Duell am Donnerstag: Nobelpreisverleihung – ehrenwert oder skandalös?

 

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Die Spannung steigt, wenn jedes Jahr im November nach und nach die Nobelpreisträger verkündet werden. An diesem Samstag, 10. Dezember, nehmen die Preisträger endlich die begehrte Wissenschaftsauszeichnung entgegen – bei einer großen Festgala in Stockholm. Aber ist der Nobelpreis wirklich eine ehrenwerte Auszeichnung für Spitzenforscher? Oder ein skandalträchtiger Preis, der so viel Anerkennung gar nicht verdient? Unsere Autoren diskutieren.

Spitzenförderung für Spitzenforschung

findet Lia Rodehorst

Für viele Fans der Wissenschaft ist er das Highlight des Jahres: Der Nobelpreis. Echte Fans fiebern während des Novembers mit, wenn nacheinander alle Preisträger verkündet werden. Bei der großen Festgala im Dezember trifft sich das „who’s who“ der Wissenschaften.

Dabei beruht der Nobelpreis auf einer Sache, die mit Feierlaune absolut nichts zu tun hat: Der Stifter des Preises, der schwedische Chemiker Alfred Nobel, hatte ein fürchterlich schlechtes Gewissen. Er hatte Mitte des 19. Jahrhunderts das Dynamit erfunden, unter anderem mithilfe von Experimenten in der Zeche Dorstfeld in Dortmund. Der Sprengstoff entwickelte sich schnell zum Erfolg, Nobel produzierte in über 90 Fabriken weltweit. Gedacht war er ursprünglich für den Ort, an dem er entwickelt worden war: Für Bergwerke, zum Sprengen neuer Stollen. Zu seinem Entsetzen musste Nobel mit ansehen, wie sein Exportschlager im Krieg zur Massenvernichtungswaffe wurde. Also stiftete Nobel mit seinem Vermögen den nach ihm benannten Preis – ein hervorragendes Beispiel dafür, wie ein Erbe sinnvoll eingesetzt werden kann.

Große Hilfe für die Wissenschaft

Heute erfüllt der Nobelpreis eine wichtige Funktion für die internationale Forschung: Der Nobelpreis gibt Presse. Wann findet sonst Grundlagenforschung auf der Titelseite statt? Zu keiner anderen Zeit des Jahres hätten Themen wie molekulare Maschinen eine Chance darauf, in den Tageszeitungen behandelt zu werden. Damit zeigt der Preis auch dem Normalbürger, wie spannend Forschung sein kann. Zugleich ist er eine Art Mahnung zu weniger Geiz: Mit gekappter Finanzierung hätte es keines dieser Projekte gegeben – in die Forschung zu investieren ist also sinnvoll.

Keine Universität oder andere Forschungseinrichtung kann so große und teure Forschung allein finanzieren. Sie benötigt Drittmittel, um ihre Angestellten zu bezahlen und Equipment anzuschaffen. Diese einzuwerben ist aber extrem schwierig. Ein Nobelpreis kann Impulse für neue Forschungsschwerpunkte setzen und ermöglicht es auch dem prämierten Experten, einfacher an Mittel zu kommen. Zwar ist auch der Preis selbst dotiert, die Summe ist aber zu gering, um große Projekte zu finanzieren. Da hilft der grute Ruf der Auszeichnung.

Kreativität und große Träume

Und dieser gute Ruf spornt an: Welcher Forscher träumt nicht insgeheim davon, den Preis in seinen Händen zu halten? Forschung braucht wie alle anderen Vorhaben ein Ziel, am besten ein Großes. Und der Nobelpreis kann ein großartiger Ansporn zu Großem sein. Zwar erhielten ihn im Laufe der Geschichte auch umstrittene Persönlichkeiten, diese Entscheidungen sind aber in einer anderen Zeit mit einer anderen Kultur getroffen worden.

Nicht zuletzt befördert der Nobelpreis auch die Kreativität: Nur so konnte es eine ebenso großartige wie spaßige Preisverleihung wie den Ig-Nobelpreis überhaupt geben. Eine Art Anti-Nobelpreis, der jedes Jahr mit viel Humor an Projekte verliehen wird, die besser nicht wiederholt werden sollten – also so etwas wie die goldene Himbeere der Wissenschaften.

Schafft den Nobelpreis ab!

findet Katja Engel

„Der Teufel hole den verfluchten Kram“, wetterte der rebellische Herman Hesse, als er 1946 den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte. Den er übrigens als „Klimbim“ bezeichnete. Es ist einer der ruhmreichsten Preise, der aber längst durch zahlreiche Skandale beschädigt ist. Im Komitee zur Vergabe des Preises 2016 für Medizin saß zum Beispiel ein Arzt, der ethisch und medizinisch fragwürdige Organtransplantationen zum Schaden der Patienten durchgeführt hat. Ein Scharlatan, gegen den inzwischen wegen fahrlässiger Tötung ermittelt wird.

Der Preis ist auch ein Schlag ins Gesicht aller forschenden Frauen. Über alle Preiskategorien hinweg liegt der Anteil der ausgezeichneten Frauen unter dem Alkoholgehalt von Bier bei 5%. Sind die forschenden Frauen so schlecht oder liegt es daran, dass nur ein bestimmter Personenkreis überhaupt einen Kandidaten vorschlagen darf? Das dürfen nämlich in erster Linie die ehemaligen Preisträger und das sind – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – zu 95% Männer.

Eine Jury ohne Moral

Die Frauen haben es also schwer und wenn sie dazu noch den falschen Mann lieben, umso schwerer. Marie Curie sollte sogar den zweiten Nobelpreis für Chemie zurückgeben. Grund: Sie hatte eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Der Skandal würde den Nobelpreis beschmutzen, so das Komitee. Kaum auszumalen, hätten diese Maßstäbe auch die Männer erfüllen sollen. 

Dafür dürfen die Preisträger ruhig Kriegswaffen entwickeln, so wie Fritz Haber im Ersten Weltkrieg. Haber entwickelte ein Giftgas und fuhr damals sogar persönlich an die Front, um sich von der Wirksamkeit seiner Massenvernichtungswaffe zu überzeugen. Dort konnte er direkt beobachten, wie die Menschen grausam und qualvoll starben. Haber wurde als „Vater des Giftgases“ bezeichnet, auch wenn er den Nobelpreis für Chemie 1918 letztlich nicht dafür, sondern für die Herstellung von Ammoniak für Dünger und Sprengstoff bekam. Die Vorgeschichte störte das Komitee zwar, man fand sie aber nicht so schlimm wie die Liaison von Marie Curie. Eine Preisvergabe, die „zum größten Nutzen der Menschen“ ausgerichtet sein soll, sieht anders aus.

Lieber in junge Forscher investieren!

Dass der Preis an Naturwissenschaftler aus sämtlichen Fachgebieten verliehen wird, aber nicht an Mathematiker, verwundert auch. Dabei ist der Grund trivial: Nobel war verliebt in eine Mathematikerin, die so berühmt war, dass sie ziemlich sicher den Preis für Mathemathik erhalten hätte. Die Frau gab ihm aber einen Korb. So rächte er sich und lies diese Kategorie einfach aus.

Der Nobelpreis ist von Anfang an madig gewesen. Die neuen und alten Skandale und sowie die wenig gewürdigten Frauen zeigen, dass er nicht zukunftsfähig ist. Besser wäre es, das ganze Geld vor allem an junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu verteilen und diese dann gemeinsam „zum größten Nutzen der Menschen“ forschen zu lassen. Bislang sehe ich fast nur greise Männer als Preisträger.

Hermann Hesse sah das Ganze letztendlich opportunistisch und nahm das Geld für den „Klimbim“ schließlich an. Aber zur offiziellen Verleihung ging er nicht – er blieb lieber zuhause.

das-duell-feederFoto: stockxchng/bizior, S. Hofschlaeger/pixelio.de, Montage: Schweigmann 
Teaserbild: flickr.com/Solis Invicti unter Verwendung der Creative Common Lizenz

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