganz still steht er auf dem Tisch und stützt sich mit seinen langen Armen auf der Tischplatte ab. Er hat nur drei Finger an jeder Hand, fünf wären zu schwer für seinen Körper. Neben ihm steht ein Laptop mit komplizierten Formeln auf dem Bildschirm. Seine Ohren leuchten blau. Sein linkes Auge auch, das rechte grün. In der Haltung sieht es aus, als ob er ruht.

Plötzlich ein müdes Stöhnen. „Was war das?“, fragt Thorben Seeland. „Dem ist, glaube ich, langweilig“, sagt er und lacht. „Nein, der schaltet sich jetzt aus“, korrigiert ihn Ingmar Schwarz. Er ist „Antman“. So heißt der kleine Roboter. Antman ist ausgestreckt 57,4 Zentimeter groß. Er ist zwei Jahre alt, trotzdem hat er schon sehr viel geleistet – er ist Sportler. Profi ist er noch nicht wirklich, aber er trainiert hart, um einer zu werden. Antman will in den Profifußball, denn das ist seine Leidenschaft. Eigentlich ist er nur dafür geschaffen worden, Fußball zu spielen.

In den Laborhallen des Instituts für Roboterforschung (IRF) an der TU Dortmund ist Antman zu Hause. Hier wird er programmiert – von Informatik-Studierenden wie Thorben Seeland und wissenschaftlichen Mitarbeitern wie Ingmar Schwarz und Matthias Hofmann. „Die Arbeit ist anspruchsvoll, weil man kreative Lösungen finden und gleichzeitig die pure Logik der Programmiersprache verstehen muss“, sagt Matthias.

Antman hält sich fast immer in den Laborhallen auf, außer zu Spielzeiten. Im Juli geht es zum Beispiel mit der Dortmunder Mannschaft „Nao Devils“ nach Japan. Dort findet die Weltmeisterschaft der fußballspielenden Roboter statt, genannt RoboCup. Die Androiden agieren zwar grundsätzlich allein in einem Fußballspiel, weil sie per WLAN miteinander kommunizieren. Aber bevor sie das können, muss das Team aus Informatikerinnen und Informatikern einiges an Fleiß- und Geduldarbeit investieren.

Mensch gegen Roboter

Das Team hat ein großes Ziel: Antman und seine Mannschaft sollen den Nachfolge-Generationen das Fußballspielen beibringen. Denn 2050 soll es ein ganz besonderes Spiel geben: Menschen gegen menschengroße Roboter. Und diese Roboter sollen den dann amtierenden Fußballweltmeister schlagen. Der kleine Antman ist Versuchsobjekt, eines von vielen auf dem langen Weg dorthin. Auch wenn er bis zum großen Moment, bis 2050, überleben sollte, wird er selbst nicht mitspielen können. Das wäre nicht mehr seine Liga.

Die Informatiker bereiten sich jedes Jahr auf den RoboCup vor. Der Wettbewerb wird immer in einem anderen Land ausgerichtet. Das Team besteht aus rund 20 Studierenden. Thorben schreibt seine Diplomarbeit am IRF, Sebastian Hoser seine Bachelor-Arbeit. Beide sind begeistert von der Materie. „Es sind Roboter, die Fußball spielen!“, sagt Sebastian euphorisch. Außerdem macht sich die Roboterforschung auch gut im Lebenslauf, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter Matthias. Bei Unternehmen sei die Forschung mit fußballspielenden Roboter sehr beliebt.

Antmans verschiedenfarbige Augen haben eine besondere Funktion. Die Roboterforscherinnen und -forscher programmieren die Software so, dass sie mit den Maschinen spielen können. Sebastian erklärt: „Der Roboter zeigt mit seinem rechten Auge die Ballposition und mit seinem linken seine eigene Position oder Rolle an – blau heißt zum Beispiel Torwart.“

Außerdem müssen die Programmiererinnen und Programmierer den Roboter vorher so einstellen, dass er auf einen weißen Ball reagiert. Klingt einfach, ist manchmal aber schwierig umzusetzen, weil die Markierungslinien auf dem sechs mal neun Meter großen Feld auch weiß sind. Die „Nao Devils“ interpretieren viele Linien falsch. Es kann sein, dass sie einen Ball erkennen, wo keiner ist, oder dass sie keinen Ball sehen, wo sich eigentlich einer befindet.

Die Roboter merken sich nichts, sie haben (noch) kein Gedächtnis. Deswegen können sie nur mit der Kamera ihre Position steuern. Die Kamera ist auf der Stirn zwischen den Augen der Roboter angebracht. Häufig sehen sie dann nicht exakt genug. Vor ein paar Jahren war das noch einfacher, weil die Tore unterschiedliche Farben hatten. Die Roboter wussten: rotes Tor – hineinschießen, blaues Tor – fernbleiben. Schnell zu erkennen, auf welches Tor sie schießen müssen, ist jetzt schwieriger. Außerdem müssen sie sich besser auf dem Spielfeld orientieren können. Von Jahr zur Jahr werden die Regeln verändert, damit das Spiel anspruchsvoll bleibt, wenn die immer Technik besser wird.

Die „Adult Size“ ist zu schwer

Antman und seine Gefährten sind also weit entfernt vom Profifußball. Sie rennen momentan mit einer Geschwindigkeit von maximal 30 Zentimetern pro Sekunde. Die Geschwindigkeit hängt stark vom Ort und Untergrund auf dem Feld sowie vom Zustand der Roboter ab – das ist ähnlich wie bei Menschen, wenn zum Beispiel die Gelenke alt und abgenutzt sind. Anders ist jedoch: Menschliche Profifußballer können bis zu 830 Zentimeter pro Sekunde schnell laufen.

1997 gab es den ersten RoboCup und damit die ersten beiden Teams aus Robotern, die gegeneinander Fußball spielten. Entstanden ist der Wettbewerb aus einer Robotik-Konferenz. Experten betonen, dass 2050 die Maschinen den dann amtierenden Fußballweltmeister schlagen können. Die Forscher der TU halten das für gewagt – und äußern sich eher vorsichtig. „Das dürfte unwahrscheinlich sein“, schätzt Matthias. Es gibt zwar schon „adult size“- Roboter, erklärt er, die gehen Menschen ungefähr bis zur Brust oder zum Kinn. „Aber hier gab es in den vergangenen zehn Jahren keine großen Veränderungen.“ Sie seien noch immer zu schwer. „Wir müssen warten, bis die Hardware billiger und besser ist.“

Die kleinen „standard platform“-Roboter wie Antman sind wesentlich flinker. Sie können mehr, aber es ist teuer, sie weiter zu verbessern. Mitarbeiter Matthias sagt, für einen wirklich herausragenden Roboter müsse man eine gute halbe Million Euro investieren. Dem finanziellen Rahmen sei nach oben keine Grenze gesetzt. An der TU Dortmund kosten die Roboter zwischen 3500 und 4000 Euro. An anderen Instituten wird mehr Geld investiert, aber mit einem Spielfeld mit zwei Toren sind die „Nao Devils“ in Dortmund schon nicht schlecht aufgestellt. Obwohl die „standard platform“-Roboter damit vergleichsweise preiswert ausfallen, sind sie den großen überlegen. Mit menschlichen Fußballern können die halbmetergroßen Androiden jedoch noch lange nicht konkurrieren. Wenn die Maschine gegen den fast dreimal so großen Menschen gewinnen soll, muss bis 2050 also noch an vielen Stellen gefeilt werden. Kamera, Sensorik und Gelenke müssen als erstes optimiert werden, betont Matthias.

Das Ziel der internationalen Roboterforschung sei, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Man kann die Ergebnisse der Forschung im Bereich Fußball auf den Hausgebrauch oder die Mensch-Maschine-Interaktion anwenden, sagt Matthias. Im Hausgebrauch müsse sich der Roboter sehr präzise bewegen und besonders gut im Raum zurechtfinden können. Die Forscher müssen herausfinden, wie er antwortet und wie er sich in bestimmten Situationen verhält. Dazu brauchen sie nicht nur Wissen, sondern auch finanzielle Mittel. „Fußball ist interessanter für die Öffentlichkeit“, sagt Matthias. Wenn es ausschließlich um Haushaltsgebrauch oder Krankenpflege ginge, würde man nicht so einfach Sponsoren finden.

