Ein Theaterabend, wie eine Wahlparty für Trump

Die Menschen strömen in Richtung Theater, die Karten in der Hand, sie haben sich schick gemacht. Zurücklehnen, das Stück genießen, ein wenig lachen, vielleicht auch nachdenklich werden, anschließend wieder nach Hause fahren. Ein ganz normaler Theaterabend also. Und doch ist diesmal alles anders.

Noch bevor die Vorstellung beginnt, ist klar: „Trump“ wird kein typisches Theaterstück. Jeder Gast muss sich vor Betreten des Saals ein Namensschild anheften. Drinnen gibt es zwar eine Bühne, aber davor stehen keine Stühle, sondern 30 Stehtische. Die sind mit kleinen USA-Flaggen dekoriert, auf dem Boden liegen weiße, rote und blaue Luftballons zwischen Unmengen von Luftschlangen. An den Wänden baumeln blaue Vorhänge, das Weiße Haus ziert die Wand hinter der Bühne. Über den Köpfen der Besucher hängen Girlanden, in der Mitte des Raumes eine große USA-Fahne. Alles ist geschmückt, wie bei einer Party – einer Wahlparty. Und damit sich die Gäste auch richtig wohlfühlen, gibt es sogar einen Hotdog-Stand, an dem sich jeder bedienen darf.

Allein diese Kulisse macht neugierig auf das Theaterstück. Das gesamte Arrangement ist anders, als man es gewohnt ist – vielleicht einer der Gründe, warum das Dortmunder Theater das Stück „Trump“ (im englischen Original „The Trump Card“) von Mike Daisey kurzfristig in den Spielplan aufgenommen und sich somit die deutsche Erstaufführung gesichert hat. Es ist gewissermaßen eine politische Stellungnahme in unsicheren Zeiten, wie Djamak Homayoun vom Theater Dortmund erklärt:

 

„Wir alle stecken voll in der Scheiße“, beginnt Schauspielerin Bettina Lieder den Theaterabend. Nicht gerade eine freundliche Begrüßung. Doch sie meint es ernst. „Es ist mir kein Vergnügen, diejenige zu sein, die Ihnen das mitteilen muss“, sagt sie, wird jedoch sogleich unterbrochen. „So ganz stimmt das nicht. Ein wenig Vergnügen bereitet es dir schon“, ruft Andreas Beck ihr vom Hotdog-Stand aus zu. Alle Köpfe drehen sich nach ihm um. Unter den Besuchern des Theaters fällt der zweite Schauspieler und Gastgeber des Abends kaum auf. Und dass das Stück anfängt, obwohl noch gar nicht alle beteiligten Personen auf der Bühne sind, kommt auch nicht alle Tage vor. Doch auf einmal steckt man bereits mittendrin im Dialog der beiden Schauspieler – und so auch mittendrin in Trumps Aufstiegsgeschichte zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Bettina Lieder und Andreas Beck stehen nicht nur auf der Bühne, sie stehen auch mitten im Publikum.

Zunächst stehen die beiden Gastgeber gemeinsam auf der Bühne und unterhalten sich darüber, wie Donald Trump zu dem Menschen werden konnte, der er heute ist. Sie vergleichen seine Denkweise mit einer leicht veränderten Version des Brettspiels Monopoly: Anstelle der 6 steht auf den Würfel ein T. Wer dieses T wirft, darf sich sofort alles nehmen, was er will. Und wer sich Grundstücke kaufen konnte, treibt die Miete nicht von seinen Mitspielern ein, wie üblich, sondern nimmt sich das Geld einfach direkt aus der Bank.

Anschließend begeben sich Lieder und Beck hinunter zu den Gästen und wandern zwischen ihnen umher. Hin und wieder sprechen sie einen Besucher direkt an. Eine Frau beispielsweise wird kurzerhand zur unbezahlten Subunternehmerin der Trumps erklärt. Beck pöbelt sie an. „Falls du mir weiter Ärger machst, kommst du auf meine schwarze Liste. Du bist am Arsch!“, ruft er und führt dabei eindrucksvoll-beklemmend den Charakter des neuen US-Präsidenten vor.

Noch während des Stücks wird die Kulisse allmählich weggeräumt.

Mit der Zeit verändert sich nicht nur der Ton des Stücks, sondern auch die Kulisse: Die Gastgeber räumen auf. Zuerst wischt Lieder Staub, dann schmeißt sie alle Becher in den Müll. Schauspielkollege Beck sammelt derweil die Fähnchen ein, schließlich räumen die beiden gemeinsam sogar die Tische weg. Mit einem Ruck reißt Beck plötzlich auch die Vorhänge von der Wand. Die Party ist vorbei, auch das Bild vom Weißen Haus verändert sich – am Ende steht es in Flammen.

Schlussendlich verschwindet sogar die Bühne und das Publikum steht an ihrer Stelle. Ein Perspektivwechsel, der einen neuen Blickwinkel auf die Causa Trump ermöglichen soll. Denn auch wenn bewiesen ist, dass er nicht immer die Wahrheit erzähle, wisse man am Ende doch nicht so genau, was denn nun eigentlich stimme, so die Gastgeber. Mit solchen Anmerkungen regen sie alle Anwesenden zum Nachdenken an, das ist zu spüren.

Nach 90 Minuten sind alle im Saal begeistert. „Die ganze Atmosphäre war toll“, findet beispielsweise die Studentin Virginia. Dass während der Vorstellung ein ganzes Bühnenbild abmontiert wurde, habe sie so noch nie erlebt. Und trotz des Spaßes, den sie hatte, habe das Ende sie zum Nachdenken angeregt. Auch die 37-jährige Mira will sich nun noch näher mit Trump beschäftigen. „In der Tiefe hat mich das Stück nicht erreicht. Ich wollte verstehen, wie es so weit kommen konnte, aber das habe ich nicht“, sagt sie. Ihre Hand jedoch ist vollgekritzelt mit Namen. Die hat sie während des Stückes aufgeschnappt und will sie später googeln, um sich ein noch besseres Bild zu machen.

Aber dürfen wir das überhaupt von „Trump“ erwarten? Dass uns das Stück alle Antworten gibt, die das Handeln des neuen US-Präsidenten aufwirft? Wohl kaum. Diesem Anspruch könnte ein einziges Theaterstück nie gerecht werden. Was es jedoch leisten kann: Den Finger in die Wunde zu legen und die Frage aufzuwerfen, ob hier und da nicht jeder schon einmal so gehandelt oder zumindest gedacht hat, wie Trump es offenbar tut. Und: Einen unvergesslichen Theaterabend zu liefern, den bislang noch niemand so erlebt hat. „Trump“ hat all diese Ziele mühelos erreicht.

 

Fotos und Beitragsbild: Birgit Hupfeld, Theater Dortmund

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