Tierversuche an Bochumer Uni umstritten

Über anderthalb Millionen Mäuse für die Forschung

Insgesamt werden in NRW laut des aktuellen Tierschutzberichtes des Bundes insgesamt 1.615 Affen im Jahr in der Forschung verwendet. Am meisten wird an Mäusen geforscht. In ganz NRW wurden im Jahr 2007 über 325.000 Versuchstiere verwendet, mehr als 210.000 davon sind Mäuse. An zweiter Stelle stehen die Ratten mit 86.000 Tieren, dann kommen die Fische mit knapp 15.000 verwendeten Exemplaren. Laut dem Bericht werden jedes Jahr mehr Tiere verbraucht: So stieg die Zahl der Mäuse, die in ganz Deutschland für Tierversuche verwendet wurden von circa einer Million im Jahr 2001 auf knapp anderthalb Millionen im Jahr 2005.

Roman Kolar ist dennoch zuversichtlich, dass Tierversuche irgendwann ein Ende haben könnten. „Ich habe das Vertrauen in die Wissenschaftler, dass sie irgendwann eine Methode entwickeln, die ethisch vertretbar ist.“ Der Anfang dafür ist gemacht. Es gibt bereits so genannte in-vitro-Verfahren, bei denen nur Zellkulturen und keine lebenden Tiere für die Versuche benötigt werden. Viele Forscher sind sich aber einig, dass Tierversuche für bestimmte Forschungsvorhaben trotzdem notwendig sind und bessere Ergebnisse bringen.

„Ich sehe die Mäuse als Mitarbeiter“

Mäuse sind die Versuchstiere, an denen in Deutschland am meisten geforscht wird. Foto: R.B./ pixelio

Mäuse sind die Versuchstiere, an denen in Deutschland am meisten geforscht wird. Foto: R.B./ pixelio

Tanja Sommer* sitzt auf ihrem Schreibtischstuhl in einem Büro in der Medizinischen Fakultät. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bochum und gibt zu bedenken: „Auch Zellkulturen kommen irgendwoher.“ Sie weist darauf hin, dass die Zellkulturen aus lebenden Tieren gewonnen werden, bevor sie dann in der Forschung eingesetzt werden können. Es müssten auch bei Alternativmethoden Tiere verwendet werden – was viele Kritiker nicht bedenken würden. „Ich halte die Tierversuche im Moment nicht für vermeidbar“, sagt Sommer.

Die Wissenschaftlerin forscht momentan an Ratten und Mäusen. „Ich sehe die Mäuse nicht als Material, sondern als Mitarbeiter“, sagt sie. Wenn man schon an Tieren forschen müsse, habe man sie angebracht zu behandeln. Selbst hält sie einige Ratten als Haustiere. Auf ihrem Computerbildschirm erscheint ein Foto. Darauf zu sehen ist eine weiße Ratte mit schwarzen Flecken, die auf ihrer Hand sitzt. Für Forscher, die ihre Versuchstiere nicht respektieren und schlecht behandeln, hat Tanja Sommer kein Verständnis. Unter schlechte Behandlung fällt für sie zum Beispiel, wenn Forscher den Ratten einen unnatürlichen Tages- und Nachtzyklus aufzwängen, indem sie auch nachts in den Laboren das Licht brennen lassen, oder wenn sie den Deckel aus Bequemlichkeit auf den Käfig scheppern lassen. „Es ist nicht so schwer, die Mäuse und Ratten nicht in Stress geraten zu lassen“, weiß Sommer aus eigener Erfahrung.

Letzte Instanz: Die Ethik-Kommission

Auch Tierschutzbeauftragter Matthias Schmidt forscht an Tieren. Er muss seine Versuche von einem anderen Tierschützer überprüfen lassen. Die Tatsache, dass die Tierschutzbeauftragten keine unabhängigen Gutachter, sondern Angestellte der Uni sind, sorgt bei Tierschützern für Empörung.

Allerdings sind Schmidt und seine Kollegen nicht die letzte Instanz. Alle geplanten Versuche an der RUB werden einer Ethik-Kommission vorgelegt, die mit Vertretern aus verschiedenen Gesellschaftsgruppen besetzt ist und über die Vertretbarkeit abstimmt. Die Kommission ist für die Forscher an der Uni Bochum die letzte Instanz, um die Erlaubnis für einen Tierversuch zu bekommen. Nickt sie das Vorhaben ab, beziehen die Tiere ihr Quartier in der Versuchstierhaltung unter Matthias Schmidts Aufsicht.

* Name von der Redaktion geändert

Text und Fotos: Sarah Müller

Mehr Transparenz bei den Tierversuchen: Kommentar von Sarah Müller

Mehr zum Thema:

9 Comments

  • Sibel Ahmet sagt:

    Hallo,

    was stellt den Menschen über die Tiere? Wir sind doch alle fühlende, und folglich leidensfähige Lebewesen. Warum soll der Mensch ein Vorrecht haben, länger zu leben, von Tierversuchen zu profitieren …? Ich finde es ethisch absolut verwerflich.

    Keiner kann mir erzählen, dass es an biologischen, medizinischen Fakultäten in erster Linie darum geht, dass man an die Gesundheit von anderen Menschen denkt. An erster Stelle geht um die eigene wissenschaftliche Karriere. Wegen Karriere und Geld werden Tiere, die dem Menschen am nächsten stehen, aufgeopfert.

    Ich zweifle an der Urteilskraft von Medizinern und Biologen, denn die meisten von ihnen haben noch nie etwas von Philosophie u. dgl. gehört, ja sie tun sogar solche Fächer als „Laberfächer“ ab (persönliche Erfahrung). Ich wünschte, es gäbe mehr interdisziplinäre Beziehungen zwischen den Fakultäten.

    Schlusswort: Ich halte den unreflektierten Menschen und auch den Akadmiker für sehr gefährlich.

    Sibel

  • Anja Willner sagt:

    Hallo Cypress,

    ich glaube nicht, dass Herr Schmidt hier „immer wieder mal rein“ schaut – schließlich stammt der Artikel, den Sie kommentiert haben, aus dem vergangenen Sommer. Bitte wenden Sie sich doch direkt an Matthias Schmidt, wenn Sie ein Problem mit ihm haben – das hier ist jedenfalls nicht das geeignete Forum dafür.

    Mit freundlichen Grüßen
    Anja Willner (Redaktion)

  • Cypress sagt:

    Was sagen Sie Herrn Schmidt den zu diesem Artikel?
    http://www.derwesten.de/staedte/bochum/Aus-fuer-Affenversuche-id92743.html
    Nun geht es doch weiter.Ich bin mir sicher Sie schauen hier immer wieder mal rein.

    Ich werde mir die Tage wie so oft, nocheinmal die Ställe anschauen (von Aussen), vielleicht sehen wir uns ja mal.
    Zeigen werden Sie mir und anderen diese Tiere nicht.Aber ich werde sie darauf Ansprechen, uns doch einmal die Affen zu zeigen.Warum auch nichts.
    Was haben sie zu Verbergen.
    http://aerzte-gegen-tierversuche.de/bilder/fotos/57-tierversuche-in-der-grundlagenforschung

  • Cypress sagt:

    Abartig und nicht zu Rechtfertigen.
    Jeder, wirklich jeder Mensch mit Verstand sollte Wissen das Tierversuche heute nicht mehr Notwendig sind.
    Aber Steuergelder spielen da auch eine ganz große Rolle.
    Die „Affenställe“ befinden sich im Botanischen Garten.Fröhlich Kräht ein Hahn, die Besucher laufen daran vorbei ohne zu ahnen was dort passiert.

    Lieber Herr Schmidt, zeigen sie die Tiere doch einmal ?!
    Das machen Sie nicht, Nein.Weil die Menschen der Reihe nach umfallen würden.
    Sie sind kein Tierfreund !!

    Aber nicht nur ich kläre die Mitmenschen über solch ein Abgrundtief Herzloses handeln auf.

  • Tierversuche sind armselig! sagt:

    Ob Versuche an „offengelegten Gehirnen“ nun wirklich besser sind als Kernspintomographien sei einfach mal dahingestellt. Aber das worauf es wirklich ankommt ist die Tatsache, dass die Versuche an Affen durchgeführt werden. Warum??? Sind sie weniger wert als andere Lebewesen. Gerade die Lebewesen, die es höchstwahrscheinlich weniger interessiert was geschieht, wenn man Schädeldecken abhebt um Neurobiologische Untersuchungen durchzuführen, dürfen in so etwas erst recht nicht mit hineingezogen werden!!!
    Mit moralischen grüßen……hier werde ich mich werder unterrichten lassen, noch möchte ich mit solchen Menschen etwas zu tun haben

  • Denis sagt:

    Gut, dass ich nicht mehr an der RUB studiere. Und eine Arbeitsstelle suche ich mir auch lieber woanders. Ich möchte, auch nicht indirekt, für eine Uni arbeiten, die so etwas unterstützt.

  • RUB-Student sagt:

    Eine Schande, dass es so etwas an unserer RUB gibt.

  • Gabriele Hoffmann sagt:

    Wie man dem Artikel „Erkenntnisgewinn ungenügend“ (aus der Süddeutschen, im Internet) entnehmen kann, haben Studien ergeben, dass nur 0,3% der Ergebnisse von Tierversuchen auf den Menschen übertragbar sind und selbst diese 0,3 % nicht in neue Therapien für den Men-schen umgesetzt werden konnten, außerdem verzerren die Qualen der Tiere die Daten!!! (auch empfehlenswert zu lesen: „homepage-Tierversuche“!!!)

  • Als im Artikel genannter Tierschutzbeauftragter der RUB möchte ich ergänzend darauf hinweisen, dass Makaken, wie im Übrigen alle anderen Versuchstiere auch, in der Grundlagenforschung nur für solche Untersuchungen verwendet werden dürfen, die nicht mit anderen, besonders tierfreien Alternativmethoden durchgeführt werden können. Dies muss vor jedem Versuchsvorhaben durch den Experimentator in einem Genehmigungsantrag belegt werden und wird von mehreren, voneinander unabhängig tätigen Personen und Gremien kontrolliert, darunter auch durch den Tierschutzbeauftragten. Die Verwendung „steinzeitlicher Methoden“ ist somit durch das Genehmigungsverfahren ausgeschlossen, es sei denn, den am Verfahren beteiligten Personen wird unterstellt, sie selbst seien wissenschaftlich nicht auf einem aktuellen sondern einem „steinzeitlichen“ Stand. Die wissenschaftliche und die ethische Auseinandersetzung mit dem Thema „Tierversuche“ ist wichtig und notwendig, eine pauschalisierte, unsachliche Vorverurteilung der beteiligten Personen halte ich dagegen nicht für förderlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert