Shias umweltfreundliche Rebellion

„Bitte ohne Alles. Ohne Serviette, ohne Papier unter der Tasse“, sagt Shia Su, als sie im veganen Café Bewitched in Dortmund ihren Kaffee bestellt. Die Bloggerin und ihr Mann Hanno leben Zero Waste – sie versuchen, keinen Müll zu produzieren. „Wenn ein Zuckertütchen dabei ist, geben wir das direkt zurück, dann kann es nochmal für jemand Anderen benutzt werden“, erzählt sie. Shia hat zwei Blogs: seit 2011 teilt sie auf Cake Invasion (http://cakeinvasion.de/) vegane Rezepte und Backtipps. Erst vor kurzem ging ihr Blog Wastelandrebel (http://wastelandrebel.com/de/) online, auf dem sie über ihre müllvermeidende Lebensweise berichtet. 

Shia bloggt über ihre zwei Leidenschaften: Veganes Backen und Umweltschutz. Foto: Shia Su

Shia bloggt über ihre zwei Leidenschaften: Veganes Backen und Umweltschutz. Foto: Shia Su

Zum Bloggen kam die Bochumerin über ihre Backleidenschaft: „Eigentlich wollte ich eine Rezeptsammlung, aber nur auf dem Rechner war das blöd. Ich hab dann gesehen, dass sich das bei Blogs mit Schlagwörtern und Kategorien ganz gut organisieren lässt. Natürlich waren die Rezepte damit auch öffentlich, und dann haben Leute meine Rezepte angesehen und kommentiert.“ Dass sie einmal über das Backen bloggen würde, hätte Shia sich vor einigen Jahren noch nicht vorstellen können. „Wenn man den Backofen bei meinen Eltern aufgemacht hat, standen da Töpfe und Pfannen drin. Bei uns wurde kaum Süßes genascht, zum Nachtisch gab es höchstens mal Obst. Cola war verboten!“

Vegane Rezeptkreationen

Dann brachte zu einer Studentenparty ein Kommilitone einen selbstgebackenen Kuchen mit – und der schmeckte ihr so gut, dass sie ihn unbedingt nachbacken wollte. Auch wenn das erst einmal gründlich schiefging, war Shias Backleidenschaft damit geweckt. „Gerade wenn man erst so spät zum Backen kommt wie ich, hält man sich am Anfang eng an die Rezepte“, erzählt sie. Irgendwann fing sie an, die Anleitungen abzuwandeln und ihre eigenen Rezepte zu entwickeln. Dies ging mit ihrer Entwicklung zur Veganerin einher: „Für eine ökologische Lebensweise habe ich mich schon immer interessiert. Ich habe über den Blog viele Tipps zum veganen Leben bekommen und viel Hilfe.“ Seit sie vor anderthalb Jahren nach Bochum zog, lebt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann komplett vegan. Vegan backt sie aber schon länger – nämlich seit 2011. Besonders Ei-Ersatz habe ihr oft Probleme bereitet – so begann sie, zu experimentieren und nach eigenen Alternativen zu suchen.

Heute backt Shia mehrmals die Woche und lässt eine wachsende Fangemeinde daran teilhaben. Das Bloggen nimmt pro Woche etwa 30 Stunden in Anspruch – denn von der Rezeptidee bis zum fertigen Blogeintrag ist es ein weiter Weg. Auch im Hintergrund fällt – für den Leser gar nicht sichtbar – eine Menge Arbeit an. „Von Mails und Kooperationsanfragen werde ich regelrecht überflutet. Ich kümmere mich sehr regelmäßig um die technischen und Design-Aspekte meines Blogs, um Austausch mit anderen Bloggern, um Recherche und Social Media und natürlich muss man auch den Überblick behalten, das heißt alles organisieren.“

Nachgebacken: Der „Nektarinen-Pfirsich-Kuchen mit Zimt und Ingwer mal Upside Down“ von Cake Invasion. Foto: Johanna Mack

