Dienstleister und Match-Plan-Trainer

Tuchel Matchplan

Auf dem Reißbrett entwirft Thomas Tuchel jetzt schon die Match-Pläne für die nächste Saison. Ab dem Sommer wird er der neue Trainer von Borussia Dortmund. Foto: flickr.com/Marco Oliani

Seit der Ankündigung des Rücktritts von Jürgen Klopp als Trainer des BVB war in Dortmund ein Name allgegenwärtig: Thomas Tuchel. Nun ist klar: Er übernimmt zur neuen Saison die Mannschaft von Borussia Dortmund. Ob als Klopp 2.0 oder Taktik-Nerd – Tuchel wurde als Trainer der Bourissa kontrovers diskutiert. Bevor er nach dem letzten Spieltag dieser Bundesliga-Saison offiziell vorgestellt wird, beantworten wir zunächst wichtige Fragen zu seiner Person. 

Thomas Tuchel kommt gebürtig aus Krumbach in Bayern. Der 41-jährige Schwabe hat mit Ehefrau Sissi zwei Töchter, Emma und Kim. Seine Spielerkarriere war kurz und von wenig Erfolg gekrönt, zum Beispiel hat er kein Spiel in der Bundesliga absolviert. Mit den Stuttgarter Kickers spielte Tuchel zwei Jahre lang in der zweiten Bundesliga, wobei er auf acht Einsätze kam. Daraufhin wechselte er zum SSV Ulm, für den er in der Regionalliga Süd in 69 Spielen 3 Tore erzielte. 1998 musste Tuchel aufgrund einer Knieverletzung bereits mit 24 Jahren seine aktive Karriere beenden.

Erst BWL-Diplom, dann Trainerkarriere

Nach dem Ende seiner Spielerkarriere fokussierte sich Thomas Tuchel zunächst auf sein BWL-Studium und schloss es mit Diplom ab. In das Trainergeschäft stieg er 2000 ein und übernahm größtenteils Jugendmannschaften. Seine größten Erfolge feierte er mit U-19 Mannschaften. So gewann Tuchel 2005 als Co-Trainer des VfB Stuttgart sowie 2009 als Trainer von Mainz 05 die A-Junioren-Bundesliga. Seit 2006 darf sich Tuchel auch Fußballehrer nennen, die Trainerausbildung des DFB schloss er mit der Note 1,4 ab.  

 

Tuchels Trainerstationen

2000–2004 VfB Stuttgart Jugend

2005–2006 VfB Stuttgart U-19 (Co-Trainer)

2006 FC Augsburg U-19

2007–2008 FC Augsburg U-23

2008–2009 1. FSV Mainz 05 U-19

2009–2014 1. FSV Mainz 05

Ab Sommer 2015 Borussia Dortmund

Seine Erfolge verschafften Tuchel auch seinen ersten Trainerposten im Seniorenbereich. Nach der Entlassung von Jörn Andersen übernahm er 2009 das Amt des Chef-Trainers beim FSV Mainz 05. Thomas Tuchel stand dabei vor zahlreichen Herausforderungen. Unter anderem so übernahm er die Mannschaft des Bundesliga-Aufsteigers nur wenige Tage vor dem Start der Bundesliga-Saison 2009/10. Mit innovativen Ideen und dem Mut, auf junge Spieler zu setzen, schrieb er mit dem FSV eine Erfolgsgeschichte. Beim BVB hat Tuchel

Tuchels Erfolge bei Mainz 05

FSV Mainz 05

Saison 2009/10: 9. Platz

Saison 2010/11: 5. Platz (Europa-League-Qualifikation)

Saison 2011/12: 13. Platz 

Saison 2012/13: 13. Platz

Saison 2013/14: 7. Platz (Europa-League-Qualifikation)

In 183 Spielen: 72 Siege, 45 Unentschieden und 66 Niederlagen

Kein Trainingsspiel über den gesamten Platz

In Mainz arbeitete Tuchel in dem Bewusstsein, seinen Gegnern in allen Belangen unterlegen zu sein. Er musste eine Art „Wettbewerbsvorteil“ für seine Mannschaft suchen. Diesen erarbeitete er sich mit dem „Match-Plan“: Für jedes Spiel analysierte Tuchel den Gegner und richtete die Spieler, die Formation und das Spielsystem komplett auf die des Kontrahenten aus. Dabei spiegelte er die übliche Aufstellung des Gegners, um die Räume auf dem Feld eng zu machen und früh attackieren zu können. Ähnlich wie Klopp setzte Tuchel auf ein frühes Pressing und Gegenpressing in der gegnerischen Hälfte. Bei eigenem Ballbesitz sollte diagonal nach vorne gespielt werden – den typischen Durchbruch über die Außenseiten mag Tuchel nicht.

Der Spruch „never change a winning team“ galt für Tuchel nicht. Er scheute sich nicht, von Spiel zu Spiel eine komplett andere Mannschaft auf das Feld zu schicken und auch während des Spiels den „Match-Plan“ zu verändern.

Im Training setzte Tuchel auf innovative Methoden. So hat er während seiner Mainzer Zeit kein einziges Trainingsspiel über das gesamte Feld, sondern immer auf veränderten Maßen spielen lassen. Sein Hintergedanke: Bei taktischen Veränderungen konnte er die Lösungen und neuen Ideen seiner Spieler beobachten, anstatt auf dem großen Feld ständig alte Spielmuster zu korrigieren. Er wurde also zum Unterstützer statt zum Kritiker der Spieler.

Sein Ziel im Training war es, die Spieler in ungewohnte Situationen zu verwickeln, die sie am Spieltag wiederfinden und anwenden konnten. So sollten die Spieler intuitiv handeln, um in einen „Flow“ zu kommen.

Fußball als „Players Game“ – Trainer als Dienstleister

„Es ist auf dem Niveau, auf dem wir jetzt Fußball spielen in meiner Überzeugung ein ganz klares Players-Game“, so Tuchel in seiner „Rulebreaker-Rede“. In der Bundesliga werde der Fußball also hauptsächlich von den Spielern beeinflusst und gewonnen. Als Trainer sieht sich Tuchel in einer Dienstleisterrolle, in der er der Mannschaft helfen und sie unterstützen muss, die Verantwortung für ihre Leistung und Ergebnisse zu übernehmen.

Charakterlich gilt Thomas Tuchel als unnahbar geradlinig, gerade im Gegensatz zu Jürgen Klopp. So warf ihm beim FSV Mainz Torwart Heinz Müller Mobbing vor und beschrieb Tuchel als „Diktator“. An seine Spieler stellt Tuchel Regeln, die für ihn elementar für das Zusammenarbeiten in der Mannschaft sind. So hat er beispielsweise von seinen Spielern gefordert, sich mit Handschlag zu begrüßen oder gemeinsam zu essen und wieder vom Tisch aufzustehen. Diese Regeln hat er in Mainz in den Aufenthaltsraum der Mannschaft gehangen. Auch gegenüber seinen Vorgesetzten pflegte Tuchel bei Mainz 05 eine kühle und distanzierte Beziehung, ganz im Gegensatz zu Vorgänger Jürgen Klopp, der sowohl in Mainz als auch in Dortmund Publikumsliebling war.