Damit Flüchtlinge, die in Deutschland ankommen, Fuß fassen können, brauchen sie vor allem eins: Deutschkenntnisse. Deutsch ist der Schlüssel zu Praktika, Ausbildungsplätzen oder Studium. Da viele Flüchtlinge wegen überlasteter Ämter lange auf einen offiziellen Sprachkurs warten müssen, sind sie auf ehrenamtliche Hilfe angewiesen. Um Flüchtlingskindern den Start ins deutsche Schulleben zu erleichtern, engagieren sich Lehramtsstudierende der TU in einem Sprachcamp. Germanistikdozent Dr. Erkan Özdil betreut das Projekt.
pflichtlektüre: In welcher Form engagieren Sie sich für die Deutschförderung von Flüchtlingskindern?
Dr. Erkan Özdil: Die Initiative sieht vor, dass 20 Flüchtlingskinder, die auf drei verschiedene Wittener Schulen in Regelklassen verteilt sind, in den Herbstferien nicht auf das Deutschlernen verzichten brauchen. Sie können die Ferien für eine intensive Sprachförderung nutzen. Die Förderung findet als „Ferien-Sprachcamp“ in der Holzmann Gesamtschule Witten statt. Da die Kinder bereits in den Sommerferien ein ähnliches Sprachcamp besucht und dort schon basale Sprachkenntnisse erworben haben, geht es in den Herbstferien mehr um schriftliche Fertigkeiten, ohne die weitere Wortschatzentwicklung und den Ausbau der kommunikativen Fertigkeiten zu vernachlässigen.
Geschieht das im Rahmen eines Seminars?
Nein, die Anfrage kam zu kurzfristig, als dass ich die Initiative an ein Seminar koppeln konnte. Aber sollte das Vorhaben im nächsten Jahr wiederholt werden, könnte ich mir vorstellen, es an ein Seminar zu koppeln. Die Teilnahme an der Sprachförderung wäre aber dennoch freiwillig.
Wie viele Studierende sind beteiligt?
Bisher haben sich aus meinen Seminaren des vergangenen Semesters 14 Studierende gemeldet.
Wie ist die Idee entstanden und wie wird sie umgesetzt? Wie soll die deutsche Sprache in dem Camp vermittelt werden?
An der Idee selbst war ich nicht beteiligt. Die Initiative kam von den betroffenen weiterführenden Schulen in Witten und der Solidarfonds Stiftung NRW, die neben der ideellen auch für die finanzielle Unterstützung sorgt. Aufgrund einer Empfehlung wurde ich von den Initiatoren angefragt. Ich trage zur Initiative bei, indem ich den Rahmenplan konzipiert habe und die Studierenden für die Umsetzung dessen vorbereite, soweit es in der vorlesungsfreien Zeit möglich ist.
Die Studierenden setzen den von mir aufgestellten Lehrplan um. In ihm sind die zu behandelnden Themen festgelegt. Die Studierenden können sich verschiedene Methoden aussuchen, um diese Themen zu bearbeiten zu lassen. So zum Beispiel durch Spiele wie Activity und Tabu, szenische Darstellungen, Gestaltung einer Kochsendung, Sprachspiele, spielerische Aktivitäten und das Bearbeiten von Arbeitsblättern wechseln sich einander ab. Auch sind außerschulische Lernorte, wie ein Bibliotheksbesuch, ein Stadtrundgang und Spaziergänge in nahe gelegene Parks und Wälder geplant. Das Spielerische steht zwar im Vordergrund, aber das Gelernte wird auch schriftlich dokumentiert. So führen alle Kinder ein „Camp-Tagebuch“, in das sie jeden Tag das Gelernte und auch das noch zu Lernende aufschreiben, so dass sie am Ende der Ferien sehen können, wie ihre Lernentwicklung vorangeschritten ist.
Welchen Nutzen ziehen die Studierenden aus diesem Projekt?
Die Studierenden haben die Gelegenheit, in meinen Seminaren gelernte Inhalte in die Praxis umzusetzen. Gleichzeitig sammeln sie Erfahrungen mit sogenannten Seiteneinsteigern, die ihnen für ihre spätere Berufspraxis als Lehrerin und Lehrer von Nutzen sein können. Darüber hinaus bekommen sie am Ende des Ferien-Sprachcamps ein Zeugnis ausgestellt, in dem ihre Tätigkeit dokumentiert ist und das für spätere Bewerbungen von Vorteil sein kann.
Warum ist es wichtig, dass sich gerade eine Universität für Flüchtlinge einsetzt?
Universitäten haben in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert, weil sie als Forschungs- und Lehrinstitutionen an der Gestaltung und dem Fortschritt der Gesellschaft beteiligt sind. Der Wissenschaftsbetrieb ist gleichzeitig international, in diesem Sinne kennt die Wissenschaft keine Grenzen. Wenn Menschen aus anderen Teilen der Erde vor Verfolgung, Hunger und Krieg zu uns nach Deutschland fliehen, kann eine Universität ihr Know-how und das ihrer engagierten Studierenden für die anfallenden Probleme, wie in unserem Fall die sprachliche Eingliederung in der Schule, zur Verfügung stellen. Dies ist ein aktiver Beitrag, der den Bedürftigen unmittelbar zugute kommt.