Studiengebühren auf der Kippe

Teil 3: Wirtschaftsprofessor Stefan Winters hält Studiengebühren für sozial gerecht.

Von Anna Hückelheim

Stefan Winter, Wirtschaftsprofessor der RUB, sieht viele Nachteile in einem kostenlosen Studium.

Stefan Winter, Wirtschaftsprofessor der RUB, sieht viele Nachteile in einem kostenlosen Studium. Foto: Anna Hückelheim

„Stellung beziehen und einen Beitrag zur Diskussion leisten“, das war das Ziel Stefan Winters, Wirtschaftsprofessor an der Ruhr-Universität Bochum, und seiner Kollegen der Wirtschaftsfakultät als sie das Thesenpapier „Studiengebühren – eine Bewertung der Effizienz und Gerechtigkeitswirkung“ erstellten. In ihm beleuchten sie Beiträge aus der rein ökonomischen Perspektive und kommen zu dem Ergebnis: „Studiengebühren sind sozial gerecht und geboten.“ Ihr Fazit stützen die Wirtschaftswissenschaftler der RUB sowohl auf volks- als auch auf betriebswirtschaftliche Argumente. So heißt es in ihrem Thesenpapier unter anderem, dass die Abschaffung der Studiengebühren zu einer „Umverteilung von unten nach oben“ führe. Eine kostenlose Hochschulausbildung werde komplett über das allgemeine Steueraufkommen finanziert. Dadurch würden diejenigen, die nicht studieren und durchschnittlich ein niedrigeres Lebenseinkommen haben, andere indirekt subventionieren, die durch ein Studium bessere Verdienstmöglichkeiten haben.

Neues Kreditsystem gefordert

Eine weitere Folge eines kostenlosen Studiums sehe Professor Stefan Winter darin, dass die deutsche  Solidargemeinschaft Gefahr laufe, die Ausbildung vieler Studenten zu finanzieren, ohne für diese Leistung etwas zurückzubekommen. Grund dieser Annahme sei die derzeit bereits stattfindende Abwanderung vieler deutscher Mediziner nach England oder in eines der skandinavischen Länder aufgrund höherer Verdienstmöglichkeiten. Ist das Medizinstudium also kostenlos „lassen sich die Studenten ihre Ausbildung vom Staat schenken und verschwinden anschließend“, ohne einen Teil ihrer Ausbildungskosten über die Steuern zurückzuerstatten. International gesehen kämen zudem Menschen aus dem Ausland, um in Deutschland von dem kostenlosen Studium zu profitieren. Doch Arbeit suchen auch sie sich in Ländern, in denen es sich für sie finanziell mehr lohnt.

Ohne Studiengebühren: Zahltag für den Staat. Foto: Margot Kessler, pixelio.de

Ohne Studiengebühren: Zahltag für den Staat. Foto: Margot Kessler, pixelio.de

Die Wirtschaftswissenschaftler der RUB haben aber auch erkannt, dass bei der momentanen Situation die Gebühren sehr abschreckend auf Studierwillige wirken. „Der Erhalt der Studiengebühren ist notwendig, doch nur sinnvoll in Verbindung mit einem staatlichen, einkommensabhängigen Kreditsystem“, so Stefan Winter. Hinter dieser Forderung steckt das Konzept, dass jeder, der studierfähig ist, einen Kredit genehmigt bekommt, dessen Raten sich nach dem späteren Einkommen richten. Eine Einkommensfreigrenze soll zudem Studierte, die eine gewisse Einkommenshöhe nicht erreichen, von ihren Rückzahlungen befreien und Abiturienten somit die Angst nehmen, später auf den Ausbildungsschulden sitzen zu bleiben. „Ein einkommensabhängiges Kreditsystem ermöglicht zudem die Sicherstellung der Kostendeckung für die Ausbildung, da es sich hierbei um ein individuelles Vertragsverhältnis handelt“, sagt Stefan Winter. Dadurch fände die Kreditrückzahlung auch statt, sollte der Ausgebildete sein Berufsglück im Ausland suchen.

Fehlende Gerechtigkeit

Werden die Gebühren bei einer neuen Landesregierung abgeschafft, finanzieren sich die Hochschulen ausschließlichen über das Steuersystem. Die Verteilung des von der Politik zugeteilten Budgets auf die einzelnen Fakultäten wäre Aufgabe der Universitätsleiter. „Die Leiter richten sich dabei jedoch häufig nach ihren persönlichen Interessen“, sagt Stefan Winter. Die Folge sei eine Missverteilung der Gelder, so dass einige Vorlesungen aus feuerschutzrechtlichen Gründen abgesagt werden müssten, da Studenten Treppen zu Sitzplätzen umfunktionierten. Gleichzeitig fielen andere Seminare wegen fehlender Anmeldungen aus. „Gibt es Studiengebühren, dann fließt das Geld an die Fakultät, an der der Student auch tatsächlich studiert“, so Winter. Dabei könne eine individuelle Förderung denjenigen den Hochschulzugang ermöglichen, die sich die Studiengebühren ansonsten nicht leisten könnten. Die Hauptforderung der Gebührengegner nach Gerechtigkeit greift auch das Thesenpapier auf, gibt ihr jedoch einen ganz anderen Dreh und lässt die Frage aufkommen: „Wer unterstützt denn eigentlich diejenigen, die sich gegen ein Studium entscheiden?“

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