Wo geht’s hier zur Spitze?

Zeit online und sein CHE Ranking

Zeit online veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem CHE dessen Hochschulranking. Foto: Screenshot Zeit online

Jedes Jahr aktualisiert das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) circa ein Drittel seines Hochschulrankings. Die neuen Zahlen kamen am 03. Mai und hinterließen bei manchen Studenten und Professoren einen faden Beigeschmack. Von Gleichmacherei ist die Rede. Wissenschaftlich unbrauchbar sagen die einen, wissenschaftlich professionell die anderen. Auch 16 Fachbereiche der Ruhr-Unis und der FH Dortmund wurden neu gerankt – von Spitze bis Schlusslicht ist wieder alles dabei und so unterschiedlich wie die Bewertungen sind auch die Meinungen zu den Ergebnissen.

Über „gute Noten“ freut sich die Universität Duisburg-Essen und die TU Dortmund schmückt sich mithervorragenden Ergebnissen“ des Journalistik-Studienganges beim aktualisierten CHE Hochschulranking, das im ZEIT-Studienführer und auf ZEIT.de veröffentlicht wurde.

Das CHE  untersucht nach eigenen Angaben über 300 Universitäten und Fachhochschulen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. So wird seit 1998 jährlich das „umfassendste und detaillierteste (Hochschul-)Ranking im deutschsprachigen Raum“ produziert, sagt das CHE. Es soll vor allem Studienanfängern und Wechslern eine Orientierung bieten: Welche Uni hat eine gute Forschungsreputation, wo ist die Bibliothek am schönsten und an welcher FH ist die Betreuung durch Lehrende am besten?

Wissenschaftlich einwandfrei?

Das CHE Hochschulranking verspricht eine objektive Orientierung in der deutschen Hochschullandschaft

Im Dreischritt zur Wunsch-Uni - Das CHE Hochschulranking verspricht eine objektive Orientierung in der deutschen Hochschullandschaft. Foto: Screenshot Zeit online

Für das Ranking werden Fakten und Urteile erhoben. Die Fakten stammen von schriftlichen Befragungen der Fachbereiche und der Hochschulverwaltung, von Analysen der wissenschaftlichen Publikationen und Erfindungsmeldungen. Außerdem werden Daten des Statistischen Bundesamtes verwendet. Urteile über wichtige Indikatoren wie Studierbarkeit, Betreuung oder Lehrangebot fußen ausschließlich auf den schriftlichen Befragungen der Studenten des Faches.

Auch Michael Koenzens Studiengang wurde in diesem Jahr neu ins Verhältnis gesetzt. Die Wirtschaftswissenschaften an der TU Dortmund haben dabei mittelmäßig abgeschnitten: Mittelmaß in Betreuung, Ausstattung, Lehrangebot. Mittelmaß bei Berufsbezug und auch beim Gesamturteil über die Studiensituation landet sein Fach im Mittelfeld. Eigentlich kein schlechtes Ergebnis und trotzdem ist Michael Koenzen unzufrieden: „Ich bin bei diesem Ranking eher skeptisch“, sagt der Fachschaftsvertreter. Die Studiengänge seien für Außenstehende mit dem Ranking nur sehr schwer zu bewerten. „Und es fehlen grundsätzliche wissenschaftliche Daten. Wenn ich so eine Tabelle abgeben würde, würde ich die sofort zurückbekommen.“

Studiengänge im Vergleich

Konkret meint Michael damit, dass die Grundgesamtheit der befragten Studenten nicht angegeben wird. So weiß man nicht, ob die mittelmäßige Note beim Lehrangebot auf den Urteilen von 20 oder 200 Studenten beruht, denn die Rücklaufquote für die einzelnen Studiengänge an den jeweiligen Universitäten und Hochschulen werden auf ZEIT online nicht veröffentlicht. Dafür muss man die Homepage des CHE durchforsten und auch dort stehen die Zahlen der neubewerteten Fachbereiche von Anfang Mai noch nicht online. „Das sollte eigentlich schon im Internet stehen, aber wir sind da ein bisschen im Verzug“, sagt Sonja Berghoff vom Centrum für Hochschulentwicklung. Auf Nachfrage der pflichtlektüre sagt Berghoff, dass für Michaels Studiengang 76 Studierende den Fragebogen ausgefüllt haben. Eine Rücklaufquote mit Prozentangaben kann sie nicht nennen, die TU Dortmund habe ihr nicht die Zahl der insgesamt verschickten Fragebögen gegeben. Dabei sollen die Daten vor einer zu großen Verzerrung geschützt werden, indem Bereiche nicht gerankt werden, in denen die Rücklaufquote unter 10 % lag oder weniger als 15 Studenten ein Angabe gemacht haben.

Die CHE Bewertung der Medienwissenschaften an der RUB

Die CHE Bewertung der Medienwissenschaften an der RUB. Foto: Screenshot Zeit online

Auf den Fragebögen für die Studenten werden unterschiedlichste Dinge gefragt: Wie bewerten Sie das Lehrangebot? Den Kontakt zwischen den Studierenden? Wie gelangen Sie zur Hochschule? Und wie bewerten Sie den Zustand der Räumlichkeiten? Beim CHE-Ranking vergeben die Studenten Schulnoten für jeden abgefragten Bereich. Diese Noten werden dann mit den „Zensuren“ vergleichbarer Studiengänge an anderen Hochschulen ins Verhältnis gesetzt. Beim Ranking werden so keine einzelnen Plätze vergeben, sondern die Studiengänge teilen sich in jedem untersuchten Punkt in Spitzen-, Mittel oder Schlussgruppe auf. So stellt das CHE sicher, das nicht kleinste Unterschiede in der Bewertung zu großen Unterschieden in den Platzierungen führen, falls die Bewertungen alle sehr nah beieinander liegen.

Top gerankt – und dann?

Bei Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum haben 32 von 195 Studenten ihre ausgefüllten Fragebogen zurückgeschickt. Der Studiengang gehört laut CHE zur Spitze der medienwissenschaftlichen Studiengänge. Spitze bei Berufsbezug, Studierbarkeit, Lehrangebot, Wissenschaftsbezug. Die Studiensituation insgesamt wurde im Schnitt mit 1,9 bewertet und liegt damit für die Medienwissenschaften in der Spitzengruppe. Peter Spangenberg, leitender Geschäftsführer des Studienganges Medienwissenschaften an der RUB, freut sich über das Ergebnis: „In diesem Jahr wurden die Medienwissenschaften zum ersten Mal als eigenständiges Fach und nicht zusammen mit Kommunikationswissenschaften und Journalistik bewertet.“ Nun vergleiche man endlich nicht mehr Äpfel mit Birnen.

Welche Folgen die gute Bewertung für sein Fach haben wird, kann der Professor noch nicht absehen. Kommen mehr Bewerber oder hat man einen Vorteil bei Verhandlungen mit dem Rektorat? „Diese Fragen stellen wir uns auch gerade. Wir wissen es nicht, werden aber versuchen unser gutes Ergebnis umzumünzen.“ Prämien seien von der Uni-Leitung nicht versprochen worden. Auf die Frage wie er die methodische Vorgehensweise des CHE bewerte sagt Spangenberg: „Meiner Meinung nach geben sich die Leute da sehr viel Mühe und arbeiten mit einem hohen wissenschaftlichen Standard.“

Boykott der Historiker

Werner Plumpe vom Historikerverband lehnt Rankings wie das vom CHE grundsätzlich ab. Foto: www.historikerverband.de

Werner Plumpe vom Historikerverband lehnt Rankings wie das vom CHE grundsätzlich ab. Foto: Historikerverband

Das sieht der deutsche Historikerverband ganz anders. Den historischen Instituten und Seminaren in Deutschland empfahl der Verband, nicht mehr an den Rankings des CHE teilzunehmen, viele folgen dieser Linie. Werner Plumpe, Vorsitzender des Verbandes der Historiker und Historikerinnen in Deutschland (VHD), äußert sich im Gespräch mit der pflichtlektüre angriffslustig: „Das einzig Positive an diesem Ranking ist doch das Adressverzeichnis“, sagt Plumpe. Sein Verband kritisiere vor allem die „Gleichmacherei“. Es werde durch die Indikatoren eine Scheinobjektivität hergestellt. „Hoch subjektive Punkte wie Aussagen zur Lehre werden nicht als persönliche Meinung deklariert, sondern im Ranking pauschalisiert.“ So könne man die komplexe Hochschullandschaft in Deutschland nicht vergleichend bewerten. „Und die Rektoren brüsten sich mit guten Ergebnissen ihrer Hochschulen. Da kommt von oben Druck, dass die Fächer gut abschneiden sollten“, sagt Plumpe.

Marktwirtschaftliche Interessen

Werner Plumpe geht sogar noch weiter: „Wer legitimiert diese privaten Leute eigentlich, ein solches Ranking aufzustellen?“ Das fragt sich auch Alexander Kirschbaum, Fachschaftsvertreter im Studiengang Soziale Arbeit an der Universität Duisburg-Essen. Sein Studiengang schneidet im neuen Ranking schlecht ab, gehört bei Lehrangebot und Betreuung durch die Lehrenden zur Schlussgruppe. Alexander sieht marktwirtschaftliche Interessen hinter dem Ranking und kann sich vorstellen, dass Universitäten, die dem Bertelsmann Konzern oder seiner Stiftung nahe stehen, auch bessere Noten bekommen. „Solche Rankings sollten nicht von GmbH’s erstellt werden“, sagt er und meint damit die Centrum für Hochschulentwicklung gGmbH.

Sonja Berghoff vom CHE widerspricht: „Ich sehe bei dem Ranking keine marktwirtschaftlichen Interessen. Durch solche Rankings wird niemand reich.“ Das Ranking sei ein Zuschussgeschäft. Finanziert werde das CHE Hochschulranking von der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Bertelsmann Stiftung.

Nur in einem Punkt sind sich dann doch alle einig: Ob strittig oder methodisch einwandfrei – ein solches Ranking sollte nicht die einzige Grundlage sein, wenn sich junge Leute für ein Studium entscheiden. „Man muss sich selbst informieren, in die Sprechstunden gehen, andere Studierende fragen und sich so sein eigenes Bild machen.“, sagt auch Peter Spangenberg von der RUB, der sich nach dem Ergebnis seines Studienganges zurücklehnen könnte. „Ein solches Ranking kann höchstens bei der Orientierung helfen.“

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