Drogen, Sex, Gewalt.

Schottland Anfang der 80er. Eine lose Clique von Jungs im Alter zwischen Jugend und Erwachsensein, aufgewachsen in den Sozialbauvierteln von Edinburgh. Und ein Sumpf aus Drogen, Lethargie und Kriminalität, in dem sie immer weiter versinken.

„Der Hang vom rechten Weg abzukommen, und eine gehörige Portion Starrsinn sind zwei integrale Grundpfeiler des schottischen Charakters. Kein Wunder also, dass ich von dem Gedanken an Heroin besessen bin, seitdem ich zu diesen Wichsern auf der Party in Manchester „Nein“ gesagt hab.“

Alles ausprobiert. Fast. Foto: pixelio.de / Bernd Kasper

Alles ausprobiert. Fast. Foto: pixelio.de / Bernd Kasper, Teaserbild: Heyne-Verlag

Mark Renton ist Anfang 20 und der mittlere von drei Brüdern. Er hat ein Studium angefangen, interessiert sich für Literatur und die großen Philosophen. Aber er ist der einzige in seiner Clique, der es bis auf die Universität geschafft hat. Aufgewachsen sind sie alle in kleinen Sozialwohnungen irgendwo am unteren Rand der Gesellschaft. Sie haben Kindheit und Jugend zusammen verbracht und von Gras bis Acid alles ausprobiert, was sie in die Finger bekamen. Außer Heroin.

 „Das ist ein anderes Level, ein Grenzübertritt.“

Mark übertritt diese Grenze und lässt sich den ersten Schuss setzen. Er ist überwältigt von dem guten Gefühl. 700 Buchseiten später sieht die Sache anders aus.

„Wir sind keine Menschen mehr. Wie Echsen haben wir unsere Häute abgestreift und damit nicht nur unsere Vergangenheit, sondern auch unsere Zukunft verloren. Schatten. Im Grunde sind wir nichts weiter als Schatten.“

Beschreibender Roman mit klarem Ausgang

„Skagboys“ verurteilt nicht, „Skagboys“ beschreibt. Der Roman ist die Vorgeschichte zu Welsh’s Debüt „Trainspotting“, das 1993 erschien. In „Trainspotting“ sind Mark und seine Freunde ein paar Jahre älter, aber sie hängen immer noch im Drogenmilieu fest. Somit ist für den Leser in „Skagboys“ von Anfang an klar, wohin die Reise geht. Dass man weiß, wie es ausgeht, macht das Buch aber keinesfalls schlecht, sondern verstärkt in gewisser Weise seine Wirkung.

Irvine Welsh beschreibt in seinem Roman einen Verfall. Und er tut es auf ebenso geniale wie perverse Weise. Nicht nur Mark Renton tritt als Ich-Erzähler auf, die Ereignisse werden abwechselnd aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert. Auch der Unsympathischste aus der Clique darf erzählen. So sieht der Leser die Welt plötzlich mit den Augen eines jungen Mannes, der ein 15-jähriges Mädchen erst zu seiner Freundin macht, dann zu einer Heroinabhängigen und schließlich zu einer Prostituierten.

Edinburgh zu Beginn der 80-er Jahre

Welsh spielt an keiner Stelle des Buches den allwissenden, bewertenden Erzähler. In Teilen stellt er die Entwicklung der Geschehnisse dar, indem er seine Figuren selber sprechen lässt. Und dann gibt er Informationen über die äußeren Umstände, die dazu beitragen, dass das Handeln der Figuren zumindest ansatzweise nachvollziehbar wird. „Skagboys“ spielt im Edinburgh der frühen 80er Jahre. Die Arbeitslosenzahlen steigen, besonders unter jungen Menschen. In London ist Margaret Thatcher an der Regierung und viele Schotten fühlen sich ungerecht behandelt. (mehr dazu: siehe Infokasten).

Irvine Welsh, der selbst Schotte ist, beschreibt diese Situation immer wieder am Rande seiner Erzählung und erschafft damit eine Atmosphäre von Resignation und Perspektivlosigkeit. Ob diese historisch realistisch ist, lässt sich nicht beurteilen. Seinem Roman aber verleiht sie eine zusätzliche Dimension, die ihn tiefgehender und besser macht. In „Skagboys“ lässt Welsh den Leser mit den Figuren mitfühlen und führt ihm menschliche Abgründe fast unangenehm nahe vor Augen. Es ist eine Geschichte, über die man auch noch nachdenkt, wenn die letzte Seite längst gelesen ist. Es ist ein Buch, das man unbedingt gelesen haben sollte. 

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