Die Diskussion um den Gender Pay Gap ist nicht neu; doch viel zu oft wird dabei nur über Zahlen gesprochen – dabei liegen die Ursachen woanders. Ein Kommentar.
Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Das sei ungerecht, schließlich leisten Frauen genauso viel wie Männer; das ist eine der Wahlkampfbotschaften der SPD.

Wahlplakat der SPD an der Möllerbrücker in Dortmund. Foto: Sophie Rotgeri.
Das Narrativ ist nicht neu: Am Equal Pay Day gehen Frauen früher nach Hause, um auf die Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Kürzlich machte ein Café in Australien Schlagzeilen, weil Männer dort freiwillig mehr bezahlen können, um den Pay Gap auszugleichen.
Der Gender Pay Gap liegt in Deutschland seit Jahren konstant bei 21 bis 22 Prozent – das ist etwas mehr als ein Fünftel. Häufig sieht die Rechnung so aus: Frauen bekommen 79 Cent für jeden Euro, den Männer verdienen. Oder: Frauen müssten über 50 Stunden pro Woche arbeiten, um mit ihrem Stundenlohn auf das Gehalt eines Mannes zu kommen. Oder: Frauen müssten ab dem 16. September eigentlich nicht mehr zur Arbeit gehen.
Doch solche Rechnereien vereinfachen das zugrundeliegende Problem. Es gibt keine Verschwörung aller Arbeitgeber Deutschlands gegen den weiblichen Teil der Bevölkerung. Diese 21 Prozent sind der unbereinigte Gender Pay Gap, das bedeutet, dass Unterschiede zwischen Branchen und Stellungen nicht berücksichtigt werden – mit anderen Worten: Hier werden Manager mit Krankenschwestern verglichen.
Frauen arbeiten immer noch wesentlich häufiger in Teilzeit und eher in sogenannten „Frauenberufen“, die häufig weniger gut bezahlt sind. Gleichzeitig ist die Mehrzahl der Führungskräfte männlich. Wenn man all das mit einberechnet, liegt der Gender Pay Gap nicht bei 21 Prozent, sondern bei etwa 6 Prozent.
Der bereinigte Pay Gap schwankt, je nachdem, welche Faktoren bei der Berechnung berücksichtigt werden. 2013 errechnete das Institut der deutschen Wirtschaft Köln sogar einen Pay Gap von nur 2 Prozent. Dabei gingen die Forscher jedoch unter anderem davon aus, dass Frauen nach einer Schwangerschaft maximal für 18 Monate zuhause bleiben.
Nun kann man argumentieren, das alles seien logische Gründe dafür, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen. Frauen würden sich eben eher für schlechtbezahlte Jobs und die Familie entscheiden. Man solle ihnen die Entscheidungsmöglichkeiten nicht wegnehmen.
Doch zum einen sind diese Entscheidungen häufig alternativlos. Wenn zum Beispiel einfach nicht genügend Kitaplätze vorhanden sind, hat Frau oft keine andere Möglichkeit, als länger zuhause zu bleiben. Zum anderen zeigt sich gerade beim Thema Elternzeit, dass das Kinderkriegen immer noch ausschließlich als Frauenthema wahrgenommen wird. Es sei ein weibliches Problem und müsse deshalb möglichst aus dem Berufsleben herausgehalten werden. Doch je länger eine Mutter nach der Geburt zuhause bleibt, desto mehr vergrößert sich der Gender Gap.
Auch abgesehen von dieser sogenannten Motherhood Penalty haben Frauen es im Beruf schwieriger. Studien belegen, dass Männern grundsätzlich mehr Kompetenz unterstellt wird als Frauen. Daraus folgt unter anderem, dass Frauen bei Beförderungen eher übergangen werden und in Gehaltsverhandlungen weniger erfolgreich sind.
Solche Vorurteile hängen auch mit den Geschlechterrollen zusammen, die uns von klein auf anerzogen werden. Mädchen spielen mit Puppen und mögen pinke Prinzessinnenkleider, und sind vor allem: nett und schüchtern. Jungs sind kämpferische Raufbolde und spielen mit ferngesteuerten Autos oder Fußball.
Solche Rollenbilder setzen sich über die Schule bis ins Berufsleben durch. Wenn Mädchen lernen, dass sie in Mathe und Technik nicht mit den Jungs mithalten können, schneiden sie in diesen Fächern automatisch schlechter ab. Auf der anderen Seite ist es kein Wunder, dass nur wenige Männer in den sozialen Bereich gehen, wenn sie als Kinder gelernt haben, dass es unmännlich ist, Gefühle zu zeigen.
Es ist also richtig, dass es logische Erklärungen dafür gibt, warum Frauen weniger Geld verdienen als Männer. Aber das macht es nicht weniger ungerecht.
Wenn wir über den Gender Pay Gap reden – egal ob über 21 Prozent, 6 Prozent oder 2 Prozent – reden wir über Geld, aber es geht um so viel mehr: Es geht um Chancengleichheit, um Anerkennung, darum überholte Vorurteile und Rollenbilder hinter uns zu lassen. Es geht darum, allen Menschen dieselben Chancen zu geben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen.