Kino-Tipp: Jonas

Christian Ulmen dreht die Zeit zurück. Zurück zur Schulbank, zur Pubertät und zum Kampf mit dem Logarithmus. Dafür schlüpft er in die Rolle des 18-jährigen Jonas. Dessen Schulkarriere steht vor dem Aus, denn nach mehrfachem Sitzenbleiben darf er sich nun ein letztes Mal an der 10. Klasse versuchen. Und zwar an einer realen Schule mit echten Schülern und Lehrern.

Christian Ulmen spielt den 18-Jährigen Jonas, der zurück an die Schule geht um seinen Abschluss nachzuholen. Foto: Delphi Filmverleih

Christian Ulmen spielt den 18-Jährigen Jonas, der zurück an die Schule geht um seinen Abschluss nachzuholen. Foto: Delphi Filmverleih

Sechs Wochen drehte Ulmen an der Paul-Dessau-Gesamtschule in Brandenburg und lebte dort den ganz normalen Schulalltag. Der Zuschauer erfährt im Film nicht, wer eingeweiht war und für wen tatsächlich „Jonas“ und nicht Ulmen auf der Schulbank saß. Die Zeitung „DIE ZEIT“ verrät: Lehrer und Rektorat wussten Bescheid, die Schüler nicht. Ihnen wurde mitgeteilt, dass Jonas neu an die Schule komme, um die 10. Klasse zu wiederholen. Dabei begleite ihn ein Kamera-Team für eine TV-Dokumentation.

Die Provokation steht nicht im Vodergrund

Jonas größtes Problem ist Mathe. Mit schlechten Noten riskiert er, nach der Probezeit die Schule wieder verlassen zu müssen. Foto: Delphi Filmverleih

Jonas größtes Problem ist Mathe. Mit schlechten Noten riskiert er, nach der Probezeit die Schule wieder verlassen zu müssen. Foto: Delphi Filmverleih

„Uwe Wöllner“ und „Alexander von Eich“ sind zwei der früheren Charaktere von Christian Ulmen. Wer sie schon einmal in den Reality-Serien auf ulmen.tv gesehen hat weiß, exzentrischer könnten die Figuren nicht sein: Ein infantiler Arbeitsloser und ein rassistischer Adliger. Das sind nur Beispiele, denn bisher ging der Schauspieler in seinen Undercover-Rollen grundsätzlich ins Extrem um maximal zu provozieren. In „Jonas“ geht Ulmen einen neuen Weg: Anstatt die Situation zu bestimmen, ist er vielmehr als Beobachter unterwegs. Sein Charakter ist weniger übertrieben und bietet dementsprechend nicht so viel Reibungsfläche. Trotzdem trägt die Figur den Ulmen-Stempel: Herzensgut, aber häufig viel zu direkt und etwas zu kommunikativ wirkt Jonas auf Schüler und Lehrer doch ein bisschen befremdlich. Charakterliche Parallelen sind eher zu Ulmens Rolle als „Günter“ in „Männerherzen“ zu erkennen. So bietet der Film zwar kein Pointen-Feuerwerk, lebt aber trotzdem von vielen kleinen witzigen Momenten, die eher subtil daher kommen.

Dokumentarcharakter spielt wichtige Rolle

Der Mathelehrer Herr Look ist unzufrieden mit Jonas' Leistungen. Foto: Delphi Filmverleih

Obwohl die Lehrer wussten, dass Ulmen den Schüler nur spielt, haben sie ihn wie einen normalen Schüler behandelt. Foto: Delphi Filmverleih

Im Grunde wurden nur Eckpfeiler der Handlung abgesteckt: Jonas ist in der Probezeit und muss sich im Unterricht bewähren, wobei klassisscherweise Mathe der besondere Albtraum ist. Er verliebt sich unglücklich in die Musiklehrerin Frau Maschke, die er mithilfe seiner selbst gegründeten Schülerband beeindrucken will. Alle restlichen Handlungen und Dialoge ergeben sich aus dem Schulalltag und der Interaktion mit Lehrern und Mitschülern. Dabei tritt der Charakter des Dokumentarfilms in den Vordergrund. Ulmen liefert mit „Jonas“ kein sozialkritisches Stück, in dem Missstände des Schulsystems aufgezeigt werden sollen. Vielmehr fängt er in seinem Film viele ehrliche Momente ein und füllt so ein System mit Leben. Zum Bespiel lernt der Zuschauer den Chemielehrer kennen, der besorgt ist, weil der Klassendurchschnitt im Test bei der Note fünf liegt. Oder eine Lehrerin, die über die Existenz von Gott sinniert. Oder die frustrierten Schüler, die sich in ihrer Gruppenarbeit ungerecht benotet fühlen. Christian Ulmen schafft es in solchen Szenen in den Hintergrund zu treten und den Geschichten des Alltags die Bühne zu überlassen.

Zwischen den jungen Schülern fällt auf, dass Christian Ulmen wesentlich älter ist. Foto: Delphi Filmverleih

Zwischen den jungen Schülern fällt auf, dass Christian Ulmen wesentlich älter ist. Foto: Delphi Filmverleih

Verjüngung gelingt nur teilweise

Schwer auszublenden bleibt, dass Ulmen ein erwachsener Mann ist und kein jugendlicher Schüler. Die Verjüngung des 36-Jährigen durch Schminke und Fransenschnitt helfen der Vorstellung zwar auf die Sprünge, aber Jonas erscheint doch häufig zwischen den 15 oder 16 Jahre alten Mitschülern als Fremdkörper.

„Jonas“ ist kein großes Kino-Event mit überraschenden Wendungen, Katastrophen oder herzzerreißende Liebesgeschichten. Der Film kommt gänzlich ohne Extrema aus. Stattdessen besticht er mit dem Zusammenspiel aus dem subtilen Humor von Christian Ulmen und einer ehrlichen, erfrischend unspektakulären Handlung direkt aus dem Leben.

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