Wenn das Auto zum Fahrlehrer wird

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„Wenn ich groß bin, dann werde ich Erfinder!“ Viele Kinder träumen davon. Und tatsächlich wird das für einige Wissenschaftler an der TU Dortmund Wirklichkeit. Denn wo geforscht wird, entstehen auch Erfindungen. Ein Beispiel: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Martin Keller ist an der Entwicklung eines Notlenkassistenten für Autos beteiligt.

Mit 130 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn. Das Radio spielt ein Lied, das man nicht mag. Oder das Handy klingelt. Oder das Navi verlangt nach Bestätigung, dass es eine alternative Route um einen Stau herum berechnen soll.  Eine kurze Ablenkung vom Geschehen auf der Fahrbahn passiert schnell. Und im schlimmsten Fall ist der Stau, vor dem das Navi gewarnt hat, schneller da als man dachte: Man schaut wieder nach oben und droht, dem Vordermann hinten aufzufahren. Ein Horrorszenario, das schlimm enden kann. Und dann? 

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Martin Keller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik.

„Die meisten Fahrer beherrschen schon eine Notbremsung nicht, weil sie nicht schnell und fest genug auf das Bremspedal treten. Aber das Notausweichmanöver beherrschen sie erst recht nicht, das ist viel komplizierter, da muss man das Lenkrad schon ziemlich rumreißen“, sagt Martin Keller. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Regelungssystemtechnik an der TU Dortmund und maßgeblich an der Entwicklung eines Notlenkassistenten beteiligt. Das ist ein technisches System, das den Fahrer in genau so einer Situation unterstützen soll. Die Idee für diese Erfindung kam von dem US-amerikanischen Automobilzulieferer ZF TRW, dem Kooperationspartner des Projekts. Seit 2011 wird an der TU Dortmund daran gearbeitet.

Das Auto als Fahrlehrer im Notfall

Und so funktioniert das System: Wenn das Auto auf ein Hindernis zufährt, wird das von einem Radar-Sensor und einer Kamera erkannt. Dann wird fortlaufend ein Weg um das Hindernis herum berechnet. Je näher das Auto dem Hindernis kommt, desto kritischer wird die Situation – und der berechnete Weg wird immer stärker gekrümmt. Sobald der Fahrer ein Ausweichmanöver machen möchte, erkennt das System das, denn das Auto biegt in etwa auf den berechneten Weg ein.

Und dann beginnt das System mit seiner Assistenz: „Man spürt am Lenkrad eine Kraft, die sonst nicht da ist“, erklärt Martin Keller. Je stärker der Fahrer vom optimalen Weg abweicht, desto stärker bekommt er vom System die Rückmeldung, wie er besser lenken könnte. Außerdem kann parallel zu dem ganzen Vorgang auch noch gebremst werden, manuell oder ebenfalls per System. Das ist laut Keller normalerweise die Variante mit dem höchsten Potenzial, eine Kollision zu vermeiden – aber auch die technisch schwierigste.

Auch wenn das System vor allem aus rechtlichen Gründen lediglich als Assistent entwickelt wird, muss es technisch erst einmal vollautomatisch funktionieren können. Und so wird es auch zur besseren Demonstration auf Events und Messen vorgestellt, denn die zusätzlichen Lenkkräfte sind schlecht zu präsentieren. Dem breiten Publikum war es im vergangenen Jahr erstmals auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt am Main möglich, auf dem Beifahrersitz des Prototyps Platz zu nehmen. Und das sei gut angenommen worden, sagt Martin Keller: „Das ist halt recht spektakulär, wie eine Runde Karussell fahren.“ Im Jahr 2014 präsentierte der Zulieferer ZF TRW das System verschiedenen Autoherstellern bereits auf dem Hockenheimring:

Für viele sei es irritierend, wenn das Auto einem sagt, wo es gerne entlangfahren möchte, sagt Martin Keller. Das sei bei Studien im Fahrsimulator aufgefallen. „Aber wir haben auch festgestellt, dass viele Kollisionen vermieden werden können. Bei einem Sicherheitssystem tritt das Komfortdenken halt ein bisschen in den Hintergrund,“ erklärt Keller. Alle Unfälle könnten mit dem Notlenkassistenten zwar nicht verhindert werden. Denn der Fahrer muss das Manöver einleiten und kann die Hilfestellungen des Lenkrads auch ignorieren und einfach übersteuern. „Aber im Schnitt können wir die Unfallzahlen in solchen Situationen schon deutlich senken“, berichtet Martin Keller von den Studien. Ob und wann die Erfindung in Serie in Autos erhältlich sein wird, könne er allerdings noch nicht sagen.

Erfindungen an der TU Dortmund

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Fritz Krieger und Arjeta Gashi

Arbeitnehmer sind gesetzlich verpflichtet, Erfindungen ihrem Arbeitgeber zu melden. So auch die Wissenschaftler einer Hochschule. Die TU Dortmund hat dafür zwei feste Ansprechpartner: Fritz Krieger und Arjeta Gashi. Sie unterstützen die Wissenschaftler dabei, ihre Erfindung auf den Markt zu bringen. Und sie können auch die wichtigsten Fragen rund um Erfindungen beantworten:

 

Was ist eigentlich eine Erfindung?

Fritz Krieger: „Es gibt Kriterien, die eine Erfindung erfüllen muss. Sie muss neu sein, es darf sie in dieser Form noch nicht gegeben haben. Sie muss eine gewisse erfinderische Höhe haben. Und sie muss eine technische Grundlage haben, deswegen beschränkt sich das auf die naturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Bereiche, aus denen Erfindungen kommen.“

Und was ist ein Patent?

Fritz Krieger: „Es gibt dem Inhaber für eine gewisse Zeit eine Monopolstellung. Niemand anderes darf dann die Erfindung benutzen, herstellen oder verbreiten. Oft müssen Investitionen in hohem Maße getätigt werden und das macht man aus wirtschaftlichen Gründen eigentlich nur, wenn man weiß, dass man damit dann erst einmal alleine auf dem Markt steht.“

Wird man als Erfinder reich?

Arjeta Gashi: „Bis jetzt kann ich nicht davon sprechen, dass bei uns jemand Millionär geworden ist. Aber es hat sich schon der ein oder andere einen Neuwagen kaufen können. Die Hochschulwissenschaftler haben im Gegensatz zur freien Wirtschaft den Vorteil, dass sie 30 Prozent der Verwertungseinnahmen erhalten. Woanders bekommt man ein bis drei Prozent.“

Woher haben die Erfinder ihre Ideen?

Arjeta Gashi: „Das ist unterschiedlich. Es gab Fälle, wo der Erfinder gesagt hat, das war ein Zufall, eigentlich wollten wir das gar nicht so machen. Oder wo der Erfinder im Alltag ein Problem hatte und sich dann überlegt hat, wie er das mit möglichst wenig Aufwand lösen kann. Oft entstehen Erfindungen aber aus der kontinuierlichen Arbeit in Projekten und im Team.“

Wie viele Erfindungen werden an der TU Dortmund gemacht?

Arjeta Gashi: „Erfindungsmeldungen haben wir im Durchschnitt zwischen 25 und 30 pro Jahr. Und ungefähr zehn Erfindungen melden wir pro Jahr zum Patent an.“

Fritz Krieger: „Wir haben insgesamt einen Bestand von 70 Patentfamilien. Eine Patentfamilie besteht aus verschiedenen Patenten, die alle rund um eine Erfindung gerankt sind. Das ist ein Stand, der im Moment auch so bleibt. Wir haben jedes Jahr fast die gleiche Zahl von Patentierungen, die wir aufgeben, wie wir neue Anmeldungen machen.“

 

Teaser-/ Beitragsbild: ZF TRW, Portrait Martin Keller: Gabriele Rebbe, Portrait Fritz Krieger und Arjeta Gashi: Anne Palka.

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