Indie-Rocker Editors im Interview

Häuserreihe neben Häuserreihe, dichter Nebel überzieht die Großstadt, Laternen und Neonschriften tauchen die Straßen in ein dumpfes Licht, Menschen huschen durch die Gassen. Alles läuft automatisch, aneinander vorbei. Diese beklemmende Stimmung haben die Editors auf ihrem dritten Album „In this light and on this evening“ versucht einzufangen. Schlagzeuger Ed Lay und Gitarrist Chris Urbanowicz trafen sich vor dem Visions-Jubiläumskonzert mit Pflichtlektüre-Reporterin Miriam Otterbeck, um über ihre Zeit in Deutschland, die Entwicklung der Band und natürlich ihr neues Album zu sprechen.

Die vier Editors

Die vier Editor

pflichtlektüre: Wie kommt es, dass ihr eingeladen wurdet beim 20-jährigen Jubiläum des Musikmagazins Visions aufzutreten?
Ed Lay
(lacht): Ist es ein Jubiläumskonzert? Ach so, wir wurden also eingeladen auf einem Geburtstag zu spielen. Das ist gut. Ich weiß auch nicht. Es ist ein sehr etabliertes Magazin hier, nicht wahr? Also wohl eine große Ehre dafür angefragt zu werden. (Wirft einen Blick auf die Übersicht der Visions-Konzerte im Rahmen der Jubiläumstour.) Biffy Clyro haben also gestern hier gespielt. Wenn sie ne gute Zeit hier hatten, wir dann sicher auch.
Chris Urbanowicz: Ich hab Biffy Clyro letzte Woche in London gesehen. Sie waren echt gut.

Und wie gefällt euch Deutschland?
Ed:
Wir lieben es! Ich hab immer ne richtig gute Zeit, wenn wir hier sind. Ich freu mich schon auf die Konzerte, die wir dieses Jahr hier spielen. Los geht‘s nächste Woche. Wir kommen auch für Silvester hierher. Ich glaube, dass Deutschland richtig gut zu uns passt: ein super Publikum, das die Musik und was wir machen zu verstehen tut.
Chris: Wir spielen sogar sieben mal hier plus das Konzert heute Abend.

Merkt ihr Unterschiede beim Touren hier verglichen mit zu Hause in England?
Chris:
Wir fühlen uns immer etwas dicker hier. Bevor es auf die Bühne geht, essen wir Schnitzel und trinken ein paar Brinkhoff (lacht).

Kennengelernt habt ihr euch an der Uni in Staffordshire, wo ihr einen Abschluss in Musik-Technologie gemacht habt. Habt ihr später auch in dem Beruf gearbeitet?
Chris: Nein, wir hatten zwar erst geplant alle später in Musikstudios zu arbeiten, das hat aber nie so geklappt. Wir waren nicht wirklich gut da drin und es hat uns auch etwas gelangweilt. Also haben wir einfach eine Band gegründet. Wir haben dann jede freie Minute genutzt und die Möglichkeit das Studio zu benutzen, um unser erstes Album aufzunehmen.

Im Moment gibt es ja recht viele Indie-Bands. Was hebt euch von der Menge ab?
Ed:
Es gibt momentan so viel Musik und das meiste davon ist nicht besonders gut. Das einzige was in der Menge noch auffällt ist Musik, die richtig gut ist. Ich glaube allerdings nicht, dass Indie im Moment besonders angesagt ist, aber hoffentlich in der Zukunft mehr! Es wäre schön, wenn die Leute in den nächsten Monaten feststellen würden, dass die meiste Musik im Radio richtig schlecht ist.
Chris: Ich glaube auch, dass Pop und R ’n‘ B in England immer noch viel mehr im Trend sind.

Euer neues Album wurde von Mark Ellis produziert. Davor hat er mit Bands wie Nine Inch Nails, Placebo und Depeche Mode zusammen gearbeitet. Inwieweit hat Mark Ellis als Produzent den Sound auf dem Album beeinflusst?
Ed:
Wie haben uns eh schon in diese Richtung bewegt. Mit ihm war es einfacher unsere Ideen zu verwirklichen. Wir wollten es dunkel und beklemmend klingen lassen. Also einfach interessant. Seine Erfahrung ist aber natürlich viel Wert. Er hat mit den größten Bands auf der Welt zusammen gearbeitet und meiner Meinung einige der besten Alben produziert. Ihn an Bord zu kriegen war ein großer Coup.

Man könnte jetzt aber auch sagen, dass dieser elektronische Sound momentan besonders angesagt ist. Klingen die meisten Bands nicht immer mehr elektronisch?
Ed:
Wirklich? Ich glaube nicht.
Chris: Wir wollten nur mit auf den Zug aufspringen und viel Geld machen (lacht). Hat aber leider nicht geklappt. Ich kann dir gerne meinen Kontoauszug zeigen, viel ist da nicht drauf.

Die neue Editors-Scheibe "In This Light And On This Evening"

Die neue Editors-Scheibe "In This Light And On This Evening"

Neben dem Klang haben sich aber auch die Themen auf euren Alben verändert. Was sind die Hauptinhalte auf der neuen Platte?
Ed:
Dieses Album ist sehr urban und auch sehr industriell. Es fühlt sich sehr klaustrophobisch an – wie nachts in einer großen Stadt.

Geht es dabei hauptsächlich um London?
Ed:
Wenn man nur nach den Lyriks geht, dann ja. Tom (der Sänger der Editors) lebt in London und er schreibt die Texte. Viele Inspirationen für die Songs kommen also von Dingen, die er in London macht und sieht.
Chris: Wir haben aber nicht explizit die Atmosphäre von London versucht einzufangen, sondern die von Städten und die Zukunft von großen Städten.

Ein anderes Thema, das sich in vielen Songs widerfindet ist Gott bzw. die Nichtexistenz von Gott. Warum war das so wichtig für das Album?
Ed:
Ich glaube nicht, dass Tom die Absicht hatte ein anti-religiöses Album zu machen. Aber es ist auf jeden Fall ein interessantes Thema. Es gibt so viele Konflikte bedingt durch Religionen. Es betrifft also jeden in gewisser Weise. Er fühlte sich dadurch inspiriert. Es geht aber nicht darum, die Existenz Gottes komplett abzustreiten.

Es ist auf jeden Fall ein sehr düsteres Album.
Ed:
Dunkel ist für uns sehr interessant. Das Düstere ist es, was uns bewegt zu arbeiten und Songs zu schreiben. Wir könnten keine fröhlichen Songs schreiben, die die Menschen berühren.

Es ist also sehr dunkel aber nicht depressiv?
Ed:
Überhaupt nicht. Das Düstere ist ein Teil von jedem Element im Leben, ob gut oder schlecht.
Chris: Für mich ist es Spaß. Sind kranke Sachen nicht interessanter als fröhliche?

Ich habe gehört, dass ihr den Klang des Albums als “Terminator-Melodie“ beschreibt. Wie genau meint ihr das?
Ed:
Ja, wir beziehen uns auf dem Album auf verschiedene Filme. Es ist interessanter so auf seine Inspirationen zu verweisen als nur durch die Musik. Soundtracks sind toll! Die Metaphorik von Filmen wie Bladerunner oder Clockwork Orange ist spannend, brutal und interessant. Genau das versuchen wir in unsere Musik zu stecken.

Zwei Bandmitglieder leben in New York, die anderen noch in England. War so nicht schwer an dem Album zu arbeiten?
Ed:
Nein, es war ganz einfach. Die einfachste Platte an der wir bisher gearbeitet haben.
Chris: Wir kamen einfach alle in England zusammen. Jeder hatte viele Ideen, dann haben wir mehrere Wochen geprobt und aufgenommen. Genau wie bei den Alben davor.

Was können wir in der Zukunft von den Editors erwarten?
Ed:
Das wissen wir selber noch nicht. Schließlich haben wir gerade erst ein Album veröffentlicht und so noch keine Zeit gehabt über neue Sachen nachzudenken. Aber es gibt so viel in dieser elektronischen Welt zu entdecken. Wir versuchen auf jeden Fall das noch etwas tiefer zu ergründen. Aber ich denke es wird heavy. Heavy klingt gut. Man darf sich das aber nicht wie bei einem Kraftwerk-Konzert vorstellen. Wir sind eine Rockband und liefern auf jeden Fall eine Rockshow.
Chris: Wir sind auf jeden Fall an einem interessanten Punkt angekommen. Wir können Dance-Musik den nötigen Mumm geben. Was wir machen ist tanzbar, es ist elektronische Musik. Die meiste elektronische Musik wird allerdings von Leuten auf Kokain gemacht. Es geht also hauptsächlich um den Tanzfaktor dabei und nicht die Grundlage der Musik. Wir wollen diese Grundlage wieder zurück in die Musik bringen.

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