Fußball ist der Aufhänger, der das Projekt verkauft

„Fußball ist verbunden mit Emotionen, es ist etwas, was die Menschen verbindet, das ist ein Stück weit Kultur“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter. Der Roboterfußball würde den menschlichen Fußball nicht ersetzen. „Fußball ist der Aufhänger, der das Projekt verkauft“, meint er. Die Spiele beweisen das: „Es gibt immer sehr viele Fans und Zuschauer. In Brasilien beim RoboCup gab es sogar richtige Tribünen. Die Leute sind einfach begeistert, sie freuen sich, wenn die Roboter hinfallen und von allein wieder aufstehen, oder wenn sie den Ball richtig treffen. Es spielt eigentlich keine Rolle, wer gewinnt. Es ist ein freundschaftlicher Wettbewerb.“

Es gibt Simulationen, in denen die Roboter Elf gegen Elf spielen. Übersichtlicher ist es für die Forscher jedoch, wenn die Teams kleiner sind. Die Dortmunder Spieler spielen Fünf gegen Fünf. Manche Regeln sind analog zum Menschenfußball: Zum Beispiel ist es verboten, dass ein Spieler das Spielfeld verlässt. Einen Freistoß gibt es auf den kleinen Feldern aber nicht.

Auf dem Rasen ist grundsätzlich Fairplay angesagt. Aber es kommt schon vor, dass die Roboter mal gegeneinander laufen. „Wenn sie den anderen ein Beinchen stellen, machen sie das definitiv nicht mit Absicht“, erklärt Thorben. „Sie haben dann im Netz Linien oder in den weißen Linien einen Ball erkannt, den sie schießen wollten. Zack, liegt der Verteidiger auf dem Boden.“ Dieser Roboter wird bestraft: Er ist so programmiert, dass er sich für dreißig Sekunden gar nicht mehr bewegen kann. Dann fällt er einfach um und die menschlichen Helfer müssen eingreifen und ihn wieder aufstellen.

Der Jogi Löw der Roboter

Es gibt sogar einen Coach Robot – wenn auch noch nicht in Dortmund. Der Coach Robot ist der Jogi Löw der Mannschaft, weil er taktische Anwendungen übermittelt. Er steht auf einem Tisch außerhalb des Spielfeldes. Er kann Informationen lesen, die die Spieler auf dem Feld untereinander austauschen. Diese Codes können die Programmierer nicht entziffern; deswegen sind die Roboter so eingestellt, dass sie Informationen nach außen abgeben. Wenn die Programmierer die Ursache für ein Problem kennen, können sie es beheben. Der Coach Robot wird sie also nie ersetzen. Deshalb ist für sie Konzentration während des Spiels angesagt.

Die Arbeit während der RoboCups kann sehr anstrengend sein, mental und körperlich. Nicht, weil die Informatiker sehr viel rennen oder selbst Sport treiben würden, sondern weil sie mehrere Tage lang hoch konzentriert arbeiten und wenig schlafen. „Außerdem fiebern wir für unser Team mit“, sagt Matthias. „Das ist körperlich sehr fordernd, aber es ist kein Vergleich zum richtigen Fußball.“ Er kickt auch selbst auf dem Feld. Das Gefühl sei aber ähnlich, die emotionale Belastung beim Wettkampf trage zur Anstrengung bei. Emotionale Belastung heiße aber auch emotionale Verbundenheit.

Beim Programmieren in den Laborhallen des IRF an der TU Dortmund sind die Forscher entspannter als auf Wettkämpfen. Das Spielen mit Antman und seinem Team erfordert Konzentration, ist für alle aber auch eine Leidenschaft. Wenn Antman schießt, klatschen sie. Wenn er trifft, jubeln sie. Wenn er fällt, heben sie ihn wieder auf. Und wenn er sogar selbst wieder aufsteht, dann lachen alle.

Fotos: Thorben Lippert

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