Oger und Ohrenschmalz

So sieht Ohrenschmalz bei uns in Europa aus. In Asien hingegen ist es weiß und krümelig. Foto: Gregory F. Maxwell gmaxwell@gmail.com

So sieht Ohrenschmalz bei uns in Europa aus. Kerzen lassen sich daraus nicht so leicht herstellen.
Foto: Gregory F. Maxwell gmaxwell@gmail.com

In einer der ersten Szenen aus dem gleichnamigen Animationsfilm bereitet sich der grüne Oger Shrek auf ein gemütliches Abendessen vor.  Um in die richtige Stimmung zu kommen, zieht sich Shrek dazu einen großen Pfropfen Schmalz aus dem Ohr, stellt ihn auf den Tisch und zündet ihn an. Das sieht eklig aus, kann aber auch beim Menschen vorkommen. Ärzte müssen den Pfropfen dann entfernen. Genau dasselbe machen Wissenschaftler auch bei Tieren, die zwar nicht so schrecklich, dafür aber wesentlich größer sind als Oger.

Bei Blauwalen kann sich das Ohrenschmalz das ganze Leben über im Gehörgang anlagern. Und da Blauwale anders als Oger keine Hände – und vermutlich auch keine Vorliebe für Ohrenschmalzkerzen – haben, bleibt es dort bis zu ihrem Lebensende. 2013 machten sich Meeresbiologen aus Texas dies zu nutzen und machten mit einer kuriosen wissenschaftlichen Methode Schlagzeilen: Der Ohrenschmalzanalyse.

Die Wissenschaftler entfernten dazu den 25 Zentimeter langen Pfropfen – Shrek würde angesichts solcher Kerzen vermutlich vor Neid erblassen und nur noch minzgrün aussehen – aus dem Gehörgang eines toten Blauwals. Da sich das Ohrenschmalz kontinuierlich ansammelt, bilden sich je nach Lebenssituation des Wals Schichten heraus. Aus der unterschiedlichen Konzentration von Schadstoffen und Hormonen konnten die Wissenschaftler dann Rückschlüsse auf das Leben des Wales ziehen. So zeigten sie unter anderem, dass der Wal mit zehn Jahren geschlechtsreif wurde – weil sich in den zum Alter passenden Schichten eine besonders hohe Konzentration an Testosteron fand.

Auch Menschen haben Pfropfen

Auf den Menschen übertragen lässt sich diese Methode jedoch nur bedingt. Zwar finden sich im Ohrenschmalz eines Menschen auch Informationen über dessen Hormonhaushalt, ein Ohrenschmalzpropfen ist jedoch eine unangenehme Sache, da er das Ohr schalldicht und damit taub macht. 

Wattestäbchen sollen das Ohr eigentlich reinigen. Oft bewirken sie aber das Gegenteil. Foto: BirgitH / pixelio.de

Wattestäbchen sollen das Ohr eigentlich reinigen. Oft bewirken sie aber das Gegenteil.
Foto: BirgitH / pixelio.de

Verantwortlich ist der Mensch dafür zumeist selbst. Zwar kann sich ein Ohrenschmalzpfropf auch von alleine bilden, Hauptursache sind jedoch paradoxerweise Wattestäbchen. Die werden eigentlich in den Gehörgang eingeführt, um das Ohrenschmalz zu entfernen. In Wirklichkeit schieben sie das Schmalz aber oft nur immer weiter ins Ohr hinein. Bis hin zum Trommelfell, wo sich eine geschlossene Schicht bilden kann. Diese erreicht zwar keine 25 Zentimeter Dicke wie beim Blauwal, verschließt den Gehörgang aber trotzdem komplett – einfallende Schallwellen haben keine Chance mehr. Das Ergebnis: Ein Ohr ist taub.

Und das völlig grundlos. Eine Reinigung der Ohren mit Wattestäbchen ist nicht nur gefährlich, sondern auch noch völlig unnötig. Denn es hat schließlich einen guten Grund, dass Ohrenschmalz produziert wird. Andererseits hätte es sich evolutionär niemals durchgesetzt. Ohrenschmalz dient dazu – Paradoxon No. 2 –,  dass der Gehörgang nicht verstopft. Abgestorbene Hautzellen und Stauben werden mittels Härchen und unterstützt durch Kaubewegungen aus dem Ohr heraus transportiert. Darüber hinaus hält der bittere Geschmack Insekten fern und das Ohrenschmalz hat sogar eine geringe antibakterielle Wirkung. Wer also aus hygienischen Gründen das Ohrenschmalz entfernt, erreicht damit im Zweifelsfall das genaue Gegenteil.

Ein westliches Problem

Asiaten müssen sich darüber im Übrigen keine Sorgen machen. Anders als bei uns Europäern und bei Afrikanern ist das Ohrenschmalz bei ihnen keine zähe gelb-bräunliche Flüssigkeit, sondern weiß und trocken. Genau wie das der amerikanischen Ureinwohner, was die These unterstützt, dass diese ursprünglich über die Beringstraße nach Amerika einwanderten. Welchen Vorteil die trockene Ohrenschmalzvariante hat, können Wissenschaftler noch nicht mit Gewissheit sagen. Sicher ist jedoch, dass ein Gen mit Namen ABCC11 dafür verantwortlich ist. Dieses steuert außerdem die Ausprägung von Schweißdrüsen. Was dafür sorgt, dass Asiaten deutlich weniger schwitzen.  

Wenn Shrek also aus Ostasien stammen würde – dass die ogersche Genetik mit der menschlichen vergleichbar ist, nehmen wir an dieser Stelle einfach mal an – dann hätte er staubtrockene Ohren. Kerzen könnte er dann nicht mehr formen. Und auch sein Körpergeruch wäre reduziert. Dafür hätte er mandelförmige Augen. Zugegebenermaßen auch eine gruselige Vorstellung.

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