Saftmatsch macht mich fertig

Susi

Kolumnistin Susanne Romanowski hat keinen Bock auf flüssiges Gemüse. Montage: Helena Brinkmann

Ob Poetry-Invasion oder die hippesten Hipster-Klamotten – über Kunst, Lifestyle, Mode und Kultur lässt sich gut das Maul zerreißen. Ein chronischer Maulzerreißer ist der Breitmaulfrosch, der in dieser Kolumne merkwürdige Trends aufs Korn – und dabei kein Seerosenblatt vor den Mund nimmt. Heute: Grüne Smoothies. Rucolamatsch im tropischen Fruchtdrink – nicht bloß eine verrückte Saftkreation, sondern ein Dogma der Lebensmittelindustrie. Der Breitmaulfrosch fragt sich, wo der entspannte ACE-Saft aus der Kindheit abgeblieben ist.

Mein Vertrauen in die Lebensmittelindustrie ist am Boden. Genau da gehört es hin, höre ich den Rest der Welt sagen, aber so einfach ist das nicht. Nestlé ist böse, klar, Monsanto ohnehin der Satan im Saatgut. Aber dann gibt es diesen supernetten Saftladen, der mir plötzlich olles Gartengemüse als the next big thing verkaufen will. Online stellt sich der Smoothiehersteller übrigens mit „hallo. wir sind innocent“ vor. Ganz schön perfide.

Smoothiehersteller wie „Innocent“ und „True Fruits“ sind hip, auf meiner Wellenlänge. Sie stehen für frisches, bequemes Obst und sind dabei immer ein ironisches Augenzwinkern von ungewaschenen Hippies und Spießbürgertum entfernt. Zumindest dachte ich das. Bis sie anfingen, mir die Kinderschrecken Spinat und Rote Bete in meine tropischen Säfte zu mixen. Aus der Entfernung höre ich meine Mutter laut klatschen. Diese gewitzten Schlitzohren haben das geschafft, was ihr selbst nie gelungen ist – sie jubeln mir Grünkohl unter, das vermutlich unhipste Gemüse auf der ganzen Welt.

Hauptsache Instagram

Aber halt! Grünkohl heißt jetzt kale und gilt in den Supermärkten statt Beilage zu Mett und Kartoffeln als eines dieser ominösen Superfoods. Das sind kulinarische Alleskönner, voll von Ballaststoffen und anderem Zeug, das ich im Biounterricht verschlafen habe. Sie sind gut für Körper, Geist – und Instagram. Unter dem Schlagwort #healthylifestyle werden gern logische Brüche in Kauf genommen. Wie kann man seine Firmenideologie so verraten, dass man einem dogmatischen „True Fruits“-Smoothie sehr unfruchtigen Rucola beifügt? Und wieso macht mich das so fertig?

In mir stampft das vierjährige Kind auf, das am Esstisch unermüdlich „Bah, Spinaaat!“ proklamierte. Dieses Kind hasst mich heute, wenn ich lässig meine Spinatpampe schlürfe. Und meine Mutter ist ein bisschen enttäuscht, weil ich ihre Breikreationen immer vom Tisch geschubst habe. Ja, grüne Smoothies sind lecker. Aber mal ehrlich: was soll der Aufriss um ein bisschen Kohl? Muss wirklich jedes noch so banale Grundnahrungsmittel seine 15 Minuten Ruhm und einen prominenten Hashtag bekommen? Was gut vermarktet auf Glasflaschen beginnt, wird über soziale Netzwerke zum Politikum. Sollte ich morgen am Kiosk vorbeilaufen, würde mich die Überschrift: „Wirsing und seine Folgen für die internationale Rüstungsindustrie“ nicht weiter überraschen.

Ich möchte einfach nur einen Saft trinken können. Ohne Statement oder Ironie. Mal ganz davon abgesehen gab es den Saft gewordenen Obst-Gemüse-Mix schon im Kindergarten – bloß hieß er da einfach ACE-Saft. Aber jetzt sind alle Früchte so true wie früher die Metalfans. Wie kann man Obst so ernst nehmen? Da kommt es natürlich irre rebellisch und innovativ, einfach ein bisschen Salat dazuzutun. Und alle so: wow. Wilder als das war wohl nur eine: der dreijährige, spinatschmeißende Breitmaulfrosch.

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