Mietnikolaus seit 50 Jahren

Klopf. Klopf. Klopf. Langsam öffnet sich die Wohnungstür. Im Wohnzimmer wird es ganz still. Ehrfurcht. Vorfreude. Glänzende Kinderaugen. Ein roter Mantel. Ein großer Mann und ein riesiger Sack voller Geschenke. Er muss sich ducken, damit auch die Mütze durch die Tür passt. Der weiße Bart, die roten Backen, das goldene Buch. Der kleine Leon staunt: Das muss der echte Nikolaus sein!

Heinz-Jürgen Preuß als Nikolaus mit Mitra und Bischofsstab. Fotos: Ann-Christin Gertzen

Heinz-Jürgen Preuß als Nikolaus mit Mitra und Bischofsstab. Fotos: Ann-Christin Gertzen

Heinz-Jürgen Preuß sieht dem weihnachtlichen Vorboten zum Verwechseln ähnlich. Sein Gang ist sicher, der weiße Bart sitzt. 50 Jahre hat der Dortmunder jetzt Erfahrung als ‚Mietnikolaus‘. Wobei er selbst dieses Wort eigentlich nicht mag. Zuviel „Schindluder“ werde mit dieser Bezeichnung getrieben. Für Heinz-Jürgen Preuß ist sein ‚Nikolaus-Kodex‘ deshalb Ehrensache: Er sollte klar an seinem Outfit zu erkennen sein und die Kinder sollten vor ihm zwar Respekt, aber keine Angst haben. Als Nikolaus erzähle er schließlich Geschichten von Frieden und Liebe, von Zusammenhalt und Gemeinschaft. „Da kann man nicht mit einer unheimlichen Maske, einem abgewetzten Mantel oder Gummistiefeln auftauchen.“ Deshalb sind seine Kostüme auch allesamt Maßanfertigungen.

Ein Kostüm von der Stange zu finden, wäre für Heinz-Jürgen Preuß auch gar nicht so leicht. Er ist nämlich nicht nur der wohl am längsten amtierende Nikolaus Dortmunds, sondern auch der größte. Ganze 1,98 Meter von den Stiefeln bis zur Mütze. Schon mit 19 Jahren hat Preuß angefangen, als Nikolaus zu arbeiten. Auf Weihnachtsfeiern oder in Schulen. Häufig besuchte er auch noch Kumpels zu Hause. „Damals gab es ja noch die Zechen hier in der Gegend“, sagt er, „das war noch eine ganz andere Gemeinschaft als heute.“  Die Leute hätten zwar nicht so viel Geld gehabt, aber dafür habe jedes Kind an der Feier in der Nachbarschaft teilnehmen können. Zwar seien die Geschenke oft etwas kleiner aus als heute ausgefallen, aber die Freude, die sei damals schon riesig gewesen. Er kommt ins Schwärmen, wenn er von dieser Zeit erzählt. Umso wichtiger ist es ihm zu zeigen, was Familiensinn bedeutet.

„Ich möchte natürlich nicht der strenge Lehrer für die Kinder sein, aber hin und wieder nutze ich meine Chance zu erklären, was Gerechtigkeit bedeutet.“ So auch an diesem Abend, wenn der kleine Leon mit großen Augen vor ihm steht: „In anderen Ländern, gibt es viele Kinder, die können nicht mit ihrer Familie um den Weihnachtsbaum herum sitzen.“ Aus seinem goldenen Buch liest er vor: „Ich habe gehört, dass du dich manchmal mit anderen Kindern raufst, da solltest du im nächsten Jahr etwas lieber sein.“

1,98 Meter. Da muss der Nikolaus schon mal den Kopf einziehen.

1,98 Meter. Da muss der Nikolaus schon mal den Kopf einziehen.

Plätzchen für den Nikolaus

Knecht Ruprecht nimmt er übrigens zu solchen Veranstaltungen selten mit, denn dann heiße es von den Erwachsenen: „Von dem kriegst du eins auf die Mütze, wenn du nicht brav warst.“ So etwas färbe ab. Im Erwachsenenalter hätten diese Kinder dann Angst vor der Polizei oder Probleme mit Obrigkeiten. Der Nikolaus habe schließlich auch eine erzieherische Funktion. Die schönsten Termine sind für ihn, wenn die Kinder auch selbst etwas vorbereitet haben. „Letzten Samstag war ich bei einer Familie, zu der ich schon seit vielen Jahren komme“, sagt er. Die Kinder hätten Gedichte vorgetragen, „jemand hatte eine Gitarre dabei und selbstgebackene Plätzchen lagen auf dem Tisch“.

Manchmal sei es anstrengend, zwei Stunden lang von allen Seiten gelöchert zu werden, aber wenn die Kinder dann anfingen zu singen, wisse er wieder, warum er auch mit 69 Jahren einfach nicht die Stiefel stehen lassen kann. Dabei wäre es in diesem Jahr fast nichts geworden, mit seinem Auftritt als Nikolaus. Im Sommer war er auf dem Weg zur internationalen Weihnachtsmann-Konferenz in Kopenhagen. Es wäre seine 20. Teilnahme gewesen. Auf der Fähre stürzte er jedoch und verletzte sich schwer am Bein: „Aber ich habe den Ärzten gesagt: Zur Saison muss ich wieder fit sein!“ Auch wenn ihm das Laufen immer noch schwer falle, auf diese Zeit könne er nicht verzichten. Bei seinem heutigen Termin konnte er mit dem Aufzug fahren. Darüber ist er froh, auch wenn er die Mütze dafür abnehmen musste.

Als längster Nikolaus ins Guinness-Buch der Rekorde

Als Heinz-Jürgen Preuß vor 50 Jahren anfing als Nikolaus verkleidet um die Häuser zu ziehen, habe er so viele Menschen begeistert, dass er sein Unternehmen schnell habe ausbauen können. Erst überzeugte er seinen Bruder von seinen Plänen, kurze Zeit später war auch sein Vater mit dabei. Das Trio fiel auf, vor allem weil alle drei Männer über 1,90 Meter groß waren. Das sprach sich auch beim Klub der langen Menschen herum. Der Verein kümmert sich seit vielen Jahren um die Belange großer Leute. Viele vom Dortmunder Ortsverein arbeiten seitdem in der Weihnachtszeit für Heinz-Jürgen Preuß. „Wir stehen sogar im Guinness-Buch der Rekorde“, erzählt er stolz, „die längsten Weihnachtsmänner der Welt kommen aus Dortmund!“ Heute gebe es aber immer mehr Konkurrenz. Von der hält er allerdings nicht besonders viel: „Erst gestern habe ich ein Angebot von einer Weihnachtsmann-Agentur aus Düsseldorf bekommen – Unerhört.“

Ob das wohl der echt Nikolaus ist? Weihnachten bei Leon (vierter v. links) Zuhause..

Ob das wohl der echt Nikolaus ist? Weihnachten bei Leon (vierter v. links) Zuhause..

Sicher, große Firmenfeiern und Kegelclub-Treffen hat er auch hin und wieder im Programm. Aber ein Abend wie heute, liege ihm am meisten. Wenn er inmitten einer Schar kleiner Kinder sitzt, die ihn mit großen Augen anschauen. Ganz gebannt, was er denn nun über sie herausgefunden hat. Die es kaum erwarten können, dass er endlich die Geschenke aus seinem großen Jutesack herausholt. Wenn sogar der kleine Leon plötzlich ganz brav ist und mit dem Auspacken wartet, bis auch das letzte seiner Geschwister und Freunde ein Geschenk bekommen hat.  Dann steht Heinz-Jürgen Preuß nach so einem Termin mit seinem leeren Sack unten im Hausflur, zieht sich die Mütze vom Kopf, lächelt und sagt: „Es gibt viele Weihnachtsmänner, aber nur einen Nikolaus.“

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