Arbeiten mit Ablaufdatum

Trotz Arbeit gab’s kein Geld

Hannah Rosenbaum kennt das nur allzu gut. Sie wurde im Frühjahr gar nicht mehr für ihre Arbeit bezahlt. Als wissenschaftliche Hilfskraft arbeitet sie in der Fakultät der anorganischen Chemie der Technischen Universität Dortmund. Ihre Verträge haben sogar nur eine Laufzeit von drei Monaten. Das bedeutet, sie muss jedes Quartal aufs Neue um einen Arbeitsvertrag bangen. Auch organisatorisch eine Herausforderung, nicht nur für Hannah und ihre Kollegen, sondern auch für die Universität. Wenn es mit dem Vertrag mal nicht rechtzeitig klappt, „dann hat man halt drei Monate einen Job, drei Monate keinen Job und dann drei Monate wieder einen“, erklärt sie.

Hannah Rosenbaum wurde trotz Arbeit nicht bezahlt (Foto: Jana Wagner)

Hannah Rosenbaum wurde trotz Arbeit nicht bezahlt. (Foto: Jana Wagner)

Wie Hannah ging es Tausenden wissenschaftlichen Hilfskräften in NRW. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) hatte ein neues Bezügeabrechnungssystem eingeführt. Und die Hilfskräfte, die seit April einen neuen Vertrag erhalten haben, mussten erst im System erfasst werden. Bis dahin hieß es: Warten auf den Lohn. Hannah bekam schließlich aber Hilfe von der Universität in Form einer Notauszahlung. Eine Summe von neunzig Euro wurde ihr überwiesen. Allerdings nicht genug, um die Miete zu zahlen und davon zu leben. Daher mussten Alternativen her. „Ich habe meine Eltern gefragt, ob sie mir aushelfen“, sagt Hannah. Inzwischen wurde ihr Gehalt rückwirkend ausgezahlt.

Für Andreas Keller von der GEW ist dieser Zwischenfall trotzdem bezeichnend: „Es ist blamabel für die Hochschulen und folgenschwer für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Gerade in NRW haben die Hochschulen lautstark nach Eigenverantwortung auch in Personalfragen gerufen, nun zeigt sich, dass sie damit überfordert sind. Das Land sollte daher den Hochschulen die Arbeitgeberfunktion wieder entziehen, hochschulpolitische Experimente dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.“ Die Technische Universität Dortmund wollte sich zu diesem Vorfall nicht äußern.

“Es ist keine Schande, für die eigenen Interessen zu kämpfen.“

In jeder anderen Branche wäre bei einem solchen Fauxpas der öffentliche und politische Aufschrei wohl groß gewesen. Aus diesem Grund setzt sich Andreas Keller seit Jahren nicht nur für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen wissenschaftlicher Mitarbeiter ein, sondern will die Problematik auch an die Öffentlichkeit tragen. Nach nunmehr sieben Jahren wird das Problem laut Keller endlich wahrgenommen: „Erfreulich ist, dass nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch die Bundesregierung die Probleme nicht mehr leugnet, sondern Reformen in Aussicht stellt.“

Diese Aufmerksamkeit der Politik gab es aufgrund der mangelnden öffentlichen Diskussion nicht immer. Auch Alice Klausmeyer empfindet das als großes Problem: „Missstände in der Gesetzgebung gibt es überall, aber da wird ja in der Regel dann drauf aufmerksam gemacht. Es wird gestreikt, es wird die Arbeit niedergelegt, es wird verhandelt, aber dieses Problem kennen die meisten gar nicht.“

Sie selbst hat Glück im Unglück. Wenn sie 2017 zum letzten Mal in den Feierabend geht, wird sie nicht nach einer neuen Stelle suchen. „Ich würde dann familienintern unterkommen“, erklärt sie. Diese Möglichkeit haben aber nur die Wenigsten, wie sie weiß: „Beispielsweise ein Familienvater als Ernährer, der dann mit Mitte vierzig ohne Arbeit dasteht; das ist völlig indiskutabel.“ Für die Zukunft ihres Berufsstandes wünscht sie sich vor allem eines: „Ich hoffe, dass irgendwann einmal dieser Missstand publik gemacht und dann auch mal darüber diskutiert wird, damit sich da was ändert.“

Die Zukunft der Mitarbeiter liegt in deren eigenen Händen, der Meinung ist auch Andreas Keller. Ob sich künftig die Situation verbessert? „Das hängt letztlich davon ab, ob sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler endlich engagieren und organisieren“, so Keller. „Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen erkennen: Es ist keine Schande, sondern im demokratischen Rechtsstaat ganz normal, für die eigenen Interessen zu kämpfen.“

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