Duell: Studienplatz-Vergabe nach NC?

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Die einen finden es schlichtweg ungerecht, die anderen lächeln nur müde, weil sie nicht davon betroffen sind: Ein Großteil der Studienplätze in Deutschland wird nach dem Notendurchschnitt im Abitur vergeben. Doch ist das wirklich gerecht? Oder gibt es nicht bessere Alternativen, die jeden berücksichtigen?

pro contra
NC-Verfahren sind unpersönlich und obendrein noch ungerecht! So denken wohl die meisten angehenden Studenten. Warum? Weil es viele daran ganz einfach hindert, einen Platz an ihrer Traum-Uni zu bekommen. Aber gibt es eine effektive Alternative? Nicht wirklich.

Chaos bei zulassungsfreien Studiengängen

Nehmen wir zum Beispiel zulassungsfreie Studiengänge: Einfach hingehen, sich einschreiben und zack ist man Student! So einfach kann’s doch gehen. Jeder kann studieren, keiner fühlt sich ausgeschlossen. Absolute Chancengleichheit! So viel zur Theorie. In Wirklichkeit aber gibt es alle sechs Monate zu Semesterbeginn einen regelrechten Kampf um die Seminarplätze. Anmeldungs-Server brechen zusammen – Studenten reißen sich um Einschreibungslisten. Wer da zu spät kommt, hat Pech gehabt. Und das bedeutet: ein weiteres Semester auf den einen Kurs warten, den man noch braucht, um sein letztes Modul abzuschließen. Klingt nicht gerade nach einer fairen Alternative zum ach so verhassten NC-Verfahren.

So ganz ohne Bewerbungsverfahren läuft es also nicht. Klar, die Bewerber könnten sich alle persönlich vorstellen. Aufnahmeprüfungen, genau! Aber doppelter Abiturjahrgang, Abschaffung der Studiengebühren, Abschaffung der Wehrpflicht und jetzt noch Abschaffung des Numerus Clausus? Immer mehr Schüler würden sich für ein Studium entscheiden. Ist ja auch logisch. Aber denkt man mal an die jetzigen Zustände bei der Studienplatzvergabe, will man sich die Zukunft erst gar nicht vorstellen. Denn wenn Universitäten – wohlgemerkt mit relativ unaufwendigem NC-Verfahren – mehr als vier Wochen nach Semesterbeginn noch Zusagen verschicken: Wie lange dauert es dann wohl, bis die Mitarbeiter all die Aufnahmeprüfungen ausgewertet haben?

Persönliche Auswahl keine Alternative

Abgesehen davon sind Aufnahmeprüfungen für eine derart große Zahl an Bewerbern schier unbezahlbar. Solche Bewerbungsverfahren sind für Hochschulmitarbeiter ein enormer zusätzlicher Arbeitsaufwand. Und unbezahlte Überstunden sind auch für Akademiker nicht drin. Tja, und wer soll das jetzt bezahlen? Etwa noch mehr Geld vom Steuerzahler abknüpfen? Kommt nicht wirklich gut. Also bleiben nur noch die Studenten selber. Aber, das geht nun wirklich nicht. Die Studiengebühren wurden schließlich zum Glück gerade erst abgeschafft.

Nach irgendeinem Maßstab müssen die Bewerber aber nun mal ausgewählt werden. Dass ein Auswahlverfahren nach Durchschnittsnoten unpersönlich ist, ist klar. Würden die zuständigen Professoren jedoch nur auf die Persönlichkeit ihrer Bewerber achten, hieße es am Ende doch bloß: Der konnte mich einfach nicht leiden! Der Numerus Clausus ist zwar unpersönlich, aber gleichzeitig die neutralste Bewertungsmethode. Dass sich Schüler um einen Studienplatz bemühen müssen, hat nichts mit Chancenungleichheit zu tun. Das ist schlicht und ergreifend absolut gerechtfertigt.

Monatelang geschuftet und dann beim Abi doch die Kurve gekriegt? Du freust dich wie ein Schneekönig und denkst, jetzt steht dir die Welt offen? Tja, Pech gehabt, denn dein Abi ist nichts wert. Jedenfalls nicht, wenn man einen der vermeintlich prestigeträchtigen Studiengänge wie Jura, Medizin oder Psychologie studieren will. Dort kommt auf Anhieb nur rein, wer eine dicke Eins vor dem Komma stehen hat – egal, ob er für den Job später geeignet ist oder nicht.

Praktische Fähigkeiten zählen nicht

Wie heißt es so schön: „Leistung muss sich wieder lohnen!“ Wen interessiert es, ob du ein großartiger Chirurg wärst, weil du motorisch topfit bist und ein ruhiges Händchen hast? Stell dich nicht so an, mach doch erstmal eine Ausbildung, die wird dir doch als Wartesemester angerechnet und in ein paar Jahren kannst du dich nochmal bewerben, vielleicht klappt´s ja dann.
Warum sind diejenigen, die einen sehr guten Abiturdurchschnitt haben, besonders für einen bestimmten Studiengang geeignet?

Was sagt ein Abiturdurchschnitt wirklich über mich aus? Zunächst einmal, dass ich eine Zeit lang mein Privatleben wohl etwas vernachlässigt habe, um die Prüfungen zu bestehen. Dazu habe ich anscheinend eine gute Auffassungsgabe, schließlich habe ich in allen Abi-Prüfungen über 12 Punkte geschafft. Oder kann ich einfach nur besonders gut auswendig lernen und es dann zum richtigen Zeitpunkt abrufen? Ich kenne viele Menschen, die ein außergewöhnliches Abitur geschafft haben – ich auch. Besonders klug oder talentiert sind wir deshalb noch lange nicht. Aber vor allem sind wir dadurch nicht eher in der Lage, einen bestimmten Beruf auszuüben als diejenigen, die kein Einser-Abitur haben.

Viele Studien haben gezeigt, dass der Bildungsstatus eines Kindes in Deutschland vom Einkommen der Eltern und deren Bildungsniveau abhängt, heißt: Ein Kind aus einem gut situierten Haus macht einen besseren Abschluss als jemand aus einer Arbeiterfamilie. Das Kind mit dem besseren Abschluss hat folgerichtig bessere Chancen, in den Studiengang seiner Wahl zu kommen und dort einen besseren Abschluss zu machen. Das Ergebnis des Ganzen: Eliten fördern Eliten. Und das hat nun wahrlich nichts mit Chancengleichheit zu tun, mit der sich unsere Gesellschaft nur allzu gern schmückt.

Chancengleichheit Fehlanzeige

An vielen Hochschulen werden bereits Eignungstests durchgeführt. Nehmen wir zum Beispiel Sport- oder Kunsthochschulen. Man muss Tests durchlaufen, um seine Fitness unter Beweis zu stellen oder aber dicke Mappen mit seinen besten Werken zusammenstellen – und wochenlang bibbern, dass es klappt. Warum also wird ein Großteil der Studienplätze weiterhin nach Noten vergeben, wenn wir längst erkannt haben, dass man durchaus andere Fähigkeiten braucht? Würde ein Großteil der Studienplätze nicht nach Noten verteilt, wäre ich wahrscheinlich nicht im Studiengang Journalistik. Warum? Ganz ehrlich: Weil es sicherlich Menschen gibt, die fachlich geeigneter wären als ich – und die es deshalb mehr verdient hätten.

Diejenigen, die dafür plädieren, Studienplätze weiterhin nach dem Notendurchschnitt zu verteilen, sind meistens diejenigen, die keine Probleme mit dem NC hatten. Und das ist nicht gerecht, sondern schlichtweg ignorant.

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