Kein schwules Blut im Spendemobil

 

blut2Diskrimierung von Schwulen ist in Deutschland immer noch ein großes Thema – selbst in alltäglichen Bereichen, in denen man es eigentlich kaum erwartet. Beispielsweise bei der Blutspende. 

Es ist Donnerstag und ich will Blut spenden. Auf dem Unicampus steht nämlich das rot-weiße Blutspendemobil des Deutschen Roten Kreuzes. Also gehe ich hin, lange warten muss ich nicht. Zuerst bekomme ich einen Zettel mit Fragen. Den muss ich ausfüllen. Ich setze mich hin und gehe den Fragenkatalog durch. Weder hatte ich in letzter Zeit Durchfall noch war ich im Ausland. Überall kreuze ich ‚NEIN’ an.

Ein ähnlicher Bus stand auch auf dem TU-Campus. Quelle: Douglas Sprott/ flickr.com

Ein ähnlicher Bus stand auch auf dem TU-Campus.
Quelle: Douglas Sprott/ flickr.com

Bei Frage 17 stutze ich: Es wird gefragt, ob ich ein potenzieller HIV-Überträger sei. Darunter aufgelistet sind einige dieser sogenannten „Risikogruppen“: Prostituierte, Drogenabhängige, Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern und Männer, die Sexualverkehr mit anderen Männern haben (kurz: MSM). Nun ja, ich bin schwul und in einer Beziehung. Also ja, ich bin anscheinend ein „MSM“. Ich kreuze „JA“ an.

Im nächsten Raum sitzt eine ältere Dame in einem weißen Kittel. „Geben Sie mir dat mal“, sagt sie. Ihr Blick huscht über das Blatt. „Wat is dat denn?“, fragt sie plötzlich laut und drückt ihren Finger auf das „JA“ bei Frage 17. „Nun ja, ich bin homosexuell“, gebe ich zurück. „Na dann können Sie auch kein Blut spenden!“ Leicht verdutzt frage ich: „Und… wieso?“ „Is’ halt so. Dat is’ nunmal die Regel und solange die sich nicht ändert, können Sie den hier wegwerfen“, sie zeigt auf meinen Blutspendeausweis. „Ihren Freunden können Sie ja sagen, et war der Alljemeinzustand.“

Homosexuelle haben nun mal ein höheres Risiko als Menschen mit heterosexuellen Neigungen, den HI-Virus zu übertragen.

(Werner Bartens, SZ.de)

Das war das erste Mal, dass ich mich seit meinem Outing vor gut einem Jahr hier in Deutschland diskriminiert gefühlt habe. Und natürlich ist es einfach für Befürworter des Verbots zu sagen, dass es rechtens sei, dass Schwule von der Blutspende ausgeschlossen werden. Statistiken und Daten, die das unterstützen, gibt es ja genug.

Trotzdem kann ich nicht akzeptieren, dass bei der Blutspende die sexuelle Orientierung in den Vordergrund gestellt wird. Es ist doch offensichtlich, dass das sexuelle Risikoverhalten das Problem ist. Das haben sogar schon die USA erkannt und Ende 2014 das Blutspendeverbot für Homosexuelle gelockert. Wer hätte gedacht, dass das ach so konservative Amerika gerade im Bereich der Diskriminierung von Homosexuellen weiter ist als das liberale und weltoffene Europa?

Und wenn ich dann so eine undifferenzierte Aussage wie die auf SZ.de lese, fühlt es sich falsch an, dass ich nicht Blut spenden darf.

Ich bin homosexuell, aber mit Sicherheit besteht bei mir kein höheres Risiko, den HI-Virus zu übertragen, als bei einem Menschen mit heterosexuellen Neigungen. Seit mehr als einem Jahr lebe ich in einer Beziehung, mein Freund und ich sind beide HIV-negativ.

Und natürlich bin ich nicht gegen den Ausschluss von Risikogruppen, ich kann es einfach nur nicht akzeptieren, dass ich wegen meiner Sexualität kategorisch von der Blutspende ausgeschlossen werde. Wieso muss gefragt werden, ob ich homosexuell bin? Reicht es nicht, nach wechselnden Geschlechtspartnern oder ungeschütztem Sexualverkehr zu fragen? Denn das ist doch immer das Argument, weswegen Schwule überhaupt ausgeschlossen werden. Die wechselnden Geschlechtspartner, die schlechte Aufklärung: Beides bei mir nicht der Fall.

Der kategorische Ausschluss von der Blutspende aufgrund der Sexualität ist nicht in Ordnung. Quelle: Mktp / flickr.com

Der kategorische Ausschluss von der Blutspende aufgrund der Sexualität ist nicht in Ordnung.
Quelle: Mktp / flickr.com

Ein interessanter Punkt ist dabei übrigens auch, dass sich zwischen 2000 und 2010 fünf Personen durch Bluttransfusionen mit dem HI-Virus infiziert haben. Zwei davon durch MSM. Ein Argument, das die Befürworter des Verbots gerne anbringen, um zu zeigen, wie riskant es sei, Schwule Blut spenden zu lassen. Doch drehen wir den Spieß mal um: Wer waren denn die anderen drei Spender, die das HIV übertragen haben? Doch nicht etwa Heterosexuelle?

Damals an diesem Donnerstag drückte mir die Dame eine Tafel Ritter Sport und ein Päckchen Pflaster in die Hand und schob mich mit einem bemitleidenden Lächeln aus der Tür. Blut gespendet habe ich jedenfalls nicht. Aber meinen Blutspendeausweis, den habe ich immer noch. Und ich werde ihn nicht wegwerfen.

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Teaserfoto: Ingmar Zahorsky/ flickr.com

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