Tropfsteine als Klima-Zeitzeugen

Langsam robbt sie auf ihrem Bauch immer weiter über den Steinboden. Stück für Stück kämpft sie sich vorwärts durch den engen Tunnelgang. Dana Riechelmann ist Höhlenforscherin und auf dem Weg zu ihrer Forschungsstation in der Bunkerhöhle in Iserlohn.

Viel Platz gibt es in der Höhle nicht

Viel Platz gibt es in der Höhle nicht, Foto: Maria Latos

Hier ist es dunkel, feucht und lehmig. Doch das kann Riechelmann nicht beeindrucken. Mit ihrem roten Overall, grünen Gummistiefeln, Handschuhen und Helm inklusive Kopflampe ist die Geologin gut ausgerüstet und bereit sich durch das Innere der Höhle zu arbeiten – mit einem Forschungsziel im Kopf.

Seit drei Jahren werden an den Tropfsteinen der Bunkerhöhle Messungen vorgenommen um Informationen über das Klima vergangener Jahre zu gewinnen. Riechelmann möchte die gewonnenen Daten der Untersuchungen, des so genannten Höhlen-Monitorings, für ihre Doktorarbeit an der Ruhr Universität Bochum verwenden.

Und schon ist sie im nächsten dunklen Loch verschwunden. Wendig schlängelt sich die große Frau durch die engen Gänge, Löcher und Felsspalten. Einmal im Monat macht sie das, um Messungen durchzuführen. Viele andere Menschen würden schon bei dem Gedanken an eine kleine Höhle Panikattacken bekommen, doch für Riechelmann ist die Tour durch die Höhle schon zur Routine geworden: „Am Anfang hatte es noch ein bisschen was von Abenteuer. Ich brauchte ein paar Mal, bis ich wusste, wie man wieder raus kommt. Aber später hat man seine Tour und spult die Messungen ab.“

Einen Zentimeter wächst ein Tropfstein im Schnitt in hundert Jahren

Sie kriecht aus der letzten Engpassage heraus und richtet sich auf. Der größere Raum bietet endlich wieder Platz zum Stehen und zur kurzen Verschnaufpause. Overall und Handschuhe sind nun mit Lehm verschmiert und der Helm auf Riechelmanns Kopf ist leicht verrutscht.

Im Licht der Kopflampe glitzern die Tropfsteine

Im Licht der Kopflampe glitzern die Tropfsteine, Foto: Maria Latos

Die Forscherin muss jetzt nur noch ein kleines Stück auf einen Felsvorsprung klettern, um in die Fotografenhalle zu gelangen. „Sie heißt so, weil es einer der schönsten Teile der Höhle ist. Hier ist reicher Tropfsteinschmuck drin – weiß, glitzernd und funkelnd, “ sagt die Doktorandin: „Manchmal sitze ich hier und schalte meine Kopflampe aus. Dann ist es ganz still und stockdunkel. Es ist sehr beruhigend.“

Im Licht der Kopflampen allerdings wirkt die Komposition der verschiedenen Tropfsteinformen fast künstlerisch. Große Tropfsteinsäulen verbinden Höhlenboden mit der Decke. Hunderte kleine, circa vier Zentimeter große Stalaktiten hängen von der Decke, wie ein Regen aus Eiszapfen. Am hinteren Ende der Fotografenhöhle befindet sich eine Sinterfahne: Ein Tropfstein in Form eines wehenden Segels. Mehrere Stalagmiten ragen aus dem Boden. Es sind fast schneeweiße Pfähle.

Die Daten über das Klima lassen sich an den Tropfsteinen ablesen

Genau an diesem künstlerischen Platz, 30 Meter unter der Erde, befindet sich auch eine von den sechs Forschungsstellen in der Bunkerhöhle. Die Forscherin krabbelt langsam zur Station. Sie darf nichts berühren, sonst sind die Messungen verloren.

Auf einer kleinen Plastikflasche befindet sich ein Trichter, mit welchem über einen Monat lang die Tropfen eines Stalaktiten, einem Tropfstein der von der Decke hängt, gesammelt werden. An dem Wasser werden dann pH-Wert- und Leitfähigkeitsmessungen der Mineralien durchgeführt, sowie Temperaturmessungen vorgenommen. Zudem werden die im Wasser gelösten Substanzen untersucht.

Forschungsstation auf einem Stalagmiten

Forschungsstation auf einem Stalagmiten, Foto: Maria Latos

Tropfsteine sind aus mineralischen Ablagerungen, so genanntem Kalzit, aufgebaut. Im Regenwasser, das über die Erde in die Höhle gelangt, sind mineralische Substanzen gelöst. Tropfen bilden sich an der Decke der Höhle und geben Kalkstein, also Kalzit ab. Dieser lagert sich in verschiedenen Schichten an und bildet den Tropfstein. Je nach Zusammensetzung des Regenwassers haben die Schichten verschiedene Farbkontraste. Bricht man einen Tropfstein ab, so lassen sich Schichten, vergleichbar mit den Ringen eines Baumes, erkennen.

Tropfsteine als Klima-Zeitzeugen

„Die konkreten Ziele sind das komplexe System Höhle besser zu verstehen: was passiert mit dem Regen, der über den Boden bis in die Höhle rein läuft? Und dann möchte ich auch herausfinden, was mit dem Kalzit geschieht, durch den die Tropfsteine entstehen, also vor allem, wie die Klimadaten in den Tropfsteinen gespeichert werden“, sagt Riechelmann

Durch die Wasser-Untersuchungen kann die Zusammensetzung der verschiedenen Substanzen in der obersten Schicht der Tropfsteine erstellt werden. Diese Erkenntnisse sind wichtig, um aus dem Kalzit Informationen über das Wetter zu gewinnen. Durch Analyse des derzeitigen Klimas aus den Kalzitschichten der Tropfsteine erhofft sich Riechelmann, Rückschlüsse auf das frühere Klima schließen zu können.

Die Analysen der Tropfsteine könnten aufgrund ihrer langsamen Entstehung Aussagen über Zeiträume von Jahrzehnten bis Jahrhunderten ermöglichen und wären somit präzise Zeitzeugen des Klimas. „Ich möchte also in erster Linie herausfinden, wie man Tropfsteine als Klimaarchiv verwenden kann“, sagt Riechelmann.

Nach vier Stunden in der Höhle kabbelt sie erschöpft und voller Lehm aus der kleinen Öffnung der Bunkerhöhle. In einem Monat wird sie wieder ins Dunkle herabsteigen.

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