Duell am Donnerstag: Gehören Retortenklubs in den Profifußball?

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In der Fußballbundesliga streiten sich drei deutsche Traditionsklubs um den Relegationsplatz, als wäre er die Meisterschaft. Das Gegenmodell befindet sich auf dem Durchmarsch: RB Leipzig. Mit Millionen des Konzerns Red Bull gefüttert, schaffte der erst 2009 gegründete Verein jetzt den Sprung in die 2. Liga. Autor Philipp Rentsch meint, dass Leipzig den Fußball-Osten durch nachhaltige Investitionen aufblühen lässt. Autor Johannes Hülstrung sieht die Rolle von Traditionsklubs in Gefahr und befürchtet, dass Investoren den Sport in den Hintergrund drängen. Gehören Retortenklubs wie RB Leipzig in den Profifußball?

Nein!

Der Höhenflug von RasenBallsport Leipzig, so der offizielle Name, ist leicht zu erklären: Red Bull verleiht Flügel. Wobei die Flügel in diesem Fall aus Banknoten bestehen. Der Limonadenhersteller aus Fuschl am See investiert Millionen in den Klub. Die 2. Liga ist nur als Zwischenstation geplant, denn Red Bull um Firmengründer Dietrich Mateschitz gibt als langfristiges Ziel den Aufstieg in die Bundesliga vor.

Echte Fans sind nicht käuflich

Dass sportlicher Erfolg käuflich ist, hat RB gezeigt – echte Fans aber sind es nicht. Wie soll man auch Emotionen für einen Verein entwickeln, der nur das Image-Produkt eines Unternehmens ist? Doch Anhänger sind dem Verein ohnehin nicht so wichtig: Der Jahresbeitrag für eine Mitgliedschaft beträgt satte 800 Euro plus 100 Euro Aufnahmegebühr. Die 44.345 Plätze fassende Red Bull Arena war bei einem Spiel des RB Leipzig noch nie ausverkauft.

Konzern-Spielzeug

Als einzige der europäischen Topligen wird die Bundesliga nicht von Investoren dominiert – und das soll so bleiben, auch wenn Fußball und Wirtschaft seit Jahrzehnten miteinander verknüpft sind. Alle Bundesligaklubs haben millionenschwere Verträge mit Sponsoren. Doch RB Leipzig ist Mateschitz’ Spielzeug, und zwar nur eines von vielen. Red Bull besitzt Fußballvereine in aller Welt und ist außerdem im Eishockey, Motorsport und als Sponsor einzelner Sportler tätig.

Die Attraktivität des Spielzeugs könnte rasch abnehmen. Prominentes Negativbeispiel ist der FC Málaga. 2012 gab der damalige Klubeigentümer nach nur zwei Jahren und Investitionen von etwa 150 Millionen Euro auf, der Ausverkauf von Topstars und eine Europapokalsperre aufgrund Verstoßes gegen das Financial Fair Play folgten.

Keine Fußball-Wunder aus der Retorte

Natürlich berechtigt Tradition allein nicht zum Verbleib in der höchsten deutschen Spielklasse. Die Abstiegskandidaten, darunter der Bundesliga-Dino HSV, zeigten sich in den letzten Wochen erschreckend schwach und alles andere als erstligareif. Doch mit Köln rückt der nächste Traditionsklub nach. Und Paderborn steht trotz Mini-Etat kurz vor dem ersten Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte. RB Leipzigs Durchmarsch von der Oberliga bis in die 2. Liga dagegen ist von Red Bull finanziert. Mit einem Fußball-Wunder wie bei Paderborn ist das nicht zu vergleichen. Als Retortenklub, der sich seine Erstklassigkeit zu erkaufen versucht, hat RB im deutschen Profifußball nichts zu suchen.

 

Ja!

Der Standpunkt vieler Fußballfans ist klar: „Tradition kann man sich nicht kaufen.“ Und genau deshalb wettern Anhänger etablierter Vereine seit einigen Jahren massiv gegen den Emporkömmling aus Leipzig. Es ist eine emotionale, oft wenig sachliche Diskussion.

Erfolgreicher Klub

Deshalb kommen die Leistungen von RB Leipzig bei der Betrachtung viel zu kurz. Investor Dietrich Mateschitz mit seinem „RedBull“-Konzern ist mit dem Ziel angetreten, nachhaltig zu investieren. Schon nach kurzer Zeit sind große Erfolge zu verzeichnen. Der arg gebeutelte Fußball-Osten blüht endlich wieder auf. Ohne RB gäbe es keine Perspektive, mittelfristig einen Erstligisten zu stellen. Darüber hinaus investiert RB in ein Nachwuchszentrum, das in den neuen Bundesländern seinesgleichen sucht – und bietet damit große Chancen für viele talentierte Nachwuchskicker.

Leipzig ist kein Ausnahmefall

Ohnehin ist die Kritik an RB scheinheilig. Der Fußball kommerzialisiert sich seit Jahrzehnten immer weiter. RB ist nur ein kleiner Mosaikstein im System. Denn wer das Leipziger Projekt kritisiert, muss konsequenterweise auch die Arbeit von Mitaufsteiger Heidenheim infrage stellen. Oder weshalb etwa steht der „Provinz-Klub“ plötzlich in Liga zwei? Auch hier fließt reichlich Geld – nur noch nicht so auffallend wie in Leipzig. 

Fakt ist, dass mittlerweile viele Profivereine nur deshalb alljährlich die Lizenz-Anforderungen für die Bundesligen erfüllen können, weil es Investoren gibt. Die Unterschiede zwischen einem starken Mann an der Spitze oder einem Großsponsor sind im Endeffekt ohnehin marginal.

Die Stadt feiert das Comeback 

Was am Ende zählt, ist schließlich sportliche Attraktivität. Und trotz erst entstehender Fanszene ist der Zuspruch in Leipzig riesengroß: Die Menschen in der Mutterstadt des Deutschen Fußball-Bundes und des ersten deutschen Meisters lechzen nach großen Spielen; selbst in der 3. Liga stellte RB eine Saisonbestmarke nach der anderen auf. Werte, von denen viele Bundesligisten früherer Zeit heute nur träumen. Es zeigt: Von Tradition kann man sich eben nichts kaufen.

 

 

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Foto: stockxchng/bizior, Montage: Steinborn/Schweigmann 

Teaserfoto: Carsten Schulte

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