Leben, ohne zu zerstören

Mit Wastelandrebel ist nun auch das zweite Thema online, dass sie beschäftigt – leben, ohne der Umwelt zu schaden. Den Ausschlag für das neue Projekt gab ein Beitrag über die Familie Johnson, die in den USA versucht, Zero Waste zu leben (https://youtu.be/7YkbEp7Dz_o). „Ich fühlte mich als hätte ich ein Brett vor dem Kopf gehabt. Ich dachte immer, ich würde schon umweltschonend leben. Aber man steckt im System fest. Man kauft recyclete Papiertaschentücher, die in Plastik eingepackt sind. Das ist alles nicht nötig.“ Die Umstellung auf Zero Waste ging auch für Shia und Hanno nicht von einem Tag auf den anderen. „Erst haben wir uns Zeit erkauft, mit einem Kaufstopp“, erklärt sie. Während dieser „Konsumdiät“ brauchten sie alle Vorräte auf und sahen sich gleichzeitig nach verpackungsfreien Alternativen für die Zukunft um. Die erste Erkenntnis: Man braucht viel weniger, als man denkt. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir mit den Alternativen besser klar kamen als mit den herkömmlichen Produkten und haben sogar angefangenes Shampoo, Zahnpasta oder Spülmittel verschenkt.“

Zero Verpackung, zero Verschwendung

Zero Waste umfasst das gesamte Leben: Statt unzählige verschiedene Putzmittel zu kaufen, verwenden sie inzwischen nur noch Essigessenz. Statt Shampoo, Duschgel, Seife kaufen sie nur noch Olivenölseife. Kleidung sollte möglichst Secondhand sein, auch bei Tauschpartys oder bei Kleiderkreisel werden sie fündig und schließen dort neue Kontakte. Wenn doch mal etwas neu gekauft werden muss, greifen sie auf Fairtrade zurück. Inzwischen gehen Shia und Hanno nur noch ungefähr zwei Mal die Woche frische Lebensmittel und alle sechs Wochen sonstige Vorräte einkaufen. Im Ruhrgebiet kommen sie damit gut zurecht, auch wenn es hier bisher keinen Unverpacktsupermarkt gibt. Einige vegane Läden oder Bioläden bieten unverpackte Lebensmittel aus Spendern an. Auch „Wir verbringen viel weniger Zeit zwischen Drogerie – oder Supermarktregalen“, erzählt Hanno. Er vermisst es nicht. Insgesamt sieht das Paar seine Lebensumstellung nicht als Verzicht. „Putzen, einkaufen, das alles braucht weniger Zeit. Und wir nehmen immer noch genauso am sozialen Leben teil wie vorher.“ Schwierig wird es nur manchmal, zum Beispiel wenn Familienmitglieder gut gemeinte Geschenke überreichen – mit Verpackung.

Dies ist der Müll, den Shia und Hanno in den letzten fünf Wochen produziert haben. Foto: Shia Su

Dies ist der Müll, den Shia und Hanno in den letzten fünf Wochen produziert haben. Foto: Shia Su

Schongang für den studentischen Geldbeutel

Mit Zero Waste spart man auch noch Geld. Unter anderem deshalb hält Shia es gerade auch für Studenten für praktisch. „Als Student ist man es ohnehin oft gewöhnt, zu sparen“, fügt Hanno hinzu. „Leute, die studiert haben, haben später oft gute Jobs und geben viel Geld aus, auch für unnötige Dinge. Man kann sich die umweltschonende Lebensweise in der Unizeit schonmal angewöhnen.“ Außerdem käme es ihnen nicht auf einen dogmatischen Verzicht an. „Einfach mal anfangen!“, sagt Shia. „An vielen Baustellen tut es gar nicht weh, etwas wegzulassen. Das ist wie beim PC-spielen – man kommt von einem Level zum nächsten.“ Wie dieses „Anfangen“ gelingen könnte, dazu gibt es viele Tipps auf Shias Blog. Wie weit Zero Waste bei ihr selbst inzwischen geht, zeigt ein Foto auf ihrem Handy. Darauf sieht man den Müll, den sie in den letzten fünf Wochen produziert hat: ein paar Kronkorken, ein Flaschendenkel, etwas Tesafilm, Reste einer Schuheinlage. Das ist alles.

Den Brownie im Bewitched probiert sie mit leichtem Misstrauen. „Der schmeckt fast wie meiner…“ Ganz abwegig ist das nicht, denn es ist schon vorgekommen, dass Cafés Rezepte von Cake Invasion nachgebacken haben. So hat sie von der Chefin des Bochumer Cafés Kugelpudel gehört, dass dort einige ihrer Kreationen verkauft würden. Vor kurzem entdeckte Shia in der Vitrine ein Bananenbrot nach einem ihrer eigenen Lieblingsrezepte.

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