Crystal auf dem Vormarsch? Drogenbericht NRW

Sie sind euch vielleicht auch schon aufgefallen, die vermehrten Berichte in verschiedenen Zeitungen und Magazinen über den Vormarsch der „Horror“-Droge Crystal in NRW. Wir wollten es genauer wissen und haben sowohl das Landeskriminalamt und auch die Stadt Dortmund kontaktiert. Wir wollten herausfinden, in wie weit wir schon vom „Crystal“ überschwemmt wurden und welche aktuellen Erhebungen es zu den anderen Drogen in NRW  gibt. Heraus kam: Mit dem Crystal in NRW ist es nicht so schlimm wie heraufbeschworen.

Es gibt immer mehr Cannabis-Plantagen in Deutschland. Foto: angieconscious/pixelio.de, Teaserbild: Bernd Kasper/ Pixelio.de

Es gibt immer mehr Cannabis-Plantagen in Deutschland. Foto: angieconscious/pixelio.de, Teaserbild: Bernd Kasper/ Pixelio.de

In letzter Zeit liest man in verschiedenen Zeitungen und Magazinen verstärkt über die zunehmende Verbreitung der „Horrordroge“ Crystal Meth in Deutschland und auch insbesondere in Nordrhein-Westfalen. Nach unserer Anfrage beim Landeskriminalamt (LKA) NRW wurde uns vom Pressesprecher Frank Scheulen mitgeteilt, dass von einem Vormarsch dieser synthetischen Droge in NRW keine Rede sein kann. Dies würden die Zahlen im aktuellen Rauschgiftbericht des LKA belegen. Vermehrte Crystal Funde gebe es weiterhin vor allem im deutschen Grenzgebiet zu Tschechien. Der Pressesprecher des LKA ließ uns den Rauschgiftbericht NRWs für die Jahre 2011-2013 zukommen. „Die häufigen Crystal-Berichte in NRW werte ich als Medienphänomen, denn Crystal spielt offensichtlich nicht diese große Rolle in NRW wie in letzter Zeit häufig berichtet“. In den Papieren ist klar ersichtlich, dass zwar im Jahr 2012 mit 2,92 kg über 15% mehr Crystal als im Vorjahr sichergestellt wurde, wie andere Magazine richtig berichteten. Leider hatten Sie die Fußzeile überlesen: Die 2,2 kg wurden 2012 allein bei zwei Einzelfällen sichergestellt.

Crystal-Glückszugriff am Flughafen

„Diese zwei Funde waren quasi „Glückszugriffe“ im Transitbereich, der Zoll hat die 2,2 kg an Flughäfen sichergestellt“. Das Crystal habe in andere Länder weitertransportiert werden sollen und könne daher nicht in die deutsche Jahresstatistik mit eingerechnet werden, da in diese nur Sicherstellungen in Deutschland eingerechnet werden, erklärt Scheulen. Die nach Abzug im Jahr 2012 übrig gebliebenen knapp 0,8 kg „Crystal“ sind dann schon nicht mehr ein so großer Unterschied zu den in 2013 sichergestellten gerundeten 0,7 kg. Außerdem zum Vergleich: Von Cannabis, der weiterhin am häufigsten konsumierten illegalen Droge, wurden im selben Zeitraum gut 1115 kg sichergestellt. Von einer Überschwemmung NRWs mit dem sogenannten „C“ oder „Crystal“ kann also (noch) keine Rede sein. Auch im Bericht heißt es dazu: „Fallzahlen und Sicherstellungsmengen von kristallinem Methamphetamin („Crystal“) sind in NRW gering“.

„Rauschgiftdelikte sind Kontrolldelikte – umso mehr Kontrollen, umso mehr Fälle und auch Sicherstellungen gibt es“, erklärt Scheulen. Die Polizeidienststellen würden an Drogenbrennpunkten wie Bahnhöfen so viele Kontrollen durchführen, wie sie neben den sonstigen polizeilichen Aufgaben bewerkstelligen könnten, offizielle Zahlen zu den Kontrollen gebe es nicht.

Zunehmender Cannabis-Anbau in Deutschland

Aber: In NRW haben wir Probleme mit anderen Drogen. Die Delikte, die mit Cannabis zu tun haben, nahmen wieder zu: 2010 registrierte das LKA weniger als 20.000 Fälle, 2013 waren es über 24.714, und damit erstmals wieder annähernd gleich viele wie im Jahr 2004 (24762). Das LKA stellt im Drogenbericht immer einen 10-Jahresrückblick zur Übersicht bereit. Der Handel mit Cannabis-Produkten nahm ab, doch dies sei nur auf eine Verlagerung zurückzuführen: „Durch die veränderte Drogenpolitik in den Niederlanden haben wir eine starke Zunahme von Indoor-Cannabis-Plantagen in Deutschland“, so Scheulen. Diese würden oft auch von Niederländern aufgebaut und unterhalten. „Dadurch haben wir hohe Cannabis-Mengen bereits im Land. Bei einem Überangebot fällt der Preis, was zur Folge hat, dass sich auch immer mehr Jugendliche diese Droge leisten können. Durch die Plantagen in Deutschland kommen die Konsumenten auch noch einfacher an die Drogen“, berichtet der Pressesprecher des LKA NRW weiter. Die Zunahme bei Konsumentendelikten (Konsum, Kauf, Weitergabe) mit Cannabis bei Minderjährigen hingen damit zusammen. 

Sichergestellte Kokain Mengen haben sich verdoppelt

2013 wurde in NRW über 50% mehr Kokain sichergestellt als in 2012. Foto: D. Braun/ Pixelio.de

2013 wurde in NRW über 50% mehr Kokain sichergestellt als in 2012. Foto: D. Braun/ Pixelio.de

Kokain ist die einzige Droge im Ranking, bei der sich die Sicherstellungsmengen erhöht haben: Von 2012 auf 2013 hat sich die Sicherstellungsmenge von Kokain mehr als verdoppelt, die Fallzahlen von Kokain erhöhten sich aber nicht weiter. Das heißt, bei weniger Fällen wurde insgesamt mehr Kokain sichergestellt. „Manchmal stellen die Beamten bei einem Zugriff eine hohe Kokain-Kilogramm-Anzahl sicher, manchmal stellen die Beamten kleinere Mengen bei vielen Zugriffen sicher- daher kann man dies nicht im Zusammenhang betrachten“, so Scheulen. Leistungssteigernde Drogen wie Amphetamine und Kokain bleiben in der Leistungsgesellschaft in Deutschland populär, heißt es dazu im Bericht.

2013: Niedrigster Beschaffungskriminalität-Wert seit 10 Jahren

Es gibt auch gute Nachrichten: Die Sicherstellungsmengen in NRW von Amphetaminen, Crystal, Ecstasy, Heroin und Marihuana haben abgenommen, und: Die Beschaffungskriminalität (Kriminalität um Geld für Drogen zu beschaffen), nimmt seit 2011 kontinuierlich ab. 2013 wurde mit 392 Fällen (Vorjahr: 440 Fälle) der niedrigste Wert der letzten zehn Jahre registriert.

Auch die Zahlen der Rauschgifttoten in NRW sind zurückgegangen: 2008 gab es noch 380 Rauschgifttote in NRW, 2013 zählten die Behörden 198 Tote. Eingezählt werden hier sowohl Personen, die an einer Überdosis gestorben sind, als auch Personen, die an einer Suchtfolgeerkrankung gestorben sind. Dies ist die niedrigste Zahl an Rauschgifttoten seit 1988. Einfluss auf diese Zahl haben natürlich die Verfügbarkeit von Hilfsangeboten, wie Therapien und auch die Umgebungsbedingungen bei Komplikationen. Ein gutes Krankenhaus in der Nähe, dessen Ärzte sich zum Beispiel mit der Behandlung einer Überdosis auskennen, kann über das Weiterleben eines überdosierten Drogensüchtigen entscheiden. 

Verbesserung in NRW, aber Verschlechterung in Dortmund

In Dortmund hat die Rauschgiftkriminalität nach einem Rückgang von 2011 auf 2012 im Jahr 2013 wieder heftig zugenommen, von rund 2400 Fällen in 2012 auf knapp 3400 Fälle. Die Häufigkeit der Straftaten, die mit Drogen in Verbindung stehen, (Besitz, Handel, Konsum und Weitergabe) nahm um knapp 40% zu. Die Zahlen der Drogentoten sind in Dortmund hohen Schwankungen ausgesetzt, nach dem LKA sind 2007 25 Personen in Dortmund am Konsum harter Drogen verstorben, 2013 waren es 10. „In diesem Jahr sind es bereits sechs Drogentote“, teilt Dr. Ulrike Ullrich unter Vorbehalt mit. In Dortmund gebe es ein gut verzweigtes Hilfsangebot für Suchtkranke. „Pro Jahr befinden sich durchschnittlich ungefähr (nach Stichtagserhebungen) 1500 Dortmunder in einer Drogenersatztherapie“, so die ärztliche Leiterin des sozialpsychatrischer Dienst im Gesundheitsamt der Stadt Dortmund weiter.                                            

 

 